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Währungsduell

Warum der Euro besser als Bitcoin ist

Das Jahr 2017 stand im Zeichen der Kryptowährungen. Befeuert durch die unheimlichen Wertsteigerungen von Bitcoin wurden sie erstmals einer breiten Öffentlichkeit ein Begriff. Im Schatten des Kursfeuerwerks kamen auch Diskussionen darüber auf, ob das zugrunde liegende System eines Tages eine Konkurrenz für klassische Währungen wie den Euro werden könnte. Enthusiasten mit libertärem Einschlag träumen davon, dass durch dieses System in Zukunft die Banken entmachtet werden und der Einfluss des Staates zurückgedrängt wird.

Viele Schwächen

Dass Bitcoin traditionellen Zahlungsmitteln den Rang ablaufen, ist aber praktisch ausgeschlossen. „Die bestehenden Kryptowährungen können Franken oder Euro nicht ersetzen. Sie fungieren weder als Recheneinheit, noch erfüllen sie die Rolle als allgemeines Tauschmittel oder als allgemeines Wertaufbewahrungsmittel“, fasst Hans Gersbach, Vorsitzender der Abteilung Macroeconomics Innovation and Policy an der Eidgenössischen Technischen Hochschule Zürich, zusammen.

Überweisungen dauern außerdem noch lange und die Verarbeitungskapazität ist begrenzt. Dazu kommt, dass der nötige Rechenaufwand zur Sicherung des Systems, dessen Nebeneffekt die Schöpfung neuen Kryptogeldes ist, enorme Mengen an Energie verbraucht. Allein für Bitcoin ist der Stromverbrauch mit einem mittelgroßen europäischen Land vergleichbar. Die Online-Börsen, an denen die Kryptowährungen gehandelt werden, sind oft nicht sonderlich vertrauenswürdig und fallen regelmäßig durch verschwundene Beträge auf. Mit Banken und Regierungen sind außerdem starke Interessensgruppen vorhanden , die ihren Einfluss auf das Finanzsystem, vor allem das Geldschöpfungsmonopol, wahren wollen.

Machtfrage

„Den Verlust könnten Staaten nicht akzeptieren. Die Zentralbanken könnten zudem immer selbst Kryptowährungen ausgeben und das Monopol sichern“, sagt Gersbach. Vor diesem Hintergrund überrascht es wenig, dass derzeit weltweit über Regulierung und sogar Verbote von Bitcoin gesprochen wird. Neben unregulierten Kryptowährungen könnte es deshalb bald staatlich kontrollierte Varianten geben. In Estland wird derzeit über die Einführung einer solchen diskutiert. Dabei würde der dezentrale Aspekt zugunsten einer starken zentralen Kontrollinstanz eingeschränkt. „Kryptowährungen der Zentralbanken könnten sich zu einer stabilen Währung entwickeln“, sagt Gersbach.

Die attraktiven Aspekte des Systems blieben dabei erhalten: 24-Stunden-Verfügbarkeit, Sicherheit und – durch entsprechende Anpassungen – kostengünstiger Betrieb. Die Einführung hätte für Banken aber Konsequenzen. „Das Bankensystem würde sich radikal verändern. Die heutige Möglichkeit, durch die Schaffung von Bankeinlagen als Forderungen auf Banknoten selbst ein Geldmittel zu schaffen (etwa bei der Vergabe von Krediten, Anm.), würde an Bedeutung verlieren. Die Banken müssten sich stark umstellen, um weiter eine Bedeutung im Zahlungssystem und in der Kreditvergabe zu haben“, sagt Gersbach.

Die Umstellung könnte – um die Effekte zu mildern – auch schrittweise erfolgen. Die Bank of England hat eine Studie publiziert, die zum Ergebnis kommt, dass eine von der Zentralbank ausgegebene Kryptowährung in der Größenordnung von 30 Prozent des BIP und gedeckt durch Staatsanleihen, drei Prozent Wirtschaftswachstum bringen könnte. Darüber hinaus würden die Steuerungsmöglichkeiten der Nationalbank im Wirtschaftskreislauf verbessert. Die Autoren schreiben aber, dass die Auswirkungen stark von der jeweiligen Implementierung abhängen, etwa vom Umgang mit Zinsen.

Utopie

Die Erwartungen an Kryptowährungen erinnern teilweise an die Utopien, die in den 90er-Jahren das Bild eines freien, offenen Internets gezeichnet haben. In diesem sollten Bürger ermächtigt werden, eigene Ideen und Vorstellungen zu verwirklichen und Übervorteilungen und gegenseitige Anfeindungen durch Selbstregulierung verhindern. Ökonomische Interessen und Eitelkeiten haben die Entwicklung aber in eine andere Richtung gelenkt.

Dieses Schicksal muss den Kryptowährungen nicht drohen. Die zugrunde liegende Idee der dezentralen Verzeichnisse, auch Blockchains genannt, bietet abseits des Zahlungsverkehrs Möglichkeiten. Solche Systeme könnten elektronisches Wählen sicher gestalten oder demokratische Systeme der Meinungsbildung stützen. Auch wenn die Bitcoinblase platzt und Kryptowährungen wieder in Verruf geraten, wird die Idee dahinter weiterleben.

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Markus Keßler

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