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Wien als Standort für die IT-Branche

Vor kurzem wurde Wien in der //Quality of Living Survey// als lebenswerteste Stadt weltweit ausgezeichnet. Bei jener Studie wurden in erster Linie weiche Faktoren, das heißt infrastrukturelle Gegebenheiten wie das Verkehrsnetz, die medizinische Versorgung, Ausbildungsmöglichkeiten, sowie verschiedene andere soziale und politische Faktoren berücksichtigt. Die Studie wurde von der Beratungsgesellschaft Mercer durchgeführt und hat die österreichische Hauptstadt an die Spitze von 215 Weltmetropolen gesetzt.

Der promovierte Wirtschaftswissenschaftler Dr. Andreas Zach hat in einem neuen Buch die strukturellen Voraussetzungen Wiens für die IT-Branche, sowie die aktuelle Situation untersucht und versucht zu erarbeiten, welche Faktoren Wirtschaftstreibende und Führungskräfte bei der Standortwahl zu berücksichtigen haben.

Die aktuelle Situation
Aktuell befinden sich zwischen 200 und 300 Regional Headquarters (kurz RHQs) am Standort Wien. Darunter sind 28 Niederlassungen von Fortune500-Unternehmen, also Unternehmen die zu den 500 umsatzstärksten der Welt zählen. Hier finden sich Branchenriesen wie etwa Hewlett Packard, IBM, Siemens oder BASF. Im Durchschnitt verfügt ein RHQ über etwa 25 Arbeitsplätze plus 5 externe Mitarbeiter. Aus diesen Zahlen ergibt sich, dass es aktuell in Wien bis zu 9000 RHQ-Beschäftigte gibt, die ein Lohneinkommen bis zu 700 Millionen Euro erwirtschaften.

Was ist für einen IT RHQ Standort wichtig?
Nun wurde mittels einer Studie erhoben, was für die Standortwahl eines RHQs ausschlaggebend sein sollte. Hierfür wurden 24 Experten und Führungskräfte, sowie Institutionen zu den idealen Voraussetzungen eines Standorts befragt.

- Flugverkehrsanbindung
Ein RHQ Standort soll über einen Verkehrsflughafen mit überregionaler Bedeutung verfügen. Damit soll ermöglicht werden, dass das gesamte weitere RHQ Netz schnell und effizient, im Idealfall mit Direktflügen erreichbar ist

- Arbeitsrecht
Je liberaler die Arbeitszeitregeln im jeweiligen Land gestaltet sind, desto einfacher ist eine länderübergreifende Zusammenarbeit mit anderen RHQs und Niederlassungen möglich.
Des weiteren soll es im gesetzlichen Umfeld leicht möglich sein Arbeitskräfte aus Niederlassungen und RHQs anderer Länder bei international übergreifenden Projekten einsetzen zu können.

- Andere hochwertiger Unternehmen und RHQs
Je mehr relevante Dienstleister im Umfeld verfügbar sind, umso besser für den Standort. Ein gutes bestehendes Netz aus Dienstleistungsunternehmen wie Rechtsanwälten, Steuerberatern oder Consultern, die entsprechende Erfahrung und Wissen in überregionalen Angelegenheiten haben, sind ein ebenso wichtiger Aspekt, ebenso wie bereits anderweitige bestehende bedeutende Unternehmensgruppen beziehungsweise andere RHQs. Je mehr RHQs an einem Standort vorhanden sind, desto höher ist das Fachwissen, das gegenseitig ausgetauscht werden kann.

Status quo und Perspektiven von RHQs
Ein RHQ ist ständigem Wandel unterworfen, sei es aufgrund von Änderungen in den politischen Gegebenheiten, die nicht beeinflusst werden können, oder durch Maßnahmen auf betrieblicher Ebene, die bedeutende Rollenverschiebungen innherhalb der Niederlassungen beziehungsweise RHQs bewirken können. Aus diesem Grund ist die Standortfrage umso wichtiger, wenn schnell und flexibel reagiert werden muss.

Außerdem muss sich ein RHQ auf Branchen- und Regionalebene durchsetzen um langfristig erfolgreich zu sein. Je erfolgreicher der Wissenstransfer und umso besser sich die wirtschaftliche Entwicklung in den jeweiligen Ländern gestaltet, desto schneller schließt sich die Brückenkopffunktion eines RHQs.

Was Wien bietet
Eine der größten Vorteile von Wien ist die große Kompetenz in Richtung Osteuropa, die sich auf mehreren Ebenen manifestiert. So existiert in Wien bereits ein Netzwerk an Dienstleistern, die bereits viel Erfahrung und Marktwissen im Hinblick auf den Ostraum gesammelt haben. Aus diesem Grund werden von Wiener RHQs primär Länder wie Ungarn, die Tschechische Republik, die Slowakei, Polen, die Balkan- oder GUS-Staaten betreut und geleitet.

Zusätzlich zu dieser Ostkompetenz punktet Wien mit verschiedenen weichen Standortfaktoren, wie gute Wohn- und Freizeitqualität, sowie ein allgemein gutes Wirtschafts- und Investitionsklima.

Auch die wichtige Flugverkehrsanbindung ist mit dem Flughafen Wien Schwechat samt dem Flugnetz der //Austrian// gegeben. Darüber hinaus existiert in Wien bereits eine große Zahl and RHQs auf deren KnowHow aufgebaut werden kann und auch die Unternehmensbesteuerung ist Österreich durchaus attraktiv.

Wo Wien schwächelt
Wo noch eindeutig Nachholbedarf besteht, ist bei dem Ausbau der Verkehrsinfrastruktur um Wien, besonders in Richtung Tschechische- und Slowakische Republik. Die Lohn- und Personalkosten liegen darüber hinaus über denen, anderer möglicher Standorte. Auch die gegebene Wirtschaftsstruktur ist für Standorte großer Unternehmen eher ungeeignet, so existieren in Wien vorwiegend kleine und mittlere Unternehmen, was sich auch deutlich in der gesamten Struktur widerspiegelt.

Wo Wiens Chancen liegen
Im Vergleich zu anderen möglichen Standorten wie Prag oder Budapest, bietet Wien eine attraktive Alternative um Kompetenzzentren zu schaffen und Konzernfunktionen zu bündeln. In weiterer Folge kann die Betreuungskompetenz von Wien auf weitere Länder wie Rumänien, Bulgarien, Serbien und Montenegro oder Kroatien ausgeweitet werden.

Jedoch darf man auch die Gefahren nicht unterschätzen, dass trotz allem zunehmend RHQs in östlichere Gebiete verlegt werden und die Ostkompetenz samt Brückenkopffunktion dadurch in kurzer Zeit verschwindet. Aus diesem Grund sollten weitere Fähigkeiten in Richtung Deutschland, Italien Frankreich oder auch Belgien aufgebaut werden, damit Wien als möglicher RHQ Standort weiter interessant bleibt.

(Thomas Prenner)

Standortproblematik von Regional Headquarters mit Steuerungskompetenz
//Eine Studie über die IT-Branche am Standort Wien.//

202 Seiten, 2010
facultas.wuv
ISBN 978-3-7089-0490-0

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Thomas Prenner

ThPrenner

Beschäftigt sich mit Dingen, die man täglich nutzt. Möchte Altes mit Neuem verbinden. Mag Streaming genauso gern wie seine Schallplatten. Fotografiert am liebsten auf Film, meistens aber mit dem Smartphone.

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