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Energieversorgung

Vorbereitungen auf ein Blackout in Österreich laufen

Die Schlagzeilen in diesen Tagen könnten kaum unterschiedlicher sein: Sie reichen von „Deutschland droht Strom-Blackout zu Weihnachten“ bis hin zu „keine Angst vor dem Blackout-Gespenst“. „Es gibt keine Garantie, dass es nicht passiert“, meinte Sicherheitsexperte Herbert Saurugg vom Systemic Foresight Institute in Wien. „Wenn es nicht passiert, ist das aber kein Zufall, sondern gute Arbeit“, sagte Klaus Kaschnitz von der Austrian Power Grid (APG), die für Netzeingriffe im Fall des Falles zuständig ist. Die beiden hielten während des Workshops „Plötzlich Blackout“, vom Systemic Foresight Institute organisiert wurde, kurze Impulsvorträge.

In Österreich spekuliert man derzeit allerdings weniger darüber, ob ein Blackout in diesem Winter eintreten könnte oder nicht, sondern bereitet sich stattdessen auf diese Möglichkeit vor. Rund 200 Personen aus den Bereichen Katastrophenschutz, IT-Security, Rettung, Feuerwehr, Medizin und Medien tagten am Freitag im Bundesministerium für Inneres, um gemeinsam Strategien zu erarbeiten. „Mit normalen Maßnahmen im Krisenmanagement ist so eine Situation nicht zu bewältigen“, erklärte Harald Felgenhauer vom Systemic Foresight Institute.

Unterschätzte Gefahr

Tatsächlich wird das Szenario eines großflächigen Stromausfalls, der länger als einen Tag anhält, von vielen Menschen unterschätzt. Schon nach fünf bis acht Stunden fällt die Kommunikation über das Festnetz-Telefon weg, die Mobilfunkstationen bleiben zwischen 30 Minuten und zwei Stunden erreichbar. Menschen bleiben in Aufzügen stecken oder sie sitzen in öffentlichen Verkehrsmitteln wie im Zug, in der U-Bahn oder in der Straßenbahn fest. „In einer Stadt wie Berlin würde es rund drei Tage dauern, bis der letzte Mensch aus dem Aufzug befreit ist“, erklärte Marc Elsberg, Autor des Romans „Blackout“, der via Videobotschaft zugeschalten wurde.

Bereits nach 24 Stunden beginnt das Kanalsystem zu kippen und es dauert in Folge mindestens sieben Tage, bis die Kläranlagen wieder wie vorher arbeiten können. Das heißt: Es besteht massive Seuchengefahr, Wasser aus stehenden Gewässern sollte nicht mehr getrunken werden. Auch das Versorgungssystem bricht relativ rasch zusammen, da es kaum mehr Lager gibt, sondern alles „just in time“ in die Supermärkte transportiert wird. 800.000 österreichische Milchkühe müssen möglicherweise notgeschlachtet werden, wenn sie nicht per Hand gemolken werden können. Auch das Glashaus-Gemüse verdirbt ohne Strom.

Atomarer Super-Gau möglich

Nebenbei droht nach wenigen Tagen ein atomarer Super-Gau. Wie Wolfgang Kromp vom Institut für Sicherheitswissenschaften an der BOKU Wien erläuterte, gibt es in Atomkraftwerken nur Notstromdiesel für wenige Stunden bis Tage. Wenn es nach Tagen noch immer keinen Strom gibt, kommt es zur Kernschmelze. „Man müsste die Verantwortlichen dazu zwingen, ihre Notstromversorgung zu verbessern. Es besteht Handlungsbedarf“, so Kromp.

Während die Strategen über das „große Ganze“ nachdenken, und auf dieser Ebene versuchen, die Katastrophe zu bewältigen, werden beim Workshop oft vermeintliche Kleinigkeiten erörtert, die den Umgang mit einem großflächigen Stromausfall für dein Einzelnen erträglicher machen können. Jeder sollte sich etwa bereits im Vorfeld Gedanken darüber machen, wie er sich persönlich für einen länger andauernden Stromausfall wappnen kann. Die futurezone hat an anderer Stelle bereits Tipps hierfür aufbereitet.

Tipps für Personen und Organisationen

Eine Kleinigkeit, die im Ernstfall Leben retten könnte, wäre etwa zu wissen, wo sich die nächste Feuerwehreinsatzstelle befindet, um diese im Notfall selbst aufsuchen zu können. Denn durch das Anzünden von Kerzen kann es verstärkt zu Bränden kommen. Da es keine Kommunikationsmöglichkeit mehr gibt, muss man zur Feuerwehr selbst hinfahren oder -gehen, um diese über den Brand zu informieren. „Das ist wie früher“, erklärte ein Feuerwehrmann beim Workshop.

Auch die Schulung von Hausmeistern, damit diese im Notfall feststeckende Aufzüge ins nächste Stockwerk befördern können, wäre hilfreich und würde beispielsweise die Feuerwehr entlasten, die ohnehin genug zu tun haben wird. Doch auch auf höchster Ebene gäbe es noch einiges zu tun. Handpumpen für Tankstellen wären beispielsweise eine sinnvolle Investition, denn im Notfall kommen selbst Einsatzfahrzeuge wie Feuerwehr, Rettung und Polizei, sonst zu keinem Treibstoff mehr.

Viele dieser Vorschläge wurden von Teilnehmern anonym in einen der 60 Laptops eingetippt, die vor Dreier-Gruppen auf den Tischen standen. Gearbeitet wurde mittels einem Software-Tool namens NextModerator. Viele Vorschläge wurden allerdings auch „unter der Hand“ ausgetauscht, im persönlichen Gespräch mit den Menschen, denen man per Los und Computer-Software als Workshop-Partner zugeteilt wurde.

Expertenwissen wichtig

Manche Experten hatten auch das Gefühl, dass ihr „Wissen von den Veranstaltern abgesaugt“ wurde, wie im anonymen Feedback-Bogen eifrig vermerkt wurde. „Ja, wir wollen das Wissen der Teilnehmer absaugen“, kam von den Veranstaltern am Montag als Feedback auf das Feedback zurück. „Und zwar um es in Folge möglichst breit zu streuen und vielen Menschen Informationen und Vorschläge zur Vorbereitung auf ein Blackout zugänglich zu machen.“

Am Rande der Diskussion um Blackout-Szenarien wird die Debatte rund um die Notkamine in Wien wieder laut. „Rettet den Kamin“ ist der Schlachtruf von Hans Herbert Schmoll. Er ist Initiator einer Petition, die sich gegen die Abschaffung von verpflichtenden Notkaminen wehrt. Diese Einbaupflicht soll in der Wiener Bauordnung 2014 nämlich nicht mehr vorhanden sein.

„In Neubauten kann künftig der Bauträger entscheiden, ob die Mieter Notkamine haben können oder nicht. Aber wenn man diese Entscheidung den Bauherrn überlässt, werden die natürlich die kostengünstigere Variante wählen und keine Kamine mehr einbauen“, klagt Schmoll. Seitens der Stadt Wien sieht man in der neuen Verordnung kein Problem: „Die Neubauten sind so konzipiert, dass die Wohnungen bis zu fünf Tage lang warm bleiben – auch ohne Strom“, heißt es aus dem Büro von Wohnbaustadtrat Michael Ludwig.

Die Kostenersparnis ist mit 0,77 Prozent relativ gering. Sie steht für Herbert Schmoll auch in keinem Verhältnis zum Nutzen, den ein Notkamin im Ernstfall hat: „Fernwärme und Wärmepumpen sind stromabhängige Wärmequellen. Stromausfälle sind aber die häufigste Ursache für einen Ausfall der Heizung. Also können Heizsysteme mit Strom den Kamin nicht ersetzen.“

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Barbara Wimmer

shroombab

Preisgekrönte Journalistin, Autorin und Vortragende. Seit November 2010 bei der Kurier-Futurezone. Schreibt und spricht über Netzpolitik, Datenschutz, Algorithmen, Künstliche Intelligenz, Social Media, Digitales und alles, was (vermeintlich) smart ist.

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