"Blut-Handys": Fair Trade bleibt Utopie
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Ungeachtet der Popularität ihrer Produkte kämpfen Smartphone-Hersteller um ihren Ruf. Selbstmorde beim Apple-Zulieferer Foxconn, angeblich gesundheitsgefährdende Arbeitsbedingungen in Samsung-Werken sowie Kinderarbeit beim Rohstoffabbau – der Preis für die schicken Geräte scheint hoch. Im Gespräch mit der futurezone erklären Branchenkenner, warum ein fair produziertes Handy derzeit Utopie ist.
Während Fair Trade bei Produktkategorien wie Nahrungsmitteln, Blumen, aber auch Kleidung sich langsam etabliert, ist man in der Elektronikindustrie von fairem Handel noch weit entfernt. "Die lange und komplexe Zulieferkette, die von der Gewinnung der Rohstoffe bis zum tatsächlichen Zusammenbauen aller Kleinteile sechs bis sieben Schritte umfasst, macht ein Fair-Trade-Handy derzeit praktisch unmöglich", erklärt Esther de Haan von der niederländischen Organisation SOMO.
Minenabbau problematisch
Vor allem der Abbau der für die Handyproduktion benötigten Mineralien – etwa in afrikanischen Bürgerkriegsgebieten – gilt als äußerst problematisch. Wie beispielsweise die im Vorjahr veröffentlichte Dokumentation "Blood in the Mobile" des dänischen Regisseurs Frank Piasecki Poulsen zeigt, stehen Kinderarbeit und lebensgefährliche Arbeitsbedingungen zu einem Hungerlohn auf der Tagesordnung. Verschärft wird die Situation dadurch, dass mit der Ausbeutung der Arbeitskräfte der Bürgerkrieg vor Ort finanziert und angeheizt wird.
Aber auch in den weiterverarbeitenden Fabriken in Asien, in denen die Hunderten Einzelteile für die Smartphone-Produktion produziert werden, lassen die Arbeitsbedingungen in der Regel zu wünschen übrig. "In den Zulieferbetrieben herrschen vielerorts Zustände, dass man sich den ärgsten Feind nicht hinwünschen möchte: Überstunden, gefährliche Chemikalien, Kinderarbeit. Die Hersteller sind einfach nicht konsequent genug, um derartige Vorgänge abzustellen", kritisiert Claudia Sprinz von Greenpeace Österreich gegenüber der futurezone.
Kein fair produziertes Handy auf dem Markt
Wem fairer Handel wichtig ist, hat derzeit bei keinem der großen Handyhersteller gute Karten, selbst wenn Produktionsstätten wie bei Nokia in Europa angesiedelt sind. Denn schließlich sind alle Hersteller bei den Einzelteilen auf die in Verruf geratenen Zulieferbetriebe angewiesen. "Nokia muss man zugute halten, dass sie zumindest Maßnahmen zur Mindestlohnanhebung beschlossen und sich auch gegen den illegalen Rohstoffhandel ausgesprochen haben", meint de Haan. Erst vor kurzem hat Nokia eine entsprechende Erklärung online gestellt, beinahe gleichzeitig aber auch angekündigt, seine Produktion von Europa nach Asien auszulagern.
Die derzeit führenden Smartphone-Hersteller Samsung und Apple waren in den vergangenen Wochen und Monaten schwerer Kritik ausgesetzt. Während Apple vor allem in US-Medien für die schlechten Arbeitsbedingungen in seinen asiatischen Zulieferbetrieben kritisiert wurde, sah sich Samsung mehrfach dem Vorwurf ausgesetzt, am Krebstod von Dutzenden Mitarbeitern Schuld zu sein, die in den eigenen Fabriken in Südkorea gesundheitsschädigenden Chemikalien ausgesetzt seien. Die Organisation SHARPS (Supporters for the Health and Right of People in the Semiconductor Industry) warf Samsung fehlende Transparenz vor und kritisierte auch, dass der Konzern die Gründung von Gewerkschaften verhindere.
Apple auf Imagetour
Während Samsung die Vorwürfe bestreitet und "keinen Zusammenhang zwischen dem Arbeitsplatz und den Krankheiten der Beschäftigten" sieht, ist gerade Apple derzeit sehr bemüht, sein angekratztes Image wieder aufzupolieren. Neben der erstmaligen Veröffentlichung aller Zulieferbetriebe trat Apple Anfang des Jahres auch der "Fair Labor Association" (FLA) bei, die verbesserte Arbeitsbedingungen weltweit erzielen will. Auch wies Apple darauf hin, die Kontrollen in seinen Zulieferbetrieben zu verstärken, um gegen Kinderarbeit und inakzeptable Arbeitsbedingungen bei seinen Zulieferern vorzugehen.
"Apple ist leider für seine mangelnde Transparenz bekannt. Es bleibt abzuwarten, inwiefern deren Beitritt zur Fair Labor Association sich positiv auswirken wird", meint Esther de Haan gegenüber der futurezone. Die FLA habe auch im Bereich der Textilindustrie, die seit jeher als problematischer Wirtschaftszweig gilt, einige Erfolge hinsichtlich verbesserter Arbeitsbedingungen erzielen können, hofft de Haan auf einen ähnlichen Effekt in der Elektronikindustrie.
EZA: Komplexe Produktionsketten als Herausforderung
Dass es auch bei komplexen Produktionsketten möglich ist, ein Fair-Trade-Produkt auf die Füße zu stellen, beweist das Portfolio des österreichischen Anbieters EZA. So findet sich neben Lebensmittel, Kosmetik und Kunsthandwerk eben auch Bekleidung im Angebot. "Fairer Handel bei einem Kleidungsstück bedeutet, dass alle Schritte vom Baumwolle-Anbau über Spinnen, Färben, Verstricken bis hin zur Konfektion nach Fair-Trade-Kriterien durchgeführt werden müssen. Wir sind sehr stolz, dass uns das für unsere Fair-Mode-Kollektion gelungen ist", meint EZA-Geschäftsführerin Andrea Schlehuber im Gespräch mit der futurezone.
Dass neben dem historischen Fair-Trade-Produkt Kaffee und anderen Lebensmitteln neue Produkte und Kategorien zur Fair-Trade-Familie dazukommen, sei absolut begrüßenswert und helfe auch, neue Zielgruppen für den fairen Handel anzusprechen. Die Nachfrage nach Fair Trade ist Schlehuber zufolge weiterhin gut. Allein EZA konnte den Umsatz in Österreich in den vergangenen zehn Jahren auf 15 Millionen Euro verdreifachen. Pläne, auch im Elektroniksektor tätig zu werden, gebe es derzeit jedoch nicht. "Bei unseren Fair-Trade-Produkten arbeiten wir mit klein strukturierten Produzenten zusammen. Das ist mit der Industrieproduktion im Elektronikbereich nur schwer vergleichbar", so die EZA-Geschäftsführerin.
Strengere EU-Gesetze als möglicher Ausweg
Ob große Konzerne wie Apple, Samsung und Nokia in absehbarer Zeit ihre Produktion in Richtung Fair Trade adaptieren werden, ist mehr als zweifelhaft. Nach Ansicht von Greenpeace-Sprecherin Claudia Sprinz wären wohl gesetzliche Vorgaben notwendig, um die Unternehmen zum Umdenken zu bewegen. "Wenn die EU etwa vorschreiben würde, dass die Produktions- und Lieferkette bei in Europa verkauften Produkten transparent sein muss und die Unternehmen für die gesamte Produktionskette verantwortlich sind, sieht die Situation gleich ganz anders aus", so Sprinz. In erster Linie seien daher nun Konsumenten gefragt. "Je mehr Leute bei den Unternehmen nachfragen, desto größer wird der öffentliche Druck, um Maßnahmen für eine nachhaltige Produktion zu ergreifen", so Sprinz.
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