© Thomas Prenner

Carsharing

car2go im Test: Bequemlichkeit hat ihren Preis

Mehr als 18.000 Wiener haben sich die blaue Funkchip-Karte bereits geholt, mit der sich die Türen der weißen "smart fortwo" öffnen lassen. Ja, Carsharing (das moderne Wort für Kurzstrecken-Automiete) ist auch in Österreichs Hauptstadt angekommen. 15.000 Mieten finden beim Anbieter "car2go" derzeit pro Woche statt, bei denen im Schnitt Strecken zwischen fünf und zehn Kilometern zurückgelegt werden - für die meisten wohl eine bequeme Ergänzung zum Fahrrad und der Öffi-Monatskarte. Insgesamt 500 Wägen stehen zur Verfügung.

Auch futurezone-Redakteure düsen seit dem Start von car2go Ende Dezember 2011 in Wien mit den kleinen Zweisitzern durch die Gegend. Praktisch ist es ja - etwa, wenn man es mal eilig hat, wenn die Öffis nicht mehr fahren, es zu regnerisch fürs Fahrrad ist oder man am Abend vorhat, Alkohol zu trinken und das eigene Auto nicht dort stehen lassen will. Doch den vielen Vorteilen stehen auch einige Nachteile gegenüber, wie unser Test ergeben hat.

Kleine Hürde beim Einstieg

Wer car2go-Kunde werden will, der muss zuerst den Weg in die Wiener Geschäftsstelle antreten (1030 Wien, Hintere Zollamtsstraße 9, Führerschein und gültige Bankverbindung nicht vergessen!). Dort erhält man gegen eine einmalige Gebühr von 9,90 Euro die Mitgliedskarte, mit der man künftig die Miete per Sensor hinter der Windschutzscheibe starten und beenden kann.

Die Regeln im Vergleich zum eigenen Auto sind ein wenig strenger: Es gibt ein Rauch- und Tierverbot im Auto, die Alkoholgrenze liegt bei 0,00 Promille, und eine Übergabe an Dritte ist während der Mietzeit nicht erlaubt. Weiters zu berücksichtigen: Den selbst gewählten PIN-Code sollte man sich merken, andernfalls lässt sich der gemietete Smart nicht in Betrieb nehmen. Die Miete beenden lässt sich nur innerhalb des Wiener Geschäftsgebiets von car2go - das Navi an Bord gibt zu verstehen, sollte man es verlassen.

car2go ist auch in anderen Städten (Calgary, Toronto, Vancouver, Austin, Miami, Portland, San Diego Washington DC, Birmingham, Amsterdam, Berlin, Düsseldorf, Hamburg, Ulm) verfügbar - derzeit kann man dort als Wiener Kunde aber noch nicht einsteigen. Geplant ist die städteübergreifende Nutzung aber schon.

Gebühren mit versteckten Nebenkosten

"Preise, denen Ehre gebührt", meinen die car2go-Betreiber (der deutsche Autohersteller Daimler), und tatsächlich: Die Mietgebühren sind durchaus attraktiv. Abgerechnet wird im Minutentakt, wobei eine Minute Fahrzeit 0,29 Euro kostet. Wenn man die Fahrt unterbricht, die Miete aber nicht beendet, bezahlt man 0,09 Cent pro Minute Fahrtunterbrechung (ergo 5,40 Euro pro Stunde). Maximal kostet ein car2go pro Stunde 12,90 Euro, pro Tag 39 Euro. Bei Fahrten von oder zum Flughafen Wien-Schwechat fällt außerdem eine Gebühr von 4,90 Euro an. Wer tanken fährt, wird übrigens mit 20 Freiminuten belohnt.

Die Preisgestaltung macht car2go zwar teurer als ein Ticket für die Öffis (kürzere Strecken in den inneren Bezirken machen grob gesagt meistens zwischen 7 und 12 Euro aus), doch billiger als mit einem Taxi kommt man meistens davon. Interessant ist auch eine längere Miete: Zwei Tage (maximal erlaubte Mietzeit) kosten 78 Euro, was die Preise für viele herkömmliche Mietwagen unterbietet - immerhin sind Reinigung, Tanken, Vollkaskoversicherung, Navi, Park- und Straßengebühren bereits im Preis inkludiert.

Wissen sollte man auch, dass nicht eingelöstes Reservieren eines Wagens via Webseite oder Smartphone-App mit 4 Euro zu Buche schlägt. Selbstverschuldete Verluste (z.B. der Mitgliedskarte), Falschparken, Abschleppen etc. bezahlt man nach dieser Preisliste natürlich selbst - ganz wie im echten Leben.

Am Touchscreen: Navi, Radio und Funk

Die car2go-Smarts sind zeitgemäß mit einem Touchscreen am Amaturenbrett ausgerüstet, über den man viele wichtige Eingaben tätigt: PIN-Code zum Starten, Zieleingaben für das Navi, Radiosender, Schadensmeldungen, Bewertung der Sauberkeit, etc. Für viele das größte Ärgernis: Am Display wird nicht der aktuelle Preis eingeblendet, das würde die Kostentransparenz unterwegs jedoch deutlich erhöhen. car2go gibt an, an einer entsprechenden Lösung zu arbeiten.

Das Display selbst ist zwar zweckmäßig, aber auch etwas träge - da kann es schon mal vorkommen, dass man sich vertippt, wenn man die Finger zu schnell über die Eingabefelder hüpfen lässt. Auch das Navi (eine zugekaufte Lösung eines unbekannten Fremdanbieters) könnte besser sein - so lotste es im Test nicht immer über die schnellste Route. Auch die Suche nach einer Adresse kann sich schon mal zum Geduldspiel entwickeln.

Telefonieren darf man über den verbauten Mobilfunk auch, allerdings nur in Ausnahmefällen - und zwar wenn man einen Unfall hat, eine Delle melden will oder sonst ein schwereres Problem hat, zu dessen Lösung man die Unterstützung der car2go-Zentrale braucht. Nach längerem Läuten meldet sich dann auch tatsächlich ein sehr freundlicher und meist kompetenter Mitarbeiter, der gerne aushilft.

Smartphone-Apps bringen viel Mehrwert

Als mobiler Dienst im wahrsten Sinne des Wortes muss car2go natürlich auch Smartphone-Apps bieten. Es gibt nicht nur die hauseigene Anwendung (iPhone bzw. Android), sondern auch Fremd-Apps, die auf der API des Carsharing-Anbieters aufbauen und teilweise kostenpflichtig sind. Gemein ist allen Apps, dass man sich verfügbare Autos auf einer Karte anzeigen lassen und diese mit einigen Klicks für 15 Minuten reservieren kann - dann trudelt in wenigen Sekunden eine Bestätigungs-SMS ein. Außerdem kann man sich unterstützte Tankstellen, Parkplätze oder den Standort des bereits gemieteten Wagens anzeigen lassen.

Die verschiedenen Apps sind zum Teil Geschmackssache: Cost Control for Car2Go für iPhone (79 Cent) wurde von der Wiener App-Schmiede AllAboutApps entwickelt und erledigt ihre Aufgabe sehr zweckmäßig, weil sie das fehlende Taxameter im Auto selbst ersetzen kann und den Preis "live" ausrechnet. Bei Android-Nutzern ist derzeit Find2Car (gratis) sehr beliebt.

Ärgerlich bei allen Apps: Sie bieten derzeit allesamt keinen einfach Zugang zum eigenen Konto, in dem man seine angesammelten Kosten einsehen könnte - dazu ist der mühsamere Weg über die Webseite notwendig, was am Smartphone nicht so gut funktioniert. In diesem Punkt sollte die car2go-API schnell nachgebessert werden.

Und was passiert mit den Ortungsdaten?

Die car2go-Autos werden natürlich per GPS verortet, damit sie per Smartphone-Apps oder Webseite auffindbar sind. "Die Standortdaten des von Ihnen genutzten Fahrzeugs werden dann festgestellt, wenn Sie die Miete beenden", sagt Juliane Mühling von car2go auf Nachrfrage der futurezone. "So taucht das nun freie Fahrzeug wieder im car2go-Finder auf der Homepage oder auf der Smartphone-App auf und ist für den nächsten Kunde verfügbar. Während der Fahrt werden keine
Daten erfasst, sondern erst dann, wenn die Zündung aus ist."

Rechnungen und Buchungsbelege, die jeder Kunde in einem Online-Account abrufen kann, werden nach der gesetzlichen Aufbewahrungspflicht sieben Jahre lang von den Betreibern gespeichert.

Ausgewertet werden die Bewegungsdaten allerdings schon - und zwar lokal im Auto. Dort wird eine Fahrstil-Analyse namens "EcoScore" durchgeführt, die den Fahrer informiert und im Idealfall zur Reduktion des CO2-Ausstoßes beitragen soll. Insgesamt ist es aber klarerweise nicht umweltfreundlicher, wenn man car2go nutzt, anstatt mit den Öffis oder dem Fahrrad zu fahren.

Nutzung im Alltag

Wer sich überlegt, sich bei car2go anzumelden, sollte einige Dinge aus der Praxis wissen: Anders als das eigene Auto in der Garage sind die Carsharing-Autos oft aber eben nicht in der Nähe verfügbar. Meistens muss man einen Fußweg von fünf bis zehn Minuten zum nächsten freien Wagen einrechnen.

Außerdem sollte man sich keinesfalls darauf verlassen, dass das Auto noch da ist, wenn man einmal die Miete beendet und eine halbe Stunde später wiederkommt - einer der 18.000 Kunden aus Wien hat es mit ziemlicher Sicherheit geschnappt.

Seit kurzem kann man per car2go auch zum Flughafen Schwechat fahren, was grob zwischen 15 und 20 Euro kostet und damit günstiger als ein Taxi ist. Verreist man zu zweit mit jeweils einem großen Koffer, kann man diese Art der Anreise zum Flughafen aber vergessen - der Kofferraum ist dafür ziemlich sicher zu klein.

Fazit: Bequem, aber teuer und nicht gerade umweltfreundlich

Carsharing gilt auch der Stadt Wien als Zukunftsmodell für den städtischen Individualverkehr, kann man so immerhin die Zahl der Autos reduzieren. Tatsache ist aber auch, dass die car2go-Nutzung nicht billiger ist als der Besitz des gleichen Wagens, wie etwa Spiegel Online vorrechnet - wer also täglich einen Wagen braucht, sollte sich auch einen kaufen.

Umweltfreundlich ist diese Art des Von-A-nach-B-Kommens ebenfalls nicht, denn bis auf Amsterdam gibt es noch keine Elektroautos bei car2go. Weiters problematisch ist die Kostenkontrolle für den Nutzer, der weder am Touchscreen noch in der App die aktuell angefallenen Gebühren abrufen und sich erst im Nachhinein auf der Webseite darüber informieren kann - hier wäre mehr Transparenz dringend angebracht.

Insgesamt ist car2go ein zukunftsträchtiges und bequemes Fortbewegungsmodell, hat aber wie gesagt in punkto Kosten und Umweltverträglichkeit noch einige Haken.

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