Chaos macht Schule

"Digitale Medienkompetenz wird vom Lehrplan ignoriert“

Am Montag hat in Wien die „Privacy Week“ zum ersten Mal ihre Pforten im Volkskundemuseum Wien eröffnet. Noch bis Sonntag finden rund 60 Einzelveranstaltungen rund um das Thema Privatsphäre statt. Ein großer Schwerpunkt der Veranstaltung, die vom Chaos Computer Club Wien (C3W) veranstaltet wird, liegt auf dem Projekt „Chaos macht Schule“. Schulklassen werden von Dienstag bis Donnerstag im Volkskundemuseum die Gelegenheit haben, in Praxis-Workshops digitale Kompetenzen vermittelt zu bekommen. Worum es bei dem Projekt genau geht, erzählt Dodger, Vorstandsmitglied des Chaos Computer Club (CCC), bei einem Panel auf der Veranstaltung sowie im futurezone-Interview.

futurezone: Wann wurde das Projekt „Chaos macht Schule“ ins Leben gerufen und worum geht es dabei genau?
Dodger: Das Projekt gibt es in Deutschland seit 2007. Mittlerweile sind wir damit in allen größeren Städten, in denen es den CCC gibt, vertreten. „Chaos macht Schule“ sind Info-Veranstaltungen in verschiedenen Formaten für Schüler, Eltern und Lehrer. Diese wurden ins Leben gerufen, um über die Datenschutzproblematik bei den großen Online-Diensten aufzuklären und ein Bewusstsein zu wecken, was man online teilt und was man lieber nicht teilt. Beziehungsweise es geht auch darum, überhaupt einmal darüber nachzudenken, was mit den Daten passiert – dass diese eine Währung sind, mit der man bezahlt.

Wie viele Leute sind da insgesamt beteiligt?
Es sind alles Freiwillige, Ehrenamtliche, die an Schulen gehen. In Mannheim ist man etwa auch in der Lehrerfortbildung mit drin. Dort wird Medien-Kompetenz an die zukünftigen Lehrenden vermittelt und da sollte es auch in Zukunft verstärkt hingehen. Von der Lehrerfortbildung wird das Thema komplett vernachlässigt, stattdessen läuft alles über ehrenamtliche und freiwillige Kooperationen. Vom Lehrplan wird digitale Medienkompetenz bisher komplett ignoriert.

Ist „Chaos macht Schule“ die einzige Initiative, die sich um dieses Thema kümmert?
Es gibt auch noch „Jugend hackt“ von der Open Knowledge Foundation, wo wir vom CCC uns als Mentoren einbringen. Dabei wird Jugendlichen zwischen 12 und 18 drei Tage lang die Möglichkeit gegeben, an Projekten zu forschen, zu programmieren oder mit Hardware zu basteln. In Österreich findet das von 4. bis 6. November in Linz statt. Der CCC organisiert aber in seinen Vereinsräumen auch immer einen Junghackertag. Auch bei unserem großen Jahreskongress können junge Menschen hinkommen und in einem geschützten Raum an Projekten arbeiten, basteln und sich austauschen.

Was ist Ihr persönlicher Ratschlag an junge Menschen im Bezug auf digitale Kompetenzen, den Sie im Zuge von „Chaos macht Schule“ weitergeben würden?
Ein universaler Ratschlag: Glaube keiner Nachricht, ohne sie geprüft zu haben. Es ist wichtig, immer zu hinterfragen: Was ist die Quelle? Welche Intention steckt dahinter? Bei Facebook als einziger Nachrichtenquelle läuft man etwa die Gefahr, dass die Nachrichten von irgendwelchen Menschen stammen und nicht von Journalisten. Daher ist es wichtig, immer zu versuchen, sich auch bei unabhängigen Quellen zu informieren.

Das mit der Beurteilung von glaubwürdigen Quellen ist aber auch für Erwachsene nicht immer leicht. Viele Medien machen heutzutage nicht transparent, wenn sie bezahlte Inhalte veröffentlichen.
Ich glaube an die Demokratie, und glaube, dass man Medientransparenz durch Gesetze regulieren kann. Generell ist es einfach wichtig, sich so viele Veröffentlichungen wie nur möglich anzusehen und zu schauen, wo die Diskrepanz liegt. Klar kann man das nicht immer machen, aber wenn einem etwas komisch vor kommt, ist das ein guter Ansatz.

Was sollten junge Menschen noch beachten, wenn sie im Netz unterwegs sind?
Ein guter Tipp: Bevor man etwas im Netz postet – egal ob Fotos oder andere Inhalte – man sollte sich immer überlegen, ob man das gleiche auf einer großen Plakatwand ans Elternhaus schreiben würde – mit seinem Namen drunter. Das hilft bei der Einordnung.

Wie geht es mit „Chaos macht Schule“ weiter?
Es ist ein Erfolgsmodell und Erfolgsmodelle werden beim CCC fortgesetzt. Aber ich würde mir wünschen, dass es irgendwann nicht mehr nötig ist, dass sich Freiwillige und Ehreamtliche darum kümmern und der Bedarf von der Lehrerfortbildung und Lehrern und Eltern von sich aus gedeckt wird. Computer und Internet gehören zum Lebensalltag wie Autos und Waschmaschinen – da muss sich jeder damit auseinandersetzen und das seinen Kindern vermitteln. Es wäre schön, wenn „Chaos macht Schule“ irgendwann mal nicht mehr nötig wäre. Ich fürchte aber, das kann noch eine Weile dauern.

Die Privacy Week findet von 24.10. bis 30.10. im Wiener Volkskundemseum statt.

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Barbara Wimmer

shroombab

Preisgekrönte Journalistin, Autorin und Vortragende. Seit November 2010 bei der Kurier-Futurezone. Schreibt und spricht über Netzpolitik, Datenschutz, Algorithmen, Künstliche Intelligenz, Social Media, Digitales und alles, was (vermeintlich) smart ist.

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