Digitaler Nachlass: Was passiert mit meinen Daten nach dem Tod?
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Schätzungen zufolge sterben jede Stunde 428 Facebook-Nutzer. Gedanken darüber, was mit ihren Daten nach dem Tod passiert, haben sich aber nur die Wenigsten gemacht. Nur 18 Prozent der Deutschen haben einer Studie von Bitkom zufolge bestimmt, was mit Konten nach ihrem Tod geschehen soll. Dabei ist der sogenannte digitale Nachlass ein Thema, das künftig wohl jeden Menschen betrifft.
Doch wie viel davon möchte man nach seinem Tod preisgeben? Und lässt sich das überhaupt kontrollieren? Wie das kürzlich in Deutschland gefällte Urteil zum Tod einer Jugendlichen zeigt, gibt es hier noch viele offene Fragen. Die futurezone versucht, die wichtigsten Antworten zu diesem Thema zu liefern.
Wie kann ich meinen digitalen Nachlass vorbereiten?
„Man kann schon viel im Vorhinein regeln“, erklärt Birgit Mühl von der ISPA, dem Branchenverband der heimischen Internetanbieter, der auch einen Ratgeber zum Thema entwickelt hat. „Man sollte sich insbesondere Gedanken dazu machen, welche Konten man hat und wem man vertraut.“ Deswegen soll der Beginn stets eine Bestandsaufnahme sein, bei der alle bekannten Online-Konten in einer Liste gesammelt werden. Anhaltspunkte liefern Checklisten der ISPA sowie der deutschen Initiative „Macht‘s Gut“, die die beliebtesten Online-Dienste aufzählen.
Beim Sammeln können vor allem Passwort-Manager hilfreich sein, die neben den Namen der Dienste auch die für das Log-in erforderlichen Nutzernamen und Passwörter verschlüsselt abspeichern. Wer derartigen Drittanbietern nicht vertraut, kann aber auch eine Liste oder ein verschlüsselter Datenträger beim Notar hinterlegen lassen. „Wenn Werte dahinterstehen, die brisant sind, ist es natürlich wichtig, dass man sie dem Testament beilegt“, sagt Claus , Notar und Präsident der Salzburger Notariatskammer. Dabei gilt es auch genau festzuhalten, wie mit den Konten umgegangen werden soll. „Es kann ja durchaus sein, dass ich nicht möchte, dass meine Kinder Zugriff auf meinen E-Mail-Verkehr haben.“
Wie kann ein digitaler Nachlass aussehen?
Wie beim klassischen Erbe gibt es mehrere Varianten, wie ein digitaler Nachlass im Vorhinein geregelt werden kann. Hier ist es derzeit meist von der Plattform abhängig, was möglich ist. Facebook erlaubt es beispielsweise, ein Konto eines Verstorbenen in einen sogenannten „Gedächtniszustand“ zu versetzen. Dabei handelt es sich um eine Art virtuelles Kondolenzbuch, auf das Freunde des Verstorbenen weiterhin zugreifen und Beiträge hinterlassen können. Einen Zugriff auf private Daten, wie persönliche Nachrichten, erhält man jedoch nicht. Wer sichergehen möchte, kann bereits jetzt einen Nachlasskontakt bestimmen, der das Profil im Gedächtniszustand verwalten darf. Diesem kann man auch das Recht einräumen, geteilte Beiträge als Kopie herunterzuladen, das Profil- und Titelbild zu ändern sowie das Konto vollständig zu löschen.
Etwas umfangreicher fallen die Optionen bei Google aus, das über den sogenannten Kontoinaktivitäts-Manager verfügt. Sobald in einem vom Nutzer bestimmten Zeitraum kein Zugriff auf das Konto mehr erfolgt, kann es automatisch gelöscht oder die Daten an bis zu zehn Vertrauenskontakte geschickt werden. Hier kann man genau auswählen, welche Daten mit wem geteilt werden. Die meisten Anbieter bieten aber keinerlei Möglichkeiten, Vorkehrungen zu treffen und bieten lediglich die Möglichkeit, die Löschung oder Archivierung eines Kontos eines Verstorbenen zu beantragen.
Was mache ich als Hinterbliebener?
Wurden keine Vorkehrungen getroffen, sollte man ebenso mit einer Bestandsaufnahme beginnen. Der Nachteil: Da man die Zugangsdaten nicht hat, muss man Kontakt zur Plattform aufnehmen und nachweisen, dass man im Interesse des Verstorbenen handelt. Viele Plattformen, wie Google und Facebook, bieten eigene Kontaktformulare an, bei anderen Diensten muss man wiederum den Umweg über den Kundendienst nehmen. Einen Überblick liefert der Online-Dienst Justdelete.me, der die Kontaktdaten großer Online-Plattformen sammelt und beschreibt, wie kompliziert die Kommunikation abläuft.
Erschwert wird dieser Vorgang zusätzlich durch die Tatsache, dass diese Unternehmen meist ihren Sitz im Ausland haben. Manche Anbieter könnten daher sogar notariell beglaubigte Übersetzungen oder die Zusendung von schriftlichen Anträgen verlangen, wodurch hohe Kosten entstehen können. Dabei werden meist stets die gleichen Daten verlangt: Name des Verstorbenen, Sterbeurkunde, eine Einantwortungsurkunde oder ein Erbschein sowie die Kontaktdaten und der Identitätsnachweis des Angehörigen. Manche Dienste stellen aber auch zusätzliche Fragen zum Verstorbenen, um sicherzustellen, dass der Vorgang nicht von Hackern missbraucht wird.
Wie sieht die rechtliche Situation aus?
Laut Spruzina liefert das nun gefällte Urteil des deutschen Bundesgerichtshofs rechtliche Klarheit: „Das Urteil hat klargestellt, dass die Gesamtrechtsnachfolge auch bei Online-Diensten gilt und dass Accounts und deren Inhalte vererblich sind.“ Das bedeutet, dass wohl auch Online-Dienste künftig auf Verlangen von Erben Zugangsdaten und digitale Inhalte herausgeben müssen. Angebote wie Facebooks „Gedächtniszustand“ seien eine „unangemessene Benachteiligung“.
Das Vererben von digitalen Inhalten, wie Büchern, Musik, Filmen und Apps, wird zwar meist in den Nutzungsbedingungen vieler Online-Dienste ausgeschlossen, das sei aber laut Spruzina eine ähnliche „unangemessene Benachteiligung“. Vor allem in Videospielen würden sich oftmals Gegenstände von Wert verstecken. „Es gibt immer mehr virtuelle Güter, die auf den ersten Blick keinen großen Wert haben, die online aber für Tausende Euro gehandelt werden. Da geht es schon auch um das Geld.“ Er geht daher davon aus, dass dieses Urteil auch Folgen für E-Commerce-Anbieter haben wird.
Hier müsse man auch noch viel Bewusstsein für das Thema schaffen: „Das Thema wird von den Menschen noch nicht angesprochen, wir müssen da meist proaktiv darauf hinweisen und aufklären.“ Auch Mühl bestätigt das fehlende Interesse vieler Menschen am Thema: „Junge Menschen, für die der Tod noch kein so großes Thema ist, machen sich darüber eher weniger Gedanken. Bei den Älteren fehlt aber auch oft der Bezug dazu, weil diese nicht so viele Konten haben. Da ist noch viel Bewusstseinsbildung notwendig.“
Sollte ich auf Drittanbieter zurückgreifen?
Verschiedene Anbieter ermöglichen es mittlerweile, Zugangsdaten aufzubewahren und diese im Todesfall an hinterlegte Kontakte weiterzuleiten. Zudem gibt es Dienste, die sich als „Online-Bestatter“ bezeichnen. Diese werden jedoch meist erst nach einem Todesfall engagiert, falls der digitale Nachlass nicht vorbereitet wurde. Die „Online-Bestatter“ durchforsten daraufhin das Internet nach Konten und Spuren des Verstorbenen. Experten raten jedoch bei derartigen Diensten zur Vorsicht. „Man müsste sich im Vorfeld anschauen, wie vertrauenswürdig diese Anbieter sind. Dabei sollte man aber eher skeptisch sein, denn man vertraut ihnen seine Passwörter an“, erklärt Mühl. „Diese Dienste können aber sinnvoll beim Aufspüren von Konten sein, von denen man gar nichts mehr weiß.“
Ähnlicher Meinung ist Spruzina: „Wenn man nichts gefunden hat, kann man schon dazu raten.“ Doch auch die Profis würden dabei oftmals auf Probleme stoßen. „Ein großes Problem ist, dass nicht alle Konten mit Klarnamen hinterlegt sind.“ Das erschwert einerseits das spätere Auffinden, andererseits könnte Hinterbliebenen der Zugriff auf das Konto verweigert werden. „Das Risiko kann Facebook ja nicht übernehmen, wenn ich nicht bereit bin, meinen echten Namen anzugeben.“
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