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© dpa/Armin Weigel

Nachgefragt

Drei Nutzer erklären, warum sie Facebook verlassen

Warum sich Journalisten und Autoren von Social Media abwenden: Ela Angerer, Barbara Kaufmann und Guido Tartarotti begründen, wieso sie ihre Postings und Accounts gelöscht haben.

Die Kritik an Facebook wächst. Die Debatte rund um Facebooks Löschpolitik, sein Geschäftsmodell und die Intransparenz, mit der Entscheidungen gefällt werden, ist in den vergangenen Wochen und Monaten noch einmal deutlich hitziger geworden. Fakenews, die Spekulationen um einen möglichen Einfluss auf Wahlen und die Zunahme an Hasspostings sorgen dafür, dass immer mehr Menschen von dem sozialen Netzwerk Abstand nehmen wollen.

Die futurezone hat bei Autorin Ela Angerer, Journalistin Barbara Kaufmann und dem Kolumnisten und Kabarettisten Guido Tartarotti nachgefragt, warum sie ihre Postings gelöscht oder ihre Accounts deaktiviert haben.

Ela Angerer

Die Autorin hat angekündigt, ihr Facebook-Profil in Kürze komplett aufzugeben und sich aus sozialen Netzwerken weitgehend zurückzuziehen.

Ela Angerer

Warum haben Sie sich dazu entschlossen Facebook zu verlassen?
Facebook frisst meine Zeit, meine Aufmerksamkeit und meine Inhalte, ohne mir dafür Geld oder Wertschätzung zurückzugeben. Es bringt Leute dazu, weniger zu lesen, sich mit Freunden zu treffen oder ins Kino zu gehen. Am meisten stört mich, dass Facebook so verantwortungslos agiert – und das auf mehreren Ebenen. Es zahlt extrem wenig Steuern, nimmt seine Verantwortung bei Hass und Hetze viel zu nachlässig wahr und versucht sich überall herauszuwinden.“

Sie waren jahrelang auf Facebook und haben die Plattform aktiv genutzt. Was hat sich mit der Zeit verändert?
„Am Anfang habe ich davon profitiert, ich dachte, dass ich die Plattform für meine Zwecke nutzen kann. Aber dann bin ich draufgekommen, dass Facebook von uns allen viel mehr profitiert als umgekehrt. Facebook macht dank unserer Inhalte wahnsinnig viel Geld. Uns – Künstlern, Autoren, Kreativen – bringt es aber weit weniger als wir zunächst vielleicht geglaubt haben. Die Leute kaufen meine Bücher nicht wegen Facebook.“

Schließen Sie aus, dass Sie jemals zurückkehren werden?
„Nein, das schließe ich nicht komplett aus. Aber ich möchte ein Zeichen setzen und mich wieder stärker auf mein analoges Leben konzentrieren. Ich will aus einem Netzwerk aussteigen, dass uns so stark beeinflusst und in sein System zwängt.“

Barbara Kaufmann

Die Journalistin hat sich vor wenigen Wochen die Zeit genommen und jedes einzelne ihrer Facebook-Postings gelöscht.

Barbara Kaufmann

Wieso haben Sie sich dazu entschlossen, alle Beiträge aus all den Jahren auf dem sozialen Netzwerk zu entfernen?
“Ich habe vor einiger Zeit jedes einzelne meiner Facebook-Posts und alle Fotos aus achteinhalb Jahren gelöscht. Weil ich gemerkt habe, dass mein Online-Ich mit mir immer weniger zu tun hatte.War es anfangs noch ein total persönliches Medium für mich mit Freunden, die es auch im wirklichen Leben waren, wurde es Jahr für Jahr immer mehr zur Plattform meines Arbeits-Ich. ”

Jedes einzelne Posting zu löschen, ist doch recht aufwändig. Wie war das, die ganzen alten Beiträge noch einmal durchzuschauen?
“Als ich zurückscrollte, merkte ich plötzlich: ich mag mein Online-Ich gar nicht besonders. Es arbeitet ständig, redet nur von Erfolgen oder postet Urlaubsfotos. Auch wenn es mir im wirklichen Leben gerade total schlecht ging. Das war bei der Analyse von den mehr als 3000 Postings am verblüffendsten und auch am traurigsten. Ich glaube, es ist ungesund zwei Ichs zu betreiben. Und dass Facebook auch unsere Wahrnehmung der Gegenwart verändert. Und unsere Erinnerungen wie die Rechtspsychologin Julia Shaw festgestellt hat. Ich will mich an mich erinnern. Nicht an mein Online-Ich.”

Ihr Account ist aber nach wie vor aktiv, warum?
“Den Account hab ich noch, weil ich mit vielen Familienmitgliedern dort verbunden bin, die in der ganzen Welt zerstreut sind.”

Können Sie sich vorstellen Ihr Facebook-Profil in Zukunft vielleicht doch komplett aufzugeben?
“Ja, ich plane ihn auch irgendwann zu löschen.”

Guido Tartarotti

Der Kolumnist und Kabarettist hatte sich bereits für einige Zeit von Facebook verabschiedet und ist dann doch wieder zurückgekehrt.

Guido Tartarotti

Sie haben vor einiger Zeit Ihren Account gelöscht. Wieso?
“Ich habe vor einem Jahr meine Accounts auf Facebook (und auch Twitter) deaktiviert. Dass Facebook ein gigantisches Heißlufterzeugungsgerät ist, das die Welt mit Cat-Content, GIFs von Leuten, die blöde Gesichter schneiden, und Durchhalteparolenlyrik vor Sonnenuntergangstapeten flutet, fand ich irgendwie noch amüsant, wenn auch nervend. Den auf Facebook betriebenen Massensport, andere zu verurteilen oder zwangszumissionieren, hab ich irgendwann nicht mehr ausgehalten. Ich ertrage Wahrheitsbesitzer nicht gut, ich finde, ein denkender Mensch zeichnet sich dadurch aus, dass er zweifelt. Auf Facebook gibt es nur Meinung, keinen Zweifel."

Dann sind Sie aber doch wieder auf die Plattform zurückgekehrt. Wie kam es zu dem Entschluss?
“Ich habe Facebook in der Zeit meiner Abwesenheit keine Sekunde vermisst. Ich bin nach einem halben Jahr dennoch zurückgekehrt, aus zwei beruflichen Gründen: Erstens, um meine Texte und Auftrittstermine zu verlinken, zweitens, weil Facebook einen guten Themenüberblick bietet (allerdings ist Twitter da weit überlegen).”

Glauben Sie, dass Sie irgendwann endgültig von Facebook aussteigen werden?
“Ich tippe darauf, dass ich nicht mehr lang bleiben werde. Das System, Herrn Zuckerberg meinen Content und meine Daten zu schenken, und er verdient damit Milliarden, die er nicht mal ordentlich versteuert, kommt mir mit jedem Tag blödsinniger vor. Außerdem ist Facebook inzwischen verstrahlt wie Tschernobyl: Es ist heute eine große Maschine zur Verbreitung von Hass, Angst und Lügen geworden. Und ich fürchte, dieser Prozess ist unumkehrbar.”

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Claudia Zettel

ClaudiaZettel

futurezone-Chefredakteurin, Feministin, Musik-Liebhaberin und Katzen-Verehrerin. Im Zweifel für den Zweifel.

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