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Umwelt

Elektromüll in Afrika: "Es ist apokalyptisch"

Während sich Konsumenten in Europa den Kopf darüber zerbrechen, welches Smartphone oder Tablet man sich als nächstes zulegen sollte, verschärft sich in afrikanischen Ländern das Problem illegaler Elektroschrott-Halden. Obwohl eigentlich verboten, gelangen weiterhin Unmengen an europäischem Elektromüll in Länder wie Ghana und gefährden dort die Gesundheit der Bevölkerung, insbesondere von Kindern und Jugendlichen.

Schätzungen zufolge fielen 2012 mehr als 41 Millionen Tonnen an Elektroschrott an. Laut der Internationalen Arbeitsorganisation ILO wachse der Elektroschrott-Müllberg jedes Jahr um vier Prozent an. Nach einer Studie von MarketsandMarkets soll sich die globale Menge an Elektroschrott bis 2016 auf 93,5 Millionen Tonnen verdoppelt haben. Große Mengen davon landen illgeal auf Müllhalden in afrikanischen Ländern wie Ghana. 85 Prozent des Elektromülls, der in Ghana landet, stammen aus Europa.

Mitarbeiter der österreichischen, entwicklungspolitischen Organisation Südwind haben sich zum bereits dritten Mal innerhalb der vergangenen drei Jahre ein Bild vor Ort in Ghanas Hauptstadt Accra gemacht und berichten von untragbaren Zuständen. Es sei weiterhin so, dass ein Großteil der in Industrieländern zum Recycling anfallenden Elektrogeräte - als funktionierende Second-Hand-Ware deklariert - in Entwicklungsländer gelange und dort massiven Schaden verursache. Das Problem sei in Westafrika besonders groß, weil sich in Accra sowie in Lagos (Nigera) die zwei größten und wichtigsten Häfen in der Region befinden und diese insbesondere von Europa aus gut und relativ schnell zu erreichen sind.

77.800 Tonnen Elektroschrott in Österreich
Allein hierzulande fallen nach jüngsten Zahlen der Elektroaltgeräte Koordinierungsstelle 77.800 Tonnen Elektromüll im Jahr an. Pro Kopf seien im Vorjahr rund neun Kilogramm gesammelt worden. 15 Tonnen werden jedes Jahr illegal ins Ausland verschifft. Die ausrangierten Elektrogeräte sind aufgrund gestiegener Rohstoffpreise zu einem wichtigen Rohstofflieferanten geworden, was auch die dunklen Geschäfte im Hintergrund wieder stärker in den Fokus rückt.

Laut Südwind kommen täglich an die 7000 Kinder und Jugendliche auf die Elektromüllhalde in Accra und verbrennen dort Altgeräte, um die begehrten Kupferkabel zu kommen. Für eine Tagesausbeute von einem halben Kilogramm Kabel erhalten sie schließlich nicht mehr als einen Euro. "Es ist apokalyptisch", berichtet Christina Schröder von Südwind im Gespräch mit der futurezone von ihren Eindrücken vor Ort. Die Luft sei verpestet und mache das Atmen schwer, der Boden sei voller scharfer Splitter und Gift. "Von meiner ersten Reise nach Accra 2009 bis zur letzten im Herbst 2012 war keine Verbesserung der Situation zu bemerken", sagt Schröder. Weiterhin kämen täglich riesige Mengen an Eletroschrott mit Schiffen an. Dazu zählen Kühlschränke ebenso wie Fernseher und Computer. Die Geräte seien teils sogar mit Inventarschildern bestückt, die beweisen, dass der Müll aus Europa stammt.

"Die gesetzlichen Richtlinen in Europa haben bisher keine Wirkung gezeigt", so Schröder weiter. Einzig die Art des Elektromülls verändere sich zeitversetzt zum Konsumverhalten in Europa. "Nachdem Röhrenfernseher bei uns kaum mehr zu sehen sind, findet man diese jetzt eben verstärkt in Ghana auf den Mülldeponien", erzählt die Expertin.

Krankheiten sind die Folge
Die Kinder, die auf die Müllhalden kommen, erkranken oft an Haut- oder Lungenkrankenheiten, die meist unbehandelt bleiben. Die Jugendlichen leben häufig ganz ohne ihre Eltern und sind in der Regel nicht versichert. Die meisten Kinder hausen gleich neben den vergifteten Müllhalden in Slums, die "Sodom and Gomorrah" genannt werden. "Ich habe ständig Kopfweh, brennende Augen, Husten und Brennen in den Atemwegen", berichtet ein zwölfjähriger Junge den Südwind-Mitarbeitern. "Es ist skandalös, was unser Wohlstandsmüll in Afrika anrichtet", sagt auch Ines Zanella von Südwind. Das sei nicht nur moralisch verwerflich, sondern auch kriminell.

In Ghana ist man mit der Situation überfordert. "Die Politiker dort wissen auch nicht, wie sie damit umgehen sollen", sagt Schröder. Es sei schon die Kontrolle der ablegenden Schiffe in Europa ein Ding der Unmöglichkeit, entsprechend schwieriger gestalte sich dann die Kontrolle von ankommenden Schiffen, die mit dem Schrott beladen sind. "Selbst wenn man die illegale Fracht rechtzeitig bei ihrer Ankunft entdeckt, hat man in Ghana eigentlich keine andere Möglichkeit mehr als diese anzunehmen, weil das Rücksenden schlichtweg zu hohe Kosten verursachen würde", erklärt Schröder.

Gesetzliche Regelungen werden ignoriert
In der Theorie kontrolliert auf internationaler Ebene das Basler Übereinkommen grenzüberschreitende Elektromüll-Transporte. In Europa ist seit 2006 darüber hinaus die WEEE-Richtlinie in Kraft, die den Export von Elektroschrott in Länder außerhalb der OECD verbietet und Sammel- und Verwertungssysteme für Recycling vorsieht. Diese sollen laut der Richtlinie von den Herstellern finanziert werden. Nur funktionstüchtige Altgeräte dürfen als Second-Hand-Geräte weitergegeben und aus Europa ausgeführt werden. Allerdings sieht die Praxis oft anders aus. Es wird immer wieder Müll als noch funktionsfähige Ware deklariert und illegal verschifft.

Elektrohändler geben laut Südwind, sofern sie keine gebührenfreie, öffentliche Sammelstelle nutzen können, gebrauchte und kaputte Geräte an Zwischenhändler weiter, um so die Entsorgung zu organisieren. "Es kann angenommen werden, dass die Händler bald die Spur der Geräte verlieren", sagt Zanella. "Der Handel mit Gebrauchtgeräten und Elektroschrott ist offenbar finanziell lukrativer als Recycling, und wegen lückenhatfer Kontrollsysteme in großem Ausmaß möglich."

Das hätten auch Nachfragen bei heimischen Händlern bestätigt. Nur ein Unternehmen arbeite mit einem zertifizierten Recyclingunternehmen zusammen. Kleinere Firmen organisieren die Entsorgung selbst. Ein Computerhändler habe Südwind zufolge angegeben, die Altware durch ein weltweit agierendes Speditionsunternehmen entsorgen zu lassen. Viele Elektrohändler hätten auf Anfragen der Organisation erst gar nicht reagiert.

Forderungen an Hersteller und Behörden
Südwind kritisiert, dass die Wege des Elektromülls nach Afrika völlig intransparent seien. Daher formuliert die Organisation auch ganz klare Forderungen, insbesondrere an die Hersteller. Diese sollten bereits bei der Produktion auf gefährliche Inhaltsstoffe wie Quecksilber oder giftige Flammschutzmittel verzichten. Schon bei der Herstellung müsse zudem für eine längere Haltbarkeit der Produkte gesorgt werden - dem gegenüber steht allerdings die gängige Praxis, die Geräte bewusst mit einem Ablaufdatum zu versehen, um mehr neue Geräte zu verkaufen.

Ganz dringend notwendig sei es auch, die Entsorgungsketten transparent zu gestalten und ausschließlich gesetzeskonforme Recyclingsysteme zu nutzen. Von Behörden und Regierungen wünscht sich Südwind, dass rasch für die Umsetzung der verschärften WEEE-Richtlinie gesorgt werde, sodass es zu einer lückenlosen Durchsetzung des Exportverbots komme. Generell seien verstärkte Kontrollen notwendig.

Konsumenten in der Pflicht
Auf Konsumentenseite gibt es nach wie vor nur wenig Bewusstsein für bzw. Interesse an der Elektromüll-Problematik. Jenen, die zu einer Verbesserung der Situation beitragen wollen, rät Südwind jedenfalls, alte Geräte unbedingt zu entsprechenden Sammelstellen der Gemeinden oder zu einem "ReUse"-Zentrum zu bringen, das für Reparatur und Wiederverwendung in Österreich sorgt.

Schon vor dem Kauf können sich Konsumenten informieren, welche Firmen gefährliche Inhaltsstoffe vermeiden und für verantwortungsvolles Recycling sorgen. Greenpeace etwa veröffentlicht regelmäßig den "Guide to Greener Electronics", der Aufschluss darüber gibt, wie die großen Hersteller produzieren. Im Vorjahr wurde Blackberry-Hersteller RIM zum wiederholten Male als größter Umweltsünder ausgewiesen.

Keinesfalls sollte man seine Altgeräte an private Schrotthändler oder Charity-Initiativen weitergeben, warnt Südwind, da die Entsorgungswege in den meisten Fällen nicht nachvollziehbar seien. Außerdem sei zu bedenken, dass auch bei den meisten Onlineportalen die Entsorgungswege sehr intransparent seien.

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Claudia Zettel

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futurezone-Chefredakteurin, Feministin, Musik-Liebhaberin und Katzen-Verehrerin. Im Zweifel für den Zweifel.

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