Empörung über Live-Ticker zu Kinderbegräbnis
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Der Online-Auftritt der Tageszeitung "Österreich" sorgt für heftige Kritik, Unverständnis und Diskussionen in der Medienwelt und im Social Web. Die Aktion, das Begräbnis des am Freitag vom eigenen Vater niedergeschossenen Jungen live im Web mit zu tickern, stößt auf breite Ablehnung und wirft neuerlich die Frage auf: Wie weit dürfen Medien in ihrer Berichterstattung gehen, wo befinden sich journalistische und medienethische Grenzen?
Für Presserat-Geschäftsführer Alexander Warzilek ist die Antwort eindeutig: "Ich will zwar dem Senat nicht vorgreifen, aber in diesem Fall ist für mich klar, dass wir es mit einer medienethischen Übergreifung zu tun haben." Es sage einem schon der eigene Hausverstand, dass die Aktion von Oe24 klar über alle Grenzen hinaus gehe. "Zu allererst wäre hier auf die Trauerarbeit der Angehörigen Rücksicht zu nehmen", sagt Warzilek im Gespräch mit der futurezone.
Twitter-Gemeinde in Aufruhr
Auch auf Facebook und insbesondere auf Twitter hat der Live-Ticker für große Empörung gesorgt, zahlreiche Journalisten und Medienvertreter machten ihrem Ärger über die Aktion Luft und forderten Konsequenzen für das Fellner-Blatt bzw. das Portal. "oe24 macht Liveticker zum Begräbnis eines Kindes. Wolfgang Fellner muss geächtet werden. Von allen, die in unserer Branche Geld verdienen", schrieb etwa der ORF-Korrespondent Hanno Settele auf Twitter. Und Falter-Journalist Florian Klenk rief zum Anzeigen-Boykott seitens der Politik auf: "Jeder Regierungspolitiker, der jetzt noch in Österreich inseriert, sollte wegen Beihilfe zu solchen Übergriffen belangt werden." Für ZIB2-Moderator Armin Wolf kommt der Live-Ticker nicht einmal besonders überraschend: "Warum wundert sich wer über den unsäglichen Begräbnis-"Liveticker" auf oe24.at? Seit Tagen ist (ein) unverpixeltes Foto des Kindes in der Zeitung", tweetet Wolf.
Gleichzeitig wurde hinter vorgehaltener Hand auch der Ruf nach einer Gegenaktion seitens Anonymous laut. Eine Attacke auf die " Österreich"-Webseite würden derzeit viele als gerechtfertigt sehen.
Besonderer, aber kein Einzelfall
"Leider gibt es hierzulande von bestimmten Medien schon seit längerem die Tendenz, bestimmte Übertretungen bewusst in Kauf zu nehmen", so der Presserat-Geschäftsführer. Der Gewinn, den diese Medien damit machen, übersteige leider immer noch die potenziellen Konsequenzen. Die Fellner-Zeitung falle regelmäßig mit fragwürdiger Berichterstattung negativ auf.
"Auf wissenschaftlicher Ebene gibt es bestimmte Überlegungen, wie solchen Fällen beizukommen wäre", sagt Warzilek. So wird laut dem Presserat-Geschäftsführer etwa darüber nachgedacht, dass Gewinne, die solche Medien mit derlei Berichterstattung machen, den Betroffenen übertragen werden müssten. "Das ist derzeit kein gültiges Recht und viele Medien stellen sich auch dagegen, weil sie Einschränkungen der Pressefreiheit dadurch befürchten. In Fällen wie dem aktuellen wäre so ein Schritt aber wohl zu rechtfertigen", sagt Warzilek.
Rechtliche Möglichkeiten
Die Familie des kleinen Jungen hat - insofern gewünscht - nun die Möglichkeit, gegen die Berichterstattung vor Gericht zu gehen. "So kann man beispielsweise auch postmortal die Persönlichkeitsrechte des Buben geltend machen", erklärt Warzilek. Gleichzeitig sei auch der Schritt über den Presserat möglich, der sich dann medienethisch mit dem Thema befasst und die Aktion bewertet.
Dass viele Nutzer auf Twitter und Facebook im Zuge ihrer Kritik auch auf den Live-Ticker verlinkten, stieß anderen gleichzeitig ebenfalls übel auf. "Denen soll man keinen weiteren Klick schenken", so der Tenor." Warzilek sieht das Verweisen auf den Ursprung der Aufregung im Zusammenhang mit einer medienethischen Diskussion allerdings als gerechtfertigt an: "Natürlich ist die Kritik an den Links auch nachvollziehbar, in dem Fall heiligt der Zweck aber auch auf gewisse Weise die Mittel. Wird breit über die Sache diskutiert, so ist auch der Verweis auf die Quelle nicht verwerflich bzw. auch nicht zu umgehen."
Erste Konsequenzen
Die Empörung zieht indes bereits erste Konsequenzen nach sich: Wie Microsoft Österreich über seinen offiziellen Twitter-Account bekannt gegeben hat, werden Inserate des Unternehmens auf Oe24 vorerst gestoppt: "Microsoft Österreich hat die aktuelle Kampagne auf #oe24 mit sofortiger Wirkung ausgesetzt und ist um eine Klärung des Sachverhaltes bemüht." Ebenso hat der Wettanbieter Bet-at-Home diesen Schritt gesetzt und setzt die Werbeplatzierung auf Oe24 vorerst aus.
Mittlerweile hat auch Wolfgang Fellner selbst auf die Kritik reagiert uind ließ laut APA-Meldung den Ticker inzwischen abdrehen. „Als ich davon erfahren habe, habe ich den Ticker sofort einstellen lassen“, sagte Fellner gegenüber dem Branchendienst etat.at. Der Live-Ticker selbst habe zwar nach Ansicht des „Österreich“-Herausgebers „sicher nicht in die Persönlichkeitsrechte der Betroffenen eingegriffen“, er persönlich halte aber einen „Live-Ticker von einem Begräbnis in diesem Fall, da es sich um ein Kind handelt, für nicht adäquat“.
Weiters verwies Fellner darauf, dass „etwa TV-Übertragungen von Begräbnissen weltweit üblich sind - und es sich in diesem Fall um eine öffentliche Veranstaltungen mit mehreren hundert Teilnehmern gehandelt hat, die bewusst als öffentliches Ereignis organisiert war“. Wenn man es streng auslege, so dürfte der ORF abends auch keine Bildberichte vom Begräbnis senden, rechtfertigt sich der Zeitungschef.
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