Interne Richtlinien

Facebook: Gewalt wird eher geduldet als Sex

Für jeden Facebook-Nutzer gelten bestimmte Community-Richtlinien, in denen festgehalten ist, was in dem Netzwerk erlaubt ist und was nicht. Diese Richtlinien sind für jeden User öffentlich zugänglich, allerdings recht allgemein gehalten. Konkretere Wertvorstellungen vermittelt hingegen ein internes, geheimes Handbuch für Facebook-Mitarbeiter, das jetzt den Weg an die Öffentlichkeit fand. Ein offenbar unzufriedener Mitarbeiter spielte dem US-Blog Gawker den Wertekatalog zu, der detailliert regelt, welche Inhalte - vornehmlich Fotos - auf Facebook geduldet werden und was entfernt werden muss. Der 21-jährige Marokkaner war eine Zeitlang bei der Dienstleistungsfirma oDesk beschäftigt, die derlei Inhalte-Kontrollen für Facebook durchführt.

Kiffen in Ordnung, nackte Brüste nicht
Generell spiegelt das Handbuch stark das Klischee amerikanischer Wertvorstellungen wider: Während etwa Bilder mit weiblichen Brustwarzen von den Facebook-Mitarbeitern gelöscht werden müssen, gibt es bei Fleischwunden, zerquetschten Köpfen und strömendem Blut eher kein Problem. Die Grenze zieht Facebook hier erst bei Gehirn und Gedärmen. Da mutet es schon seltsam an, dass selbst die Darstellung von weiblichen Geschlechtsteilen, die sich durch die Kleidung deutlich abzeichnen (sogenannte Camel Toe), verboten ist. Auch Menschen, die eine Toilette aufsuchen, werden aus dem Netzwerk entfernt. Die Darstellung von Sex ist kategorisch untersagt.

Auch Kiffen ist im Netzwerk offenbar erlaubt. Während Darstellungen des Konsums illegaler Drogen grundsätzlich verboten ist, dürfen Bilder von Marihuana (“jede beliebige Menge”) von den Usern gepostet werden.

Nicht geduldet wird wiederum Tierquälerei. Allerdings: So lange Fotos gezeigt werden, die im Kontext mit der Nahrungsmittelproduktion stehen, wird Gewalt gegen Tiere durchaus toleriert. So sind Jagd und Nahrungsverarbeitung ok. Fotos von Wilderern, die bedrohten Arten nachjagen, sind hingegen zu entfernen.

Nazi-Symbole in Ausnahmefällen erlaubt
Prinzipiell sind Hakenkreuze, Bilder von Hitler und andere Inhalte im Zusammenhang mit dem Nationalsozialismus bei Facebook verboten. Es gibt jedoch Ausnahmen: Etwa, wenn ein Nutzer durch einen Bildtext explizit den Kontext klarmacht und dadurch nachweisen kann, dass es sich um keinen Regelverstoß handelt.

Eigene Regeln für Deutschland und die Türkei
Besonders genau schaut Facebook hin, wenn es sich um Inhalte aus Deutschland handelt. In dem Wertekatalog gibt es einen eigenen Abschnitt, der sich auf Holocaust-Leugnung bezieht. Ebenso sind konkret Punkte in Bezug auf die Türkei festgehalten, wonach etwa “alle Angriffe auf Atatürk” zu löschen sind. Auch die Unterstützung der kurdischen Terrororganisation PKK und deren Anführer Öcalan ist verboten. Bei derart heiklen Inhalten, sind die extern beschäftigten Facebook-Kontrolleure dazu angehalten, die Fälle an interne Facebook-Mitarbeiter weiterzuleiten.

Eine ähnliche Vorgehensweise pflegt man bei Fällen, die möglicherweise Verbrechen ankündigen, wenn es um Kinderpornografie oder Mord- sowie Selbstmorddrohungen geht.

Nutzer sind erste Instanz
Facebook lässt sich bei der Kontrolle der im Netzwerk veröffentlichten Inhalte zunächst einmal vor allem von den eigenen Nutzern helfen. Über einen Melde-Button kann jedes Foto, jedes Posting von anderen als anstößig markiert werden. Diese Meldungen werden dann im zweiten Schritt von den Mitarbeitern, die über oben genannte Outsourcing-Firmen beschäftigt werden, nach den Regeln des Handbuches überprüft. Erst in dritter Instanz greifen die direkten Facebook-Mitarbeiter ein.

"Alle Inhalte, die gegen die Nutzungsbedingungen verstoßen, werden umgehend gelöscht. Diese werden aus einer Kombination von technischen Vorkehrungen, den Nutzern selbst und einem Team ausfindig gemacht", so ein Facebook-Sprecher. Der Marokkaner, Amine Derkaoui, der das Handbuch veröffentlichte, wirft Facebook in dem Zusammenhang “Ausbeutung” vor. Er habe für ein Grundgehalt von einem Dollar pro Stunde bei oDesk gearbeitet, zusätzlich gebe es für “gute Arbeit” Boni, mit denen ein oDesk-Mitarbeiter auf bis zu vier Dollar pro Stunde kommen könne.

"Im Bestreben, die Millionen von Meldungen, die wir jeden Tag erhalten, schnell und effizient zu bearbeiten, haben wir es als hilfreich erachtet, Dritte zu beauftragen, damit sie uns bei einem kleinen Anteil der gemeldeten Inhalte eine erste Klassifizierung bereitstellen”, heißt es seitens Facebook. Diese Vertragspartner unterlägen “strengsten Qualitätskontrollen”. Die “schwerwiegendsten Meldungen” würden von direkt bei Facebook beschäftigten Mitarbeitern kontrolliert.

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Claudia Zettel

ClaudiaZettel

futurezone-Chefredakteurin, Feministin, Musik-Liebhaberin und Katzen-Verehrerin. Im Zweifel für den Zweifel.

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