© Gerald Reischl

Facebook-Zentrale: Zwischen Disney und Datenschutz

Facebook-Zentrale: Zwischen Disney und Datenschutz

Sie kennt Österreich. Den meisten hier am Campus ist das Land aus Mitteleuropa ein Begriff. Weil es in diesem kleinen Staat einen gibt, der sie ärgert. Ähnlich diesem kleinen gallischen Dorf in Aremorica. „Ich kenne den Namen Max Schrems, weil ich in Dublin war, als das alles begann und weil ich für Sicherheitsagenden zuständig war“, sagt Krista Kobeski. Mit „das alles“ meint sie die Klagen, die der Österreicher gegen Facebook eingebracht hat. „Aber wir haben ja jetzt eine Seite eingerichtet, in der all diese Fragen beantwortet werden.“ Mehr will/darf Krista Kobeski nicht sagen.

Krista ist der heutige „Guide“ und führt uns durch die blaue Facebook-Welt, nachdem man die Anmeldeprozedur absolviert hat. Man tippt seinen Namen in eine Anmeldemaske auf einem iPad ein, wählt den Gesprächspartner aus, bekommt einen Anhänger verpasst und dann stellt man sich brav vor und schüttelt Krista die Hand. Es fehlt eigentlich nur noch, dass sie sagt „Hi, my name is Krista and I am your waitress today. If you need something, let me know.“ – weil die Führung auf dem Facebook-Campus in Menlo Park, Palo Alto anfangs einem Gastronomie-Rundgang gleicht.

Kleinstadt mit Disney-Flair

Der 93.000 Quadratmeter große Facebook-Campus in 1 Hacker Way, Menlo Park, Palo Alto setzt sich aus 8 Gebäuden zusammen; nummeriert sind sie zwar von 10 bis 18 – allerdings gibt es kein Gebäude 13. Vor jedem Gebäude sind Orientierungspläne im Betonboden eingearbeitet. Auf dem Campus soll man sich wie in einer kleinen Stadt fühlen. Das war das Ziel, als man von Ende 2011 nach Palo Alto übersiedelt ist. Weil man wusste, dass man fernab einer richtigen städtischen Infrastruktur ist. Um die Anlage, die davor Sun Microsystems gehörte, wie eine Stadt aussehen zu lassen, hatte Mark Zuckerberg zwei Disney-Ingenieure engagiert. Und die hatten dem Campus gleich eine Hauptstraße verpasst – mit gelber Linie. Ab und zu auch Fußgängerübergänge vom einen zum anderen Gebäude – gestrichen im Golden-Gate-Orange. Und es gibt – wohl in Anlehnung an die Tradition im Silicon Valley – Garagenbüros mit echten Garagentoren und die Infrastruktur, die man in einer Stadt braucht – vom Friseur (kostenpflichtig) über die Putzerei (kostenlos) bis zur Bank. Selbst Musik wird in Menlo Park unterrichtet und wer sich zum Hobby-Tischler ausbilden lassen will – auch das ist möglich. Am Campus gibt es nicht nur einen Betriebsarzt, sondern ein Minispital (ohne OP) mit Ärzten und Schwestern. Und für jene, die das Gehirn „auslüften“ wollen, gibt es „MPK Arcade“ – ein Spielesaloon, wie er ein wenig an den Wiener Prater erinnert.

Der Facebook-15-Effekt

Neun Restaurants gibt es im Facebook-Reich. Rechts des großen zentralen Platzes die Sushi-Bar „Fuki Sushi“, das einzige kostenpflichtige Restaurant. Einen Steinwurf entfernt, an der Ecke, befindet sich das Coffee mit den „Tasty Pastries“, dem gegenüber das mexikanische Lokal „Teddy’s Nacho Royal“, daneben „Big Tony’s“ Pizzeria, gleich danach schließt die „Firmenkantine“ „Epic Cafe“ an, deren Boden im übrigen wie eine Leiterplatte gefertigt ist. Schräg vis-à-vis vom Epic Cafe steht die Hamburger-Hütte „Burger-Shack“. Am beliebtesten ist übrigens der Sweet Shop, wo man von Kuchen über Eis bis Süßigkeiten alles erhält. Und ob man nicht alles schon einmal gehört hat, ob dieser Gratis-Essen-Kultur. So wie neue Googler über ein Google 15 klagen, gibt es auch bei Facebook den Facebook-15-Effekt: Neue Mitarbeiter nehmen ob dieses Schlaraffenlands in den ersten Monaten 15 Pfund (6,8 kg) zu. Angeblich.

Das Essen ist freilich gratis – das hat man sich von Google abgeschaut, das etwa elf Kilometer entfernt in Mountain View ihr Hauptquartier hat. Facebooks Firmenkultur ist eine Google-Kopie. Hier wie da gibt es allerorts die mit Getränken gefüllten Kühlschränke, davor Körbe mit Obst und Metallständer mit allerhand Knabbergebäck und Süßigkeiten. Die Liebe zum Unternehmen soll offenbar auch durch den Magen gehen. Neidisch könnte man werden, dass es so etwas in Europa nicht gibt – abgesehen von den Facebook- und Google-Dependancen auf dem europäischen Kontinent.

Mehr Sightseeing statt Insight

Es ist eine Sightseeing-Tour, die man als Besucher serviert bekommt. Es wird versucht, das coole Unternehmen Facebook zu präsentieren, eine Fassade, an der man aber nicht kratzen sollte. Kein Statement zu den Themen, die die (kritische) Facebook-Welt bewegt. Derartige Fragen werden mit einem „diese Art von Informationen sind nicht freigegeben.“ Selbst auf scheinbar harmlose Fragen kriegt man keine Antworten oder anders formuliert, immer dieselbe. Woher die 4.000 Mitarbeiter kommen? „Aus der ganzen Welt“, heißt es. Auf die Nachfrage, aus welchen Ländern konkret, heißt es wieder: „Diese Zahlen oder Information sind nicht freigegeben“. Die gleiche Phrase bekommt man oft zu hören, wie etwa auf die Fragen „was verdient ein Mitarbeiter im Schnitt“, „wie hoch ist die Aktienbeteiligung der Mitarbeiter“ oder „wie alt sind die Mitarbeiter durchschnittlich“. Zumindest auf die letzte Frage gibt es ein: „Ich schätze Anfang 30“.

Und auf Frage, ob man jetzt Mark Zuckerberg – sein Schreibtisch steht im Gebäude 16 - ein paar Fragen stellen dürfe, wird mit einem „das ist im Rahmen dieser Tour nicht vorgesehen“ kommentiert. Aber Mark sei ein ganz toller Mensch, der mit allen Mitarbeitern spricht – sie selbst habe sich mit ihm im vergangenen Monat einmal unterhalten. Er hat kein eigenes Büro, sondern arbeitet so wie die anderen und hat nur einen eigenen Schreibtisch im Büro seines Teams. Aber es gibt einen Konferenzraum, der ständig für ihn reserviert ist. Überhaupt sind die architektonischen Hierarchien bei Facebook so ausgelegt, dass keiner der Abteilungsleiter sein eigenes Büro hat, sondern mitten in seinem Team sitzt.

Blau ist unsere Lieblingsfarbe

Der Facebook-Shop hat täglich von 10 bis 18 Uhr geöffnet. Hier gibt’s alles was das Facebook-Fan-Herz begehrt – vom „ich-will-so-aussehen-wie-Mark-Zuckerberg-Sweater“ über Kappen, Regenschirme, Taschen und Kaffeetasse (auch mit Instagram-Logo) bis zum T-Shirt, in allen Farben, allen Grüßen und auch eine Mom- und Dad-Edition. Blauer Nagellack, Barsesseln. Ein Shop von Fans für Fans. Der html-Farbcode des Facebook-Blaus lautet übrigens #3B5998.

Die Hacker-Company

Das Wort Hacker kann man auf vielen Orten auf dem Campus lesen, auf Plakaten, Kritzeleien, „The Hacker Company“ steht sogar in großen Leuchtreklame-Lettern oben auf dem Gebäude 16. „Wir sind eine Hacker-Company“, sagt Krista stolz. Das große Schild fand ein Mitarbeiter in Florida, es gehörte einem Geschäftsmann in Florida, dem eine kleine Fabrik gehörte. Ihm kaufte man das Schild ab, reparierte es und montierte es in Menlo Park. „Was euch nicht auffällt, ihr steht gerade auf einem H“, so Krista. Das Wort „Hack“ ist auch im großen Innenhof mit riesigen Steinen geschrieben worden. Das könne man sogar aus dem Flugzeug sehen – wenn man vorher weiß, wo sich die Facebook-Zentrale befindet. Aber für solche Zwecke gibt es übrigens sogar eine eigene Karte – für Piloten und Passagiere. Eine Karte, auf der sämtliche Web- und Tec-Firmen des Valleys eingezeichnet sind.

Der "Hacker"-Schriftzug im Boden der Facebook-Zentrale in Palo Alto ist aus der Luft zu lesen (fotografiert von Steve Maller)

Problemlöser Facebook

"Wir definieren das Wort „hacken“ ja anders", sagt Kobeski. "Nämlich, dass Hacker nichts Böses sind, sondern die wirklich großen Probleme der Welt lösen." Hacken bedeutet – in der Facebook-Definition – arbeite schnell, löse die wirklich großen Probleme und das auf innovativste Art und Weise. Vier Mal im Jahr wird ein Hackathon veranstaltet, im Rahmen dieser Veranstaltungen entstanden Facebook-Produkte wie Facebook Wifi oder auch der Facebook Chat.

Ob die „Restrooms“ auch eine bestimmte Eigenheit hätten? Nein, ganz normale Restrooms, sagt Waitress Kobeski. Bei Google gibt es nämlich in den Restrooms Regale, damit die Mitarbeiter ihre Toilette-Sachen wie Zahnbürsten & Co unterbringen können – sollte der Arbeitstag einmal länger dauern. Was bei einem globalen Unternehmen ja durchaus der Fall sein soll. Aber auch bei Facebook findet sich eine Besonderheit – beim Herren-Pissoir sind Newsletter affichiert.

Die Facebook-Füchse

Herzerwärmenden Anekdoten werden den Besuchern serviert, die beweisen sollen, wie gut nicht die Firma ist. Da wäre die Geschichte der drei kleinen Füchse, die Anfang des Jahres hier geboren wurden und von der Mutter unter die Holzterrasse gleich hinter dem Haupteingang im Gebäude 15 versteckt wurden und dann den Campus erkundet und den Mitarbeitern sogar das Essen von den Tischen gestohlen haben. Es wurden „Fox Safety“-Schilder aufgestellt. Man solle die Füchse nicht streicheln, ihnen nicht nachgehen und sie auch nicht füttern. Man soll einen Sicherheitsabstand von etwa 7 Metern einhalten.

Mitarbeiter können sich mit ihrer ID-Card Büromaterial beim Automaten besorgen.

Mit der ID-Card kann man sich bei Automaten Büromaterialien ausspucken lassen (kostenlos), im Bike-Store „Transit Hub“ – Ersatzteile für sein Fahrrad. Im Transit Hub werden auch die Fahrräder repariert, upgegradet oder Verleihräder fürs Wochenende organisiert. 140 Fahrräder stehen den Mitarbeitern zur Verfügung, 7 Tage sind kostenlos. Die Fahrräder werden mit eigenen Transporträdern geholt.

Die Mitarbeiter kommen übrigens mit Gratisbussen (mit WLAN) kostenlos in die Unternehmen. Sollten sie nicht mit dem Rad fahren wollen, dann nutzt der eine oder andere ein eCar. Gleich vor dem Haupteingang zu Facebook im Gebäude 15 gibt es einige Ladestationen.

Anwesenheits-Screen.

Beim Eingang jedes Bürogebäudes, die zum Teil durch Brücken miteinander verbunden sind, ist auf einem Screen der Gebäudeplan abgebildet. Rot bedeutet, das Besprechungszimmer ist belegt, grün heißt, der Raum ist gerade frei. Die kleinen Konferenzräume haben auch Namen, entsprechend der Abteilungen, die sich im Haus befinden. Von „Background-Information“ über „Offline-Information“, legale Begriffe, eine Abteilung hat seine Räume nach schlechten Ideen benannt „Don't Run with Scissors“, wieder andere heißen „Kermit the frog“. Per Klick kann man den Raum buchen. Eine Besonderheit dabei: Man kann nicht nur sprichwörtlich laufend Besprechungen und Konferenzen abhalten, denn unter dem Stehschreibtisch gibt es ein Laufband. Freilich gibt es auch bei Facebook ein gut ausgestattetes Fitness-Center. Gleich daneben wird die „Chat-Liste“ eingeblendet, wie man sie von der Facebook-Seite her kennt – man sieht, wer anwesend ist.

Facebook-Walls

Überall am Campus begegnet man „Kunstwerken“ oder zumindest Kreationen, die als Kunst bezeichnet werden. „Wir haben viel für Kunst und Kreativität übrig“, sagt Krista. Neben Malereien, Postern, Installationen – Telefonzelle mit Superman-Kostüm – gibt es überall auch die Facebook-Walls. „Write Something“ wird man aufgefordert. Die Walls gibt’s in zwei Varianten, abwaschbare und ewige. Erstere bekritzelt man mit Kreide, zweitere mit Filzstiften, deren Spitze teilweise zerfranst sind und das Schreiben dementsprechend mühsam ist. Auch die futurezone hat sich verewigt – futurezone.at was here. Einmal gesehen reicht vollkommen. Am Ende der Tour kommt man tatsächlich zum Schluss, dass der Komplex tatsächlich weniger Arbeitsplatz und mehr Disneyland ist. Wen das anspricht: 297 Jobs (Stand 20. Oktober 2013) sind derzeit bei Facebook ausgeschrieben.

In Gehweite zum Facebook-Campus entsteht der erste Facebook-Wohnpark. Die neue Anlage, die etwa 60.000 Quadratmeter groß sein wird, kostet 120 Millionen Dollar. Er wird „Anton Menlo“ heißen, aus 394 Wohn-Einheiten bestehen. Von der Idee her erinnert er an die industriellen Fabriksiedlungen, die zur Jahrhundertwende populär waren. Als Grund für den Wohncampus gibt Facebook an, dass die Immobilienpreise in Palo Alto sehr hoch seien, allein 2012 sind diese um fast ein Viertel gestiegen. Auch in San Francisco und im angrenzenden Oakland explodieren die Wohnungsgpreise für Miet- und Eigentumswohnungen.

Facebook-Wohnanlage Anton Manlo


Vom Pool bis zum Hundesitter

Im Anton Menlo soll es vor allem leistbare Wohnungen für die Facebook-Mitarbeiter geben, nur 15 davon können von Nicht-Facebook-Mitarbeitern gemietet werden. In den ersten Plänen war davon die Rede, dass beide Facebook-Dependancen durch einen Tunnel verbunden sein werden. Der neue Campus ist üppig ausgestattet und soll alles enthalten, was bislang gefehlt hat – von großen Swimmingpools über Dachgärten bis hin zu Hundesittern. Parallel entsteht zur Siedlung gerade ein neuer Büroflügel am Facebook-Gelände direkt, der vom Starchitekten Frank Gehry, der das Guggenheim-Museum in Bilbao geplant hat, entworfen wurde.

Hat dir der Artikel gefallen? Jetzt teilen!

Kommentare