Internet-Memes: Und alle so LOL
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“I can has Cheezburger?” fragt ein graues Wollknäuel und blickt unschuldig in die Kamera. Lustige Fotos mit Katzen, denen in gebrochenem Englisch Sätze in den Mund gelegt werden, sind seit Jahren der Renner im Internet. Lolcats - das Wort setzt sich zusammen aus dem Kürzel Lol für “Laughing out Loud” und Cat - zählen mit zu den bekanntesten und beliebtesten Vertretern des Internet-Phänomens der sogenannten Memes (zu Deutsch Mem). Erstmals tauchten die humoristischen Katzenbilder 2006 in dem Internetforum 4Chan auf, ihren Durchbruch erlebten sie Anfang 2007 als der Japaner Erik Nagakawa dem Thema eine eigene Webseite unter dem eingangs genannten Titel “I can haz Cheezburger” widmete. Der Vervielfältigung sind seither keine Grenzen mehr gesetzt, täglich gehen zehntausende neue Fotos bei der Webseite ein, die mittlerweile zu einem lukrativen kommerziellen Geschäft angewachsen ist. Das Beispiel der Lolcats zeigt sehr gut, wie sich Späße in der Onlinewelt zu Massenphänomenen entwickeln und Nutzer auf der ganzen Welt in Windeseile erreichen können.
Die Anfänge
Wurden früher Witze am Stammtisch weitererzählt, so schickt man sich heute gegenseitig humorige Bilder, Texte, Videos, Audiodateien oder Links per E-Mail oder über soziale Netzwerke. “Ein allererstes sogenanntes Internet-Mem lässt sich eigentlich nicht identifizieren. Imitation und Variation sind universale Prozesse ästhetischer Ausdrucksformen”, sagt Medienwissenschaftlerin Jana Herwig im Interview mit der futurezone. Insofern sei anzunehmen, dass es Internet-Memes gab, sobald Menschen vernetzt miteinander zu kommunizieren begannen - “freilich ohne diese als Internet-Meme zu identifizieren”, so Herwig über die Anfänge des Online-Phänomens.
“Der Begriff Internet-Mem bezeichnet vor allem einen netzkulturtypischen Typ der Verbreitung von Inhalten, er ist aber - ähnlich wie Richard Dawkins` Begriff des Mems - nicht spezifisch, was die Inhalte oder Formen angeht”, erläutert Herwig. Im Prinzip sind Memes nichts anderes als Running Gags im Netz, zu deren Verständnis der Nutzer über zumindest einen bestimmten Grad an Insiderwissen verfügen muss. Natürlich würden auch außerhalb des Internets Formen und Inhalte imitiert und variiert - es sei aber aus wissenschaftlicher Sicht wenig ergiebig und auch nicht notwendig, etwa Gemälde oder Sprachphänomene mit Internet-Memes zu vergleichen, so Herwig.
Auch wenn man keinen eindeutigen Ursprung dieser Internetkultur festmachen könne, so gebe es aber durchaus kanonische Beispiele, die speziell mit dem Aufkommen von YouTube heute der Anfangszeit der Internet-Mems zugerechnet würden. Ein Beispiel sei etwa “Sneezing Panda”, ein Videoclip in dem ein Panda-Junges lautstark niest.
Social Media als Multiplikator
“Da Social-Media-Plattformen wie YouTube es einfach machen, ähnliche Inhalte - zum Beispiel Vorlage bzw. Original und Variation - miteinander zu verknüpfen, kann auch das Prinzip einer Serie einfacher etabliert und weiter moduliert werden”, erklärt die Medienwissenschaftlerin. Aber auch vor YouTube schon entstanden Running Gags im Netz, die - mittlerweile auch in YouTube integriert - nach Jahren noch immer in Umlauf sind und in der Onlinewelt inzwischen “Klassiker-Status” erreicht haben. Ein Beispiel dafür liefert etwa “Star Wars Kid”, entstanden im Jahr 2002. In dem Webvideo ist ein kanadischer Schüler zu sehen, der eine Golfballangel wie ein Lichtschwert aus dem bekannten Science-Ficton-Film schwingt - die Komik entsteht dabei aus den ungelenken und ungeschickten Bewegungen des Jungen und seinen Versuchen bestimmte Soundeffekte nachzuahmen.
Dauerbrenner und Eintagsfliegen
Kaum ein Tag vergeht für den regelmäßigen Online-User, an dem nicht ein neuer Joke, ein neues virales Video oder Foto die Runde macht. Viele Memes verschwinden so schnell, wie sie aufgekommen sind oder bleiben nur bei einer sehr kleinen Gruppen an Usern länger im Gedächtnis. Phänomene wie "Planking" oder "Owling" etwa sorgten in jüngerer Vergangheit für kurzeitige Hypes, waren aber ebenso schnell wieder aus dem digitalen Alltag verschwunden. Einzelne Gags hingegen überleben über Jahre hinweg und zählen zum fixen Bestandteil der Onlinekultur.
So hat sich beispielsweise das “Rickrolling” einen festen Platz im digitalen Alltagsleben gesichert und wird zu jeder erdenklichen Gelegenheit neu zitiert und eingesetzt. Die Erklärung: 2007 begannen Nutzer vermehrt damit, neue Musikvideos bei YouTube hochzuladen. Hinter den vermeintlichen Links auf diverse Videos fanden sich dann jedoch nicht die angegebenen Clips, sondern immer dasselbe Musikvideo von Rick Astleys Song “Never gonna give you up”. Mittlerweile gehört es schon zum guten Ton der Spaßgesellschaft, Links zu - egal welchen Themen - zu verbreiten, über die man jedoch nicht beim versprochenen Inhalt, sondern bei besagtem Musikvideo landet. Am Ende nennt sich das ganze “Rickrolling” , ein Scherz bei dem man andere schlichtweg hereinlegt. Zuletzt machte sogar US-Präsident Obama davon Gebrauch. Im Zuge der Debatte um den US-Schuldenstreit verschickte sein Team eine Twitternachricht, an einen User, über man bei Astleys Song landete.
Auch Hitler ist in der Onlinewelt seit vielen Jahren ein unerschöpflicher Spaßbringer. Sich auf Kosten des “Führers” zu belustigen, war schon zu Charlie Chaplins Zeiten populär und ist es heute ebenso. Besonders bekannt ist das sogenannte “Downfall”-Meme: Ein Ausschnitt aus dem Film “Der Untergang” mit Bruno Ganz, der zu diversen Anlässen herangezogen und mit Untertiteln versehen wird, wonach Hitler dann beispielsweise seinen Wutausbruch aufgrund des neuen iPads oder der Auflösung der Band Oasis bekommt.
Unfreiwillig komisch
Nicht jeder Spaß, der sich viral im Netz verbreitet, ist tatsächlich nur ein Spaß. Was den einen zur Erheiterung dient, kann für manch Betroffenen, also für jene, auf deren Kosten der Spaß gemacht wird, auch bittere Konsequenzen haben. Auch dafür liefert “Star Wars Kid” ein treffendes Beispiel. Der kanadische Schüler wurde nach Bekanntwerden des Videos von Mitschülern gemobbt, ging kaum noch zur Schule und wechselte diese schließlich ganz. Im Jahr 2003 klagte seine Familie vier Familien seiner Mitschüler, die beschuldigt wurden, das Video ohne das Wissen des Jungen verbreitet zu haben. Dieser soll sich zu der Zeit aufgrund des Vorfalls auch in psychologischer Behandlung befunden haben.
Auf dem Weg in den Mainstream
“Je mehr Internet- und Social-Media-Nutzung zu einer breiten gesellschaftlichen Praxis wird, je mehr Menschen vernetzt miteinander kommunizieren, um so mehr werden mit sogenannten Internet-Memes in Kontakt geraten. Was auf YouTube passiert kann heute wohl schon zum Mainstream gezählt werden”, so Herwig. Was anfänglich eher eingeschworenen Gruppen, die mit bestimmten Codes und Spielregeln im Netz vertraut sind, vorbehalten war, entwickelt sich immer stärker zur Unterhaltungsform für die breite Masse. Entsprechend schnellebig und schier unüberschaubar ist mittlerweile das Angebot an Memes. Eigene Websites wie “Know your Meme”, die eine Sammlung und Auflistung von so gut wie jedem Internet-Späßchen bietet, liefern einen groben Überblick und erklären die einzelnen Memes, deren Ursprung bzw. was sie bedeuten.
Dass das Phänomen längst kein Nischendasein mehr fristet, beweist wohl auch der Umstand, dass sich auch die Werbeindustrie die virale Verbreitung von Inhalten zunutze macht. So werden heute viele Marketingaktionen als Blog oder YouTube-Video “getarnt”, um im Idealfall von den Nutzern selbst in großem Stil verbreitet zu werden.
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