Kameras und Sensoren im Körper
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Fitness-Tracker, Datenbrillen und Smart Watches haben einen Boom um Wearables ausgelöst. „Aber wir stehen erst am Anfang“, sagt AT&S-CEO Andreas Gerstenmayer im futurezone-Interview. „Der gegenwärtige Wearable-Boom, der nicht zuletzt durch die neue Apple Watch heiß diskutiert wird, ist ja nur die Vorstufe zum Internet der Dinge.“ Diese Dinge werden künftig auch in unseren Körpern arbeiten, wie zum Beispiel die Minikamera Pillcam, die in eine Tablette eingebaut und geschluckt wird und Untersuchungen wie eine Gastro- oder Koloskopie obsolet machen kann. Oder Sensoren, die ständig Körperdaten messen und an ein Gerät außerhalb oder direkt an den Arzt übermitteln.
Mehr als Lifestyle
AT&S ist – auch wenn das offiziell nicht bestätigt werden darf – bei den neuesten Apple-Geräten mit an Bord. „Wir haben uns den Wearable-Markt genau angesehen und wissen, worauf wir uns in der Zukunft konzentrieren müssen: Auf neue Verbindungstechnologien, und das muss nicht unbedingt die Leiterplatte sein. Vielleicht schaffen wir es, dass wir die Einzelmodule so miniaturisieren können, dass wir sie auf kleinstem Raum unterbringen“, sagt Gerstenmayer. Auch leitfähige Materialien, integriert in Textilien, könnten ein Ansatz sein. „Leitfähige Stoffe sind nichts anders als am Körper getragene Leiterplatten“, so Gerstenmayer.
Drei Märkte
Künftig will man nicht nur im Smartphone-Bereich mitmischen (nahezu alle Smartphone-Lieferanten beliefert AT&S mit Leiterplatten), sondern auch in der Internet-der-Dinge-Welt eine Rolle spielen. Auf drei Märkte will man sich dabei konzentrieren: Mobilität, Industrie und Healthcare. Den vierten, nämlich den militärischen Bereich, klammert AT&S aus ethischen Gründen aus. „Wearables im Healthcare-Bereich werden das Verhältnis zwischen Patient und Arzt total ändern, da der Doktor den Gesundheitszustand online überwachen wird“, so Gerstenmayer. Über konkrete Projekte darf Gerstenmayer wegen vertraglicher Verschwiegenheitspflichten nicht sprechen. Es gäbe zwar interessante Entwicklungen und Ideen, „aber zuerst müssen gesellschaftliche Hürden gemeistert werden. ELGA ist ein Beispiel dafür, dass die Gesellschaft für smarte Lösungen im Gesundheitsbereich noch nicht bereit ist“, so Gerstenmayer. „Wenn ein Arzt auf Daten zugreifen kann, was sinnvoll ist, muss zuerst nachgewiesen werden, dass diese Daten sicher sind.“
Datensicherheit als ungelöstes Problem
Die Polar- und Suunto-Sportuhren etwa, die Körperdaten erfassen und sie zum Teil in Echtzeit ins Internet übertragen, seien eine Vorstufe zu dem, was uns in Zukunft erwarten werde. „Für mich gibt es aber moralische Grenzen“, so Gerstenmayer. „Ich habe Bedenken, was Big Data anlangt und bei eigentlich allem, was mit Analyse zu tun hat. Solange das Datensicherheits-Thema nicht gelöst ist, sind vernetzte Wearables eine kritische Geschichte. Das ist auch der Grund, warum ich keine Cloud-Services nutze.“ Die Datensicherheit sei das größte Thema, das gelöst werden müsse. „Jeder sollte wissen, dass er Spuren hinterlässt, die systematisch ausgewertet werden können.“
Der Bedarf nach Echtzeit-Daten
Die Echtzeit-Datenverarbeitung und die Datenbereitstellung würden die Elektronikindustrie und die Forschung antreiben, so Gerstenmayer. „Daher müssen die Geräte leistungsfähiger werden.“
„Echtzeit“ sei das Schlagwort in der Forschung, denn auf Echtzeit-Daten würde das gesamte Internet der Dinge basieren, egal ob es um den Gesundheits-, Mobilitäts- oder den industrielle Bereich gehe.
Bei Fahrzeugen etwa sei die Datendetektion und die Echtzeit-Verarbeitung die größte Herausforderung. „Darauf sind die Architekturen derzeit nicht ausgerichtet, aber Funktionen wie Auffahrschutz oder Spurwechsel sind die ersten Vorboten dieser Echtzeit-Analysen, die man vor allem bei den selbst fahrenden Autos benötigen wird“, erklärt der AT&S-CEO.
Industrie 4.0
Echtzeit-Datenverarbeitung wird – Stichwort Industrie 4.0 – auch in der Produktion immer wichtiger: „In der Industrie werden Datenbrillen eine wesentliche Rolle spielen“, so Gerstenmayer. Bei komplizierten Reparaturen oder Anwendungen in der Produktion könnten Anweisungen im Display eingeblendet werden. Auch Ärzte könnten über eine OP-Brille Zusatzinfos erhalten. „In diesen Bereichen machen Datenbrillen Sinn, für den Konsumenten hingegen habe ich ihn noch nicht wirklich entdeckt“, so Gerstenmayer.
In „Die Reise ins Ich“, einem Science-Fiction-Film aus dem Jahr 1987, wird ein U-Boot samt Besatzung so weit geschrumpft, dass es sich im Körper eines Menschen fortbewegen kann. Ganz so weit ist die Medizin heute zwar noch nicht, aber bei der sogenannten Kapselendoskopie wird Patienten tatsächlich eine Art Mini-U-Boot mit Kamera an Bord als Tablette verabreicht. Diese rund zwei mal einen Zentimeter messende Pillenkamera liefert per Funksignal Aufnahmen aus dem Verdauungstrakt und erlaubt Einblicke in die Teile des Gastrointestinalbereichs, die mit klassischen endoskopischen Untersuchungen nicht erreichbar sind.
Bis zu 35 Bilder pro Sekunde
Die Bilder werden auf einem tragbaren Rekorder aufgezeichnet und können nach Abschluss der Untersuchung vom Arzt analysiert werden. Bei einer durchschnittlichen Reise nimmt die Kamera 50.000 bis 60.000 Bilder auf, die im Anschluss von Software zu einem Video zusammengefügt werden. Neue Geräte können Videos mit bis zu 35 Bilder pro Sekunde aufnehmen. Die Hightech-Tablette wird von einer Batterie mit Strom versorgt und kann durch die Signale, die sie aussendet, in Echtzeit verfolgt werden.
So weiß der behandelnde Arzt zu jeder Zeit, wo sich die Kapsel gerade befindet. Normalerweise passiert die Kamera den Verdauungstrakt innerhalb von sechs bis 48 Stunden, obwohl schon Einzelfälle bekannt wurden, in denen die Pille fünf Jahre lang verschollen blieb, bevor sie wieder ans Tageslicht kam. Nebenwirkungen sind aber auch in solchen Fällen nicht zu befürchten, da die Kapsel nicht mit dem Körper interagiert. Die Technik wird seit dem Jahr 2001 routinemäßig bei verschiedenen Darmleiden eingesetzt.
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