Kinder im Internet: Vor allem Kompetenz der Eltern gefragt
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Viele Eltern werden sich bestimmt schon die Frage gestellt haben: „Soll ich meinem Kleinkind das Smartphone zum Spielen überlassen oder soll ich es vor dem technischen Fortschritt beschützen?“ Um der Beantwortung dieser Fragen näherzukommen, hat die futurezone mit zwei renommierten Experten gesprochen.
Eines steht fest: Mit den Umbrüchen des Informationszeitalters haben sich auch Werte und Normen der Gesellschaft deutlich verändert, sodass es in Folge auch zu wesentlichen Verhaltensänderungen gekommen ist. In erster Linie sind nicht die Jungen mit der Aufgabe konfrontiert, sich mit den neuen technischen Gegebenheiten zu arrangieren, sondern die Älteren. Denn während heutzutage Smartphones, Tablets und Internet für Kinder einen Alltag darstellen, den sie nie anders kennengelernt haben, sind diese Entwicklungen für Eltern vielleicht immer noch etwas Neues.
Eltern fehlen die Kompetenzen
„Die größte Herausforderung vor der unsere Gesellschaft steht, ist der außerordentlich hohe Nachlernbedarf im Umgang mit Neuen Medien und Computertechnologie“, erklärt Brigitte Rollett, deren Arbeitsbereich Entwicklungspsychologie an der Universität Wien ist und unter anderem auf den Feldern Erziehungsberatung und Familienentwicklung forscht. Kindern und Jugendlichen einen sinnvollen Umgang mit digitalen Medien beizubringen, setzt laut Rollett voraus, dass sich die Eltern selbst in der Welt des Internets zurechtfinden.
Die Initiative saferinternet.at hat sich daher unter anderem zum Ziel gesetzt, Eltern für die Erziehungsaufgaben im Umgang mit digitalen Medien fit zu machen, wie der Leiter des Projekts Bernhard Jungwirth erklärt: „Wir vertreten nicht den Standpunkt, Kinder so lange wie möglich von Smartphones und Internet fernzuhalten. Viel wichtiger ist, die dafür nötigen Kompetenzen zu vermitteln.“
Ähnlich sieht dies Rollett: „Es geht nicht darum, den Kindern das Smartphone zu verbieten oder es ihnen ganz zu überlassen. Es geht vielmehr darum, sich gemeinsam mit den Kindern über diese Dinge auseinanderzusetzen. Denn ein Computer- oder Smartphone-Verbot heißt, dass die Kinder ausgeschlossen werden und aus der Kinder- und Jugendkultur herausfallen.“
Was den häufig diskutierten Umgang mit so genannten Killerspielen angeht, gibt Rollett vorsichtig Entwarnung: "Es ist so ähnlich wie bei einer gefährliche Grippeepidemie: Von allen Seiten wird gewarnt und Angst verbreitet. Dennoch sterben nicht alle. Es werden nicht mal alle krank. Genau so verhält es sich mit brutalen Kampfspielen: Es sind bei weitem nicht alle Spieler gefährdet. Den allermeisten macht das nichts aus." Dennoch gesteht Rollett unkontrollierten Vielnutzern von besonders grausamen Kampfspielen ein gewisses Gefährdungspotential zu. Ihr Rat an die Eltern: Gemeinsam mit den Kindern die Art der Spiele kritisch reflektieren.
Bei bestimmten Computerspielen verhält es sich umgekehrt. Einige Spiele können sogar positive Auswirkungen auf die Entwicklungen der Kinder haben. Ein Beispiel: Tetris, der Klassiker unter den Computerspielen wurde wissenschaftlich auf die Folgen für Kinder untersucht. Dabei ist festgestellt worden, dass sich Tetris hervorragend dazu eignet, die visuelle Wahrnehmung und Vorstellungsvermögen von Kindern zu verbessern und derartige Defizite auszubessern.
Wie Michael Lankes, Professor im Studiengang Digitale Medien an der FH Hagenberg in Oberösterreich gegenüber der futurezone erklärt, wurde im Jahr 2008 von Wissenschafter festgestellt, dass Serious Games, einen positiven Beitrag zur Behandlung von hyperaktiven Kindern ( ADHS) leisten können. Die Studienautoren gestehen Serious Games eine wichtige Rolle im Therapieprozess zu, indem sie bemerken, dass spielbezogenen Ansätze erheblich zur Verminderung der Symptome von ADHS beitragen können.
Im Schulalltag ist es mit technischen Geräten nicht anders als mit Markenkleidung: Die sozialen Beziehungen der Schüler untereinander sind von der Divergenz zwischen denen, die die angesagtesten, teuersten Smartphones besitzen und denen, die sich so etwas nicht leisten können, geprägt. An dieser Stelle sieht Rollett die pädagogische Verantwortung aller Beteiligten gefordert: „Wünschenswert wäre, wenn sich bei einem Elternabend alle gemeinsam darauf verständigen könnten, wie damit umgegangen wird.“
Eine recht engstirnige Lösung wäre, Smartphones und Tablets zu verbieten und somit aus dem Schulalltag auszuklammern. Auf diese Weise wird das produktive Potenzial dieser Geräte ignoriert und im Keim erstickt. Im Gegensatz dazu könnten die Schüler durch einen sinnvollen Einsatz im Unterricht für die ohnehin bereits digitalisierte Arbeits- und Umwelt fit gemacht werden.
Mobbing ist auch ohne Cyber ein Problem
Mobbing ist nicht erst durch das Vorwort Cyber zu einem Problem geworden. Zwar wurde Mobbing durch Soziale Medien facettenreicher, findet aber auch gänzlich ohne Internet statt. "Früher konnten die Schüler nach dem Schulunterricht, also durch einen Ortswechsel dem Mobbing ein Stück weit entgehen. Wenn aber der Psychoterror in Sozialen Netzwerken stattfindet, ist es deutlich schwieriger dem zu entkommen, da es quasi rund um die Uhr und ortsunabhängig stattfindet", weiß Bernhard Jungwirth.
Medienkompetenz vermitteln
Mit Workshops, hilfreichen Broschüren und Tipps auf ihrer umfangreichen Website will saferinternet.at das Thema „kompetenter und verantwortungsvoller Umgang mit digitalen Medien“ als Querschnittsmaterie in der Schule und im Unterricht implementieren. „Diese Angelegenheiten sind für Kinder und Jugendliche allgegenwertig. Daher versuchen wir Eltern, Lehrer und Schüler für diese Themen zu sensibilisieren und vor allem beim Lehrpersonal ein Verständnis dafür zu entwickeln, dass digitale Medien nicht mehr aus dem Alltag der Jungen wegzudenken sind“, erklärt Jungwirth.
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