Medien-Start-up: "Ein iPad-Magazin ist keine Website"
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Buchstaben schwirren herum, blinken, werden von Linien umrahmt und kommen schließlich als Text zur Ruhe, Animationen formieren sich zum Anreisser für einen Artikel und Stop-Motion-Videos werden zu einem Titelbild festgezurrt. Das Magazin "All Things Austrian", dass seit kostenlos im iTunes-Store zum Download bereitsteht, experimentiert mit multimedialen Darstellungsformen am iPad. Geschichten werden mit Animationen, Videos, Sound und Schrift erzählt, die unterschiedlichen Elemente gehen nahtlos ineinander über. "Ein Dummy, das unsere Lesezkunft definert", hat "Presse"-Kolumnist Walter Gröbchen das Multimedia-Magazin am Tablet genannt.
Gemacht wird das digitale Magazin vom Journalisten Richard Brem und dem Software-Architekten Gerhard Zeissl. Für das grafische Design zeichnet die Agentur Typejockeys verantwortlich. Mit "All Things Austrian" wolle man eine Art Katalog bieten, "der aufzeigt, welche Möglichkeiten für Magazine und Zeitschriften am iPad bestehen", sagt Brem. "Ein iPad-Magazin ist keine Webseite, es soll die Vorteile eines Tablets ausreizen und damit arbeiten", meint Zeissl. Das von ihm entwickelte Publishing-Verfahren Motion Pages liefert die technische Grundlage für das multimediale Magazin, das künftig zwei Mal pro Jahr erscheinen soll und auf den internationalen Markt abzielt. An einer englischsprachigen Ausgabe wird derzeit gearbeitet. Auch Inserenten werden dafür noch gesucht.
Von Schumpeter bis zum Snowboarding
Vielfältig sind nicht nur die formalen Elemente. Auch inhaltlich geht die digitale Publikation in die Breite. Eine Hommage an den vor mehr als 60 Jahren gestorbenen österreichischen Ökonomen Joseph Schumpeter ist ebenso zu sehen wie ein multimedial umrahmter Text der Künstlerin Eva Schlegel über den Nouvel-Tower am Donaukanal, ein Portät der Musiker Kruder & Dorfmeister, ein Artikel über die extravaganten Torten-Kreationen der Wiener Designerin Petra Bacher, ein Besuch bei der Snowboarder-Crew Die Ästhetiker und eine Würdigung des von Ferdinand Porsche bereits 1900 entwickelten Hybrid-Autos Semper Vivus.
Man wolle aus Österreich kommende aber auch international relevante Menschen, Ideen und Produkte vorstellen und zeitgemäß präsentieren. "Information inszenieren", nennt das der Journalist Brem, der unter anderem für den ORF und die BBC tätig war, und der in den Jahren 2005 und 2006 auch das Resfest, ein mittlerweile eingestelltes internationales Festival für digital produzierte Kurzfilme, nach Österreich gebracht hat und auch das digitale Filmfestival frameout mitgegründet hat.
“Coding und Kreativität”
Auch Zeissl, der seit 2003 mobile Anwendungen entwickelt und unter anderem für die US-Firma Verisign tätig war, hat ein Faible für das digitale Bewegtbild. Erstmals zusammengearbeitet haben Brem und Zeisl beim Festival "realtime generation", dass sich 2008 im Wiener MuseumsQuartier der Demoszene widmete und die Möglichkeiten von Echtzeitgrafiken in Kombination mit Musik als digitale Kunstform erkundete. Auch dabei sei es um das Zusammenführen von "Coding und Kreativität" gegangen, sagt Zeissl. Danach wollte man weitere gemeinsame Projekte machen und habe vor zwei Jahren begonnen ein Magazin für das iPad zu konzipieren. "Es sollte einen internationalen Anspruch haben und technisch abrocken", sagen die Gründer.
Ein multimediales Magazin wie "All Things Austrian" zu erarbeiten, sei eine andere Art der journalistischen Produktion", sagt Brem: "Man muss sich schon bei der Redaktionssitzung mit den Grafikern und Videoleuten überlegen, wie das aussehen könnte und welche Möglichkeiten der visuellen Umsetzung sich anbieten." Die vor kurzem veröffentlichte Nullnummer des Magazins haben Brem und Zeissl mit einem schmalen Redaktionsteam umgesetzt. Das Interessante ist, zu finden, wo noch Raum für Kreation ist und welches Feature noch Sinn macht", sagt Zeissl.
Native Applikationen vs. HTML 5
Dass speziell für Tablets produzierte Magazine nur ein Hype waren, der bereits wieder abklingt, und Multiplattform-Lösungen auf HTML 5-Basis Platz macht, glauben Brem und Zeissl nicht. "Es gibt nur wenige Anbieter, die damit experimentieren, was man mit Tablets tatsächlich machen kann", sagt Brem. Das iPad sei derzeit die avancierteste Plattform, die ästhetisch die meisten Möglichkeiten biete. "Wir wollen Pionierarbeit leisten. Es ist noch ein junges Medium."
Dem Trend zu HTML 5 kann Zeissl wenig abgewinnen. Native Applikationen oder Multiplattform-Lösungen mit HTML 5 sei ein emotionales Thema, sagt der Software-Architekt, der auch an einer Android-Version des digitalen Magazins arbeitet. HTML 5 sei noch nicht wirklich ausgereift. Native Lösungen seien schnell, stabil und würden die meisten Features bieten. "Wenn man wirklich gute Applikationen machen möchte, muss man sie nativ entwickeln."
Showcase für Publishing-Verfahren
Das iPad-Magazin dient auch als Showcase für die von Zeissl entwickelte Publishing-Verfahren Motion Pages, das die Magazin-Gründer auch Medienhäusern, Verlagen und Unternehmen schmackhaft machen wollen. Auch E-Books oder Produktpräsentationen ließen sich mit dem Verfahren ohne großen Aufwand umsetzen, so Zeissl. "Alles was als gedruckte Seite existiert kann in bewegter Form neu erfunden werden."
Magazine würden heute noch vorwiegend für eine traditionelle Lesekultur produziert, sagt Zeissl. Das werde sich jedoch bald ändern. "Multimediale Angebote am Tablet bieten einen beträchtlichen Mehrwert." Ihre Technologie wollen Brem und Zeissl laufend weiterentwickeln. "Wir haben damit begonnen an einem Magazin zu arbeiten und haben jetzt auch ein Publsihing-Verfahren", sagt Brem. Derzeit sucht man Partner für den weiteren Ausbau des Magazins. "Wir wollen zeigen, dass coole Sachen auch aus Österreich kommen können."
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