© Franz Gruber, Kurier

Audio

"Musik-Streaming ist eine Herausforderung"

futurezone: Welche Innovationen im Audiosektor haben Sie zuletzt begeistert?
Georg Spatt: Es ist vielleicht zwiespältig, wenn ich das als Radiomann sag, aber in Sachen Innovation sind die diversen Musik-Streaming-Angebote sicherlich prägend. Es ist sehr spannend, seinen Musikgeschmack durchleuchten zu lassen und daraufhin Musikvorschläge zu bekommen. Diese Dienste haben auch ein fast unendliches Reportoire an Musik zur Verfügung. Für uns Radiomacher ist das eine tolle Herausforderung.

Spüren Sie die Konkurrenz schon?
Vom Umsatz her ist Streaming in Österreich derzeit genauso stark wie Vinyl. Die Steigerungsraten auf dem Markt sind aber sehr stark. Streaming-Angebote sind neue Player, die uns sowohl inspirieren, als auch fordern.

Inwiefern werden Sie durch Streaming-Dienste inspiriert?
Musik ist traditionell das Fundament unseres Senders, aber Ö3 ist mehr als nur Musik. Es kommt auf die Zusammensetzung an, es geht aber auch darum, Musik mit anderen Inhalten zu ergänzen. Wir haben einen großen Informations- und Servicebereich, in den vergangenen Jahren ist auch sehr stark der Entertainment-Faktor dazugekommen, etwa mit dem Comedy-Bereich. Das Präsentieren von Musik via Streaming hat große Vorteile. Wenn man sich von einem Radiosender durch sein Gesamtangebot überraschen lässt, dann ist das aber noch einmal etwas anderes.

Wie programmieren Sie eigentlich Musik?
Es stecken sehr viel Handarbeit dahinter. Wir haben eine Musikredaktion, die sich mit Musik, die wir über Bemusterung, auf Zuruf von Hörern oder durch eigene Entdeckung beschäftigt. Auch automatische Werkzeuge kommen zum Einsatz. In die Karten schauen wollen sich die Radiomacher aber nicht lassen. Das ist so ähnlich wie bei Köchen. Es hat jeder die selben Ingredienzien. Aber wie ich sie zusammenstelle, wie ich Musik zu einem Menü kombiniere, das ist das Kunstwerk des Kochs, der Küchenbrigade, der Kellner und des Ambientes im Lokal.

Nach welchen Kriterien wählen Sie neue Songs aus?
Jeder von uns will natürlich möglichst früh, möglichst leiwande, neue Titel spielen. Unser Publikum ist diesbezüglich aber vorsichtig. Es ist eine schwierige Gradwanderung. Jeder neue Titel bringt ein bisschen die Gefahr, dass er für die Hörer ungewohnt klingt und sie auf einen Sender umschalten, wo vielleicht gerade ihre Lieblingsnummer läuft. Es geht darum, die Balance aus neuen Titeln und bekannten Songs zu finden. Wir versuchen als Radiomacher dafür unsere eigene Rezeptur zu finden.

Das Radio hatte früher einmal die Funktion des Türstehers für den Musikgeschmack. Kann das Radio noch Hits machen?
Wenn wir bei den Vergleich mit dem Türsteher bleiben. Früher war das Radio der einzige Club am Platz, in den man gegangen ist, um sich musikalisch sozialisieren zu lassen. Mittlerweile gibt es ein paar andere Clubs. Für jene, die sich wirklich für Musik interessieren und sich intensiv damit auseinandersetzen, gibt es ein großes Angebot. Das ist nicht mehr so sehr vom Radio abhängig.

Wann ist ein Lied tot gespielt?
Für uns schneller als wir es tun. Bei Hörern ist das aber oft anders. Sie wollen gewisse Nummern wesentlich länger hören. Es gibt aber auch Lieder, die werden Hits, gehen dann in die zweite Reihe und bleiben dort ewig lang stehen, sie entwickeln sich zu Evergreens.

Ö3 mischt auch am Smartphone und auf Tablets mit. Wie wichtig ist es für Sie auf solchen Kanälen vertreten zu sein?
Das ist sehr wichtig. Immer mehr Leute hören Radio auf Geräten, die nicht mehr das klassische Radio sind. Der Empfangsweg ist nicht mehr UKW, sondern Stream. Wenn Ö3 auf diesen Geräten nicht vertreten ist, wird es auch nicht gehört.

Das verlangt auch neue Präsentationsformen. Wie sehen Ihre Pläne in dieser Hinsicht aus?
Wir wollen unsere Marke natürlich möglichst vielfältig darstellen und es auf diesen Plattformen auch so tun, wie es diese Medien verlangen. Auf einer Homepage will ich mich anders darstellen als auf einem kleinen Screen. Ich hätte gerne viel Interaktion und möchte den Bildschirm nutzen. Wir haben dazu auch viele Ideen, der ORF hat allerdings diesbezüglich sehr strikte Auflagen. Zur Zeit heisst es, macht das was ihr im Radio macht, aber nicht mehr.

Wann kommt die Digitalisierung des Radios?
Die Digitalisierung des Radios wird schon seit 20 Jahren diskutiert. Sie steht wohl in den nächsten Jahren an. Dafür spricht, dass so gut wie alles bereits digitalisiert wurde. Wir haben aber mit der Zufriedenheit und der Verbreitung keine Probleme und hätten eine sehr lange Simulcast-Phase, in der wir simultan UKW und Digitalradio vertreiben müssen. Das müssen wir uns zumindest überlegen, wie wir das finanzieren sollen, bzw. ob wir die Menschen dazu zwingen wollen, ihre Radiogeräte, mit denen sie extrem zufrieden sind auszutauschen. Ich schließe aber nicht aus, dass über Gerätehersteller diesbezüglich Bewegung in den Markt kommt. Ich bin aber zurückhaltend, ob es ein großes Thema wird.

Wie wird das Radio der Zukunft aussehen?
Das Schöne am Radio ist, dass es etwa im Gegensatz zum Fernsehen, in der Produktion sehr einfach und billig ist und wir daher relativ wenig Zukunftsplanung machen müssen. Wir müssen keine großen existenziellen Weichenstellungen treffen. Eine Frage ist die Visualisierung, allein auch deshalb weil jedes Gerät einen Bildschirm hat. Das wird in der Branche heftig diskutiert. Wie kann man ein Radioprogramm so bebildern, dass es kein Fernsehprogramm wird und trotzdem am Bildschirm interessante, relevante und sinnvolle Sachen zu sehen sind. Ich finde aber gleichzeitig, dass Hören in einer extrem visualisierten Welt der wirkliche Megatrend der nächsten Jahre ist.

Die Musik wird bleiben?
Die Musik wird bleiben, sie tritt aber in einen Konkurrenzkampf mit neuen Anbietern. Das Wort wird deshalb an Bedeutung gewinnen. Reine Musikanbieter im Radio haben in Zukunft sicherlich ein Problem.

Wie hören Sie eigentlich Musik - vom Radio abgesehen?
Ich hab einen iPod, auch auf meinem iPhone sind tausende Titel drauf, wenn ich aber Musik auflege, dann sind das vor allem CDs. Ich lese mir auch die Booklets durch. Ich finde auch Vinyl nach wie vor irrsinnig schön, allein wegen des Artworks auf dem Cover. Ich bin früher auch im Studio gestanden. Platten wurden mit viel mehr Ehrfurcht aufgelegt und präsentiert. Heute wird ein File am Computer abgedrückt. Wir spielen deshalb zu jeder Nummer, die wir spielen, das Musikvideo für die Moderatoren ein. Damit sie sich mehr mit der Musik auseinandersetzen.

Welche Gadgets spielen in Ihrem Leben eine Rolle?
Ich gehöre nicht in die Kategorie Snob. Mir gefallen aber Tivoli-Radios sehr gut. Ich habe zwei davon zu Hause. Ich habe auch eine Bose-Anlage, die auch über WLAN und Bluetooth verbunden ist. Mein Lieblingsradio ist aber eine mittlerweile fast 20 Jahre alte Sony Cube-Anlage. Ein kleiner Würfel, der aber was die Oberflächengestaltung betrifft, unerreicht schön ist.

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Patrick Dax

pdax

Kommt aus dem Team der “alten” ORF-Futurezone. Beschäftigt sich schwerpunktmäßig mit Innovationen, Start-ups, Urheberrecht, Netzpolitik und Medien. Kinder und Tiere behandelt er gut.

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