ÖBB: „Wir sind ein Innovationsmotor“
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„Wir können viel von der Luftfahrt lernen“, sagt ÖBB-Holding-Vorstand Franz Seiser, „denn in der Luftfahrt sind viele technologische Aspekte standardisiert.“ Bei einem Flugzeug ist es ein Leichtes, dass es von A nach B fliegt, die Bahn ist weniger internationalisiert. „Auch wenn man in einem Land innovativ ist, ist man von anderen Staaten abhängig“, so Seiser im futurezone-Interview. Bestes Beispiel sei das internationale Eisenbahnsicherungssystem ETCS – jede Lok und jeder Triebwagen muss mit den Sicherungssystemen jedes Landes, in welchem er unterwegs ist, ausgerüstet sein. Die Schweiz und Österreich haben ETCS auf den großen Zugstrecken umgesetzt, in Deutschland und anderen Ländern geht die ETCS-Umrüstung langsamer voran als versprochen. Die Privatbahnen scheuen die Investitionen und laufen Sturm gegen diese europäische Idee. 200 Millionen Euro haben die ÖBB bereits in die Infrastruktur und 120 Millionen in die Fahrzeuge investiert.
System gegen "Heißläufer"
Sicherheit ist eines der Top-Themen des Konzerns, deshalb testen die Bundesbahnen auch das Infrastruktur-Messsystem Argos. Derzeit gibt es fünf Versuchsstationen, die mit Sensoren bestückt sind – bei vorbeifahrenden Zügen werden die technischen Daten ausgelesen, zum Beispiel Tempo, Lärmpegel, eventuelle Schieflast oder Überladung. Auch „Heißläufer“ (so werden Züge genannt, deren Radlager heiß gelaufen sind) werden vom System detektiert. In den kommenden Jahren sollen österreichweit 40 dieser Argos-Stationen ausgerollt werden.
„Mit dieser Innovation nützen wir das Potenzial der Technik. Wir erhalten mehr Daten über unsere rollenden Züge und sind daher noch sicherer unterwegs als bisher“, erklärte Seiser im Rahmen des ÖBB Rail Innovation Forum, das vergangene Woche in Wien stattgefunden hat und bei dem 200 Experten über die Zukunft der Bahn und des Verkehrs im Allgemeinen diskutiert haben. „Wir sehen uns durch unser sehr großes Einkaufsvolumen als qualifizierter Besteller, der Impulse an die Industrie gibt. Wir sind ein Innovationsmotor und können gemeinsam mit Partnern Technologien und Lösungen entwickeln.“ Argos beispielsweise wurde von Argos Systems und den ÖBB entwickelt.
60 ÖBB-Forschungsprojekte
Die Eigenentwicklungen werden nun neu aufgegleist: „In den vergangenen Jahren waren wir ein wenig ungeordnet unterwegs“, sagt Seiser, der die Koordinationsstelle Innovation & Technik leitet. „Es hat der strategische Überbau gefehlt, aber jetzt werden die kreativen Geister im Haus fokussiert.“ Derzeit gibt es bei den ÖBB insgesamt 60 Forschungsprojekte. Wir setzen Schwerpunkte nicht mehr alleine dort, wo es Förderungen gibt, sondern dort, wo es in unsere Gesamtstrategie passt und auch wo die Industrie an uns herantritt . "Wir wollen der europäische Innovations-Vorreiter sein."
Vorzeige-Projekt eMORAIL
Bei einigen Projekten sind die ÖBB tatsächlich ein Trendsetter, wie etwa beim Projekt eMORAIL – dabei handelt es sich um einen Testlauf, wie der Pendlerverkehr der Zukunft aussehen könnte. eMORAIL ist eine Mischung aus Straße, Schiene und E-Mobility. Das Prinzip ist einfach erklärt: Pendler fahren mit dem Elektroauto zum nächsten Bahnhof, wo es einen eigens reservierten Parkplatz gibt. Sowohl dort als auch beim Pendler daheim befindet sich eine Ladestation. Der Pendler steigt nun in den Zug um, der ihn in die Stadt bringt, wo er das gut ausgebaute öffentliche Verkehrsnetz oder eBikes benützt. Während der Arbeitszeit wird das Auto von einem anderen Unternehmen oder einer Organisation – wie etwa dem Briefträger - genutzt. Kommt der Pendler nach seinem Arbeitstag am Heimatbahnhof an, steht ihm das Auto wieder zur Verfügung. Bis Ende des Jahres läuft das Pilotprojekt, dann wird versucht, mit den Erfahrungen ein Business-Modell für eMORAIL zu entwickeln.
Herausforderung Ticketing
Eine der großen Herausforderungen ist auch das Ticketing. Seiser gibt zu, dass der Ticketshop derzeit noch nicht optimal sei: „Da besteht Verbesserungspotenzial, aber wir arbeiten an einer guten Lösung“. Problem sei die Vielzahl an Tarifen, die die ÖBB ihren Kunden anbiete. Dazu kommen noch die Tarife der Verkehrsverbünde. Entsprechend dem Transportauftrag müssen alle Zielgruppen ein Ticket kaufen können. „Für Programmierer sind unsere Tarife ein Super-GAU - es wird Vereinfachungen geben, und die anderen Vertriebskanäle werden in den nächsten Jahren in den Ticketshop integriert“, sagt Seiser.
Auch in Hinblick auf so ehrgeizige Projekte wie Smile – bei diesem Projekt geht es um ein einziges Smartphone-Ticket, mit dem künftig verschiedene Verkehrsmittel und Fahrzeuge genutzt werden. „Rein technisch wäre eine solche Plattform gar kein Problem“, erklärt Seiser, „aber in der realen Welt schaut das ein wenig anders aus, weil es viele Einzelinteressen gibt. Die unter einen Hut zu bringen, ist schwierig.“
Bei den Bundesbahnen wird ein interessantes internes Produkt eingesetzt, mit dem die Transparenz im Unternehmen erhöht wird. Beim e-Procurement läuft von der Bestellung über den Einkauf und das Ausschreibungsverfahren bis zum internen Workflow alles papierlos ab und ist jederzeit einsehbar. Die Software, die auf SAP basiert, wird bereits intern getestet und soll bis Ende 2014 voll implementiert sein. Auch über mobile Geräte, von Smartphones bis Tablets, sind die Dokumente einsehbar. „Damit dokumentieren wir alle Abläufe innerhalb des Unternehmens, können Durchgangszeiten überwachen und die Dokumentation ist revisionssicher“, so Seiser. e-Procurement sei ein wichtiges Produkt in einer Zeit, in der das Thema „Compliance“ diskutiert wird. Auch die Asfinag will das System künftig einsetzen.
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