Street View: Die unendliche Geschichte
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„Street View: Keine Fotos mehr in Deutschland“, „Google stoppt Street-View-Kamerafahrten in Deutschland“, „Google legt Street View auf Eis“ - Diese Schlagzeilen durchziehen heute, ausgehend von einem Bericht der Branchenseite Search Engine Land, die deutschsprachigen Medien. Die Nachricht klingt etwas überraschend: Kaum wurde Googles Straßenkarten-Dienst in Deutschland gerichtlich als legal abgesegnet, wolle sich der Internetkonzern den ständigen Protesten gegen und der Kritik an Street View offenbar geschlagen geben. Es sollen in Zukunft keine neuen Fotos mehr in Deutschlands Street-View-Angebot hinzu kommen und bei den bisherigen 20 fotografierten Städten bleiben.
Google: "Keine Pläne"
„Es stimmt, wir haben derzeit keine Pläne, weitere Bilder online zu stellen“, sagt Google-Sprecher Kay Oberbeck auf Nachfrage der futurezone. Doch Kamerafahrten werde es weiterhin geben und die bestehenden Ansichten wie gehabt auch in Zukunft verfügbar sein. „Von einem Aus für Street View in Deutschland ist keine Rede. Die Aufnahmen werden in Zukunft zur Verbesserung bestehender Straßenkarten herangezogen“, so Oberbeck, der sich verwundert zeigt, dass die Nachricht erneut durch die Medien geistert.
„Das ist keine Neuigkeit. Wir haben schon vor drei Monaten darüber informiert, wie es mit Street View künftig weitergeht“, sagt der Google-Sprecher mit dem Verweis auf einen entsprechenden Blogeintrag. Prinzipiell schließt Oberbeck nicht aus, dass in Deutschland irgendwann auch wieder neue Straßenansichten online gestellt werden. Aktuell werde darüber jedoch nicht nachgedacht. Die Kamerafahrten, die seit März in Deutschland wieder aufgenommen wurden, sollen zum Sammeln von Daten wie Straßenschildern und Straßennamen dienen, um das Angebot von Maps und anderen Navigationsdiensten zu erweitern.
Im Kreuzfeuer der Kritik
Warum man sich dazu entschlossen hat, keine neuen Fotos ins Netz zu stellen, dazu macht Google keine Angaben. Ein naheliegender Grund wäre jedoch der massive Widerstand, mit dem der Internetdienst laufend zu kämpfen hat. Street View zählt – zumindest im deutschsprachigen Raum – zu einem der umstrittensten Angebote im Netz überhaupt. Die Aufregung vor dem Start in Deutschland war so groß, dass das Thema wochenlang Nachrichten, öffentliche sowie politische Diskussion dominierte. Google räumte den betroffenen Bürgern schließlich ein Widerspruchsrecht ein. Wird davon Gebrauch gemacht, muss Google das jeweilige Haus unkenntlich machen. Etwa 250.000 deutsche Haushalte haben diese Regelung in Anspruch genommen.
"Ich glaube, dass sich viele Menschen einfach fragen, warum da jemand von einem drei Meter hohen Kameraturm in ihren Vorgarten knippst", erklärt sich Joerg-Olaf Schaefers von Netzpolitik.org die Vorbehalte gegen Street View. Google habe es nicht geschafft, Bedenken im Vorfeld auszuräumen, so sei es zu einer Art Abwehrhaltung gekommen. "Problematisch wird Street View immer dort, wo tatsächlich private Interessen berührt werden. Zum Beispiel, wenn die Kamera-Perspektive dazu führt, dass der höchstpersönliche Lebensbereich tangiert wird oder anderweitige Persönlichkeitsrechte tangiert werden", so Schaefers. "Ich kann mir vorstellen, dass Google derzeit die Veröffentlichung in anderen Ländern priorisiert und wartet, bis sich die Wogen in Deutschland glätten", vermutet Schaefers, einen Beleg dafür gebe es allerdings nicht.
In der allgemeinen Diskussion um Privatsphäre und Datenschutz ist Street View zu einer Art Aushängeschild, für viele auch zum Feindbild geworden. Das ist angesichts der Datenschutzpolitik großer Internetkonzerne nachvollziehbar. Gleichzeitig scheint es jedoch verwunderlich, dass ausgerechnet Street View derartige Aufregung verursacht: Der Dienst liefert weit weniger tiefe Einblicke in Hinterhöfe oder Gärten, wie das beispielsweise Kartendienste wie Maps oder Google Earth tun, die auf Satellitenaufnahmen basieren. „Geodatensysteme sind prinzipiell problematisch, das betrifft nicht nur Street View“, sagt Datenschützer Hans Zeger von der Arge Daten im Gespräch mit der futurezone. „Es geht darum, dass persönliche Daten und Informationen von Leuten nicht ohne Einwilligung einfach so auf Dauer im Netz veröffentlicht werden.“
"Nicht nur Google problematisch"
Dasselbe Problem bestehe auch mit anderen vergleichbaren Angeboten wie zum Beispiel dem Straßenkartendienst norc.at, der in Österreich seit Jahren weitgehend ohne großes Aufsehen operiert. Dass Google mit Street View derart heftiger Kritik ausgesetzt ist, liegt nach Einschätzung von Zeger schlicht daran, dass der Konzern weitaus bekannter und laufend in den Medien präsent ist. „Das macht norc.at aber nicht weniger problematisch.“
In Österreich liegt Street View nun schon gut ein Jahr lang auf Eis. Nachdem in Frühjahr 2010 bekannt geworden war, dass Google bei seinen Kamerafahrten auch WLAN-Daten mitgesammelt hatte, wurde die zuvor bereits erteilte Genehmigung für den Dienst in Österreich wieder aufgehoben. Seither durchläuft Street View ein Registrierungsverfahren vor der Datenschutzkommission. „Es wird noch immer geprüft“, sagt Zeger. Wie lange das Verfahren noch andauern wird, ist derzeit nicht abzusehen.
Rahmenbedingungen
Ein grundsätzliches Verbot von Street View fordern die Datenschützer zwar nicht, doch müssten eine ganze Reihe von Rahmenbedingungen erfüllt werden, damit der Dienst in Österreich zugelassen wird. So dürfte es beispielsweise keine Aufnahmen ohne Vorankündigung geben, ebenso wie in Deutschland wird auch hierzulande ein Widerspruchsrecht gefordert. Weiters müssten personenbezogene Angaben unmittelbar nach der Aufnahme unkenntlich gemacht werden und es dürfe keine Aufnahmen oberhalb der Augenhöhe geben. „Es macht schon einen Unterschied, was ein Passant auf der Straße sehen kann und welche Einblicke, die sehr viel höher angebrachten Kameras, erlangen“, sagt Zeger.
In der Schweiz musste sich Google erst kürzlich einem Gerichtsurteil beugen, wonach keine Bilder von Privatbereichen, wie umzäunte Gärten oder Höfe, die „dem Anblick eines gewöhnlichen Passanten verschlossen bleiben“, gemacht werden dürfen. Auch das Aufnehmen von Bildmaterial auf Privatstraßen wurde eingeschränkt. Darüber hinaus muss Google in der Schweiz künftig in der Lokalpresse über geplante Kamerafahrten und das Freischalten des Bildmaterials im Internet informieren.
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