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Lernen

Unterricht der Zukunft: Videos und Online-Kurse

„Gute Lehrer sehen Technologie nicht als Feind, denn sie ermöglicht, dass sich jeder Wissen aneignen kann", sagt Bildungsexperte Andreas Salcher. Technologie habe ein Riesenpotenzial, aber es komme auf die Mischung an. In der frühen Kindheit (bis drei Jahre) sei der emotionale Kontakt entscheidend. „Kinder vor Technik zu bewahren, ist  nicht nur unmöglich, sondern auch nicht sinnvoll", ergänzt Cisco-Österreich-Chef Achim Kaspar: „Die Kinder leben heute ja nicht am Mond, sie wachsen mit den digitalen Geräten auf."

Salcher sieht in der Bildungspolitik derzeit drei Revolutionen. Die erste: Der Investment-Banker und MIT-Professor Salman Khan hat 2006 die „Khan-Academy" gegründet. Kernpunkt ist eine Webseite mit eigenem YouTube-Channel, auf dem 4000 pädagogische Videos – jedes im Schnitt etwa zehn Minuten lang – abrufbar sind. In diesen Videos erklärt er, wie Mathematik, Geschichte, Wirtschaft oder Chemie funktioniert.  Salcher: „Khans große Vision ist das virtuelle Klassenzimmer. Der Lehrer beobachtet seine Schüler und kann jedem einzelnen über seine Hürden drüber helfen. Der Lehrer braucht sich nicht mehr auf das Durchschnittsniveau einpendeln."

Die Khan-Academy
Auf der Khan-Academy gibt es pro Tag etwa 120.000 Video-Abrufe, weshalb laut Kaspar künftig Infrastruktur immer wichtiger wird. So erklärt sich auch das Engagement von Google und Microsoft, die sich in diversen eLearning-Programmen engagieren. Bei der Khan-Academy etwa ist die Bill-Gates-Foundation an Bord.

"Bei unserem Schulsystem würde der Lehrer sagen, der ist zu blöd, der muss in eine andere Schule", so Salcher. Khan habe aber herausgefunden, dass ein Schüler, dem man über eine bestimmte Hürde drüber hilft, nicht nur mit dem Klassendurchschnitt mitkommt, sondern diesen sogar übertreffen kann. Das zeigt das große Potenzial der Technologie. Der Lehrer werde künftig sagen, „schaut euch die Sektion auf der Khan-Academy an, morgen reden wir drüber." Im technologisch optimalen Fall sieht er sogar, wie Schüler daheim mit dem Stoff zurecht kommen. Und am nächsten Tag hilft er jedem einzelnen, wo es Hürden gibt.

Hole in the Wall
Die zweite Revolution stammt von Sugata Mitra. Der britische Professor an der School of Education in Newcastle hat herausgefunden, dass sich Kinder selbst unterrichten können. In einer armen Gegend in Indien ließ er einen Computer in die Mauer einbauen. Das Projekt, Hole in the Wall genannt, zeigte auf, dass Kinder, die noch nie zuvor einen Computer bedient haben,  schon nach drei Stunden in der Lage waren, sich mit einem Browser Musik downzuloaden. Wenige Stunden später haben ältere Kinder den jüngeren sogar schon etwas erklärt.

Unser rückständiges Bildungssystem
Salcher: „Wir haben eine Welt mit zwei Milliarden Kindern. Es ist eine Illusion, zu glauben, dass man jedem Kind einen Klassenraum und einen Lehrer zur Verfügung stellen kann." Künftig werde man auf Systeme setzen müssen, die auf individueller Lernintelligenz basieren. „Wir dürfen nicht ein rückständiges Bildungssystem aus dem 19. Jahrhundert ins 21. Jahrhundert drüber mitnehmen. Die wirklichen Visionäre machen sich Gedanken darüber, wie man die vielen Kinder in jenen Ländern ausbildet, in die nie ein Lehrer hingehen würde", so Salcher. Vieles können die heimischen Schüler nicht deshalb so gut, weil es ihnen von den Lehrern beigebracht wird, sondern weil sie es sich selbst lehren. Der stärkste Faktor des Lernens ist das eigenmotivierte Lernen. Deshalb lassen sich Lehrer und Eltern ihre neuen Smartphones von den Kindern programmieren, weil sie es selbst nicht so gut können.

edX
Die dritte Revolution stammt von den Elite-Unis MIT- und Harvard, sie haben im Vorjahr das Programm EDX  gestartet. Vorlesungen können online besucht werden und auch Prüfungen können im Netz abgelegt werden.  MIT und Harvard haben alle Unis eingeladen, an diesem Programm teilzunehmen. Sie konzentrieren sich darauf, alles herauszufinden, was man über das Lernen lernen kann. „Meine große Sorge bei der digitalen Revolution in der Bildung ist, dass das untere Viertel davon nichts hat", meint Salcher. Die Khan-Academy funktioniert, weil das Kind daheim von den Eltern motiviert wird. „Aber bei den unteren 25 Prozent, wo sich familiär oder im Freundeskreis niemand dafür interessiert, wo es falsche Prioritäten gibt, wird es schwer." Die Eltern müssten den Kindern Wissenszugang erklären und reflektieren.

Ciscos Net Academy
„Da kommen jedenfalls die IT-Unternehmen dieser Welt ins Spiel", ergänzt Cisco-Österreich-Chef Kaspar. „Wir sind keine wohltätige Organisation,  sondern ein Unternehmen, und wir wissen, wie wichtig  IT-Affinität in der Ausbildung ist und was die Gesellschaft braucht, um in der Zukunft erfolgreich international reüssieren und diese ausgebildeten Leute in den Arbeitsprozess integrieren zu können."  Da IT ein Kernprozess in allen Bereichen sei, habe Cisco auch die Net Academy gegründet. Bei diesem Projekt kooperiert das US-Unternehmen mit österreichischen HTLs und Fachhochschulen, das betrifft derzeit mehr als  7000 Schüler. Kaspar: „Uns geht`s darum, Talente für den Arbeitsmarkt zu schaffen und die IT-Ausbildung zeitgemäß umzusetzen."

Trial & Error ist natürlich
Jugendliche können das besser, was nicht am Stundenplan steht. Sie orientieren sich nach den natürlichen Prinzipien. Das erste: „Trial & Error". Sie lernen, weil sie ausprobieren und Fehler machen. Das zweite natürliche Prinzip ist das Voneinander-Lernen, etwa wenn ein Klassenkamerad in der Pause etwas erklärt. Das Dritte: Den Kids ist bewusst, dass sie absolute Außenseiter sind, wenn sie das Digitale nicht beherrschen. „Wenn du einen Fetzen in Mathematik hast, ist das egal. Aber im Internet nicht umzugehen heißt, dass du ein digitaler Analphabet bist", so Salcher.

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