Die Hausärzte warnen vor ELGA
Die Hausärzte warnen vor ELGA
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Gesundheit

Viele Abmeldungen, aber Großteil will ELGA behalten

Die überwiegende Mehrheit der Österreicher steht der Elektronischen Gesundheitsakte (ELGA) positiv gegenüber, will sich nicht davon abmelden und lehnt auch die Protest dagegen vor allem vonseiten der Ärzte ab. In einer von der ELGA-GmbH in Auftrag gegebenen Oekonsult-Umfrage erklärten 88 Prozent, in dem System bleiben zu wollen. 71 Prozent halten die Aktionen dagegen für falsch.

In der Ende Jänner durchgeführten und der APA vorliegenden Umfrage (1.070 Personen zwischen 15 und 82 Jahren) gaben 66,36 Prozent an, „eher“ bei ELGA bleiben zu wollen, weitere 21,5 Prozent wollen das definitiv. 12,15 Prozent der Befragten gaben an, sich „eher“ abmelden zu wollen. Ganz sicher abmelden wollte sich niemand. Dementsprechend sehen auch 90,7 Prozent in ELGA einen Fortschritt, den sie nutzen wollen und nur 9,3 Prozent eine Gefährdung, die sie für sich ablehnen. Alles in allem begrüßt wird die ELGA-Einführung von 86 Prozent, abgelehnt von 13 Prozent. Fast 90 Prozent halten auch die im Zuge von ELGA geplante E-Medikation für sehr gut, wichtig und hilfreich.

Mehr als ein Viertel für Proteste

Die gegenwärtigen Aktionen und Proteste vor allem vonseiten der Ärzte gegen ELGA halten 71 Prozent für falsch, ablehnenswert und unangebracht, 28 Prozent finden sie richtig, unterstützenswert und angebracht. Eigennützige Motive unterstellt die Mehrheit der Österreicher den Ärzten aber nicht: 78,5 Prozent glauben, dass die ärztlichen Standesvertreter aus Sorge um die Patientendaten und deren Sicherheit handeln, nur 20,6 Prozent sehen deren Bedenken, als Arzt kontrollierbar zu werden, als Hauptmotiv.

Mehr als drei Viertel der Befragten haben auch keine Angst um ihre Gesundheitsdaten. 77,6 Prozent sind persönlich nicht besorgt, dass diese entwendet oder missbräuchlich verwendet werden könnten, für 21,5 Prozent trifft diese Sorge zu. Allerdings finden in Zeiten von Facebook, Twitter, Bankomatkarten und Überwachungskameras immerhin 45,8 Prozent die „Angstmacherei“ über Datensicherheit bei E-Card oder ELGA für angebracht und realistisch, 54,2 Prozent hingegen für konstruiert und überzogen.

Schlecht informiert

Das Wissen der Österreicher über die Elektronische Gesundheitsakte ist allerdings ausgesprochen gering. Rund 80 Prozent sehen sich außerstande, einem Außenstehenden zu erklären, worum es dabei geht. Und von jenen 20 Prozent, die glauben zu wissen, was ELGA ist, mussten auf Nachfrage 45 Prozent Selbstüberschätzung eingestehen. Dementsprechend halten auch 95,3 Prozent eine weitere sachliche und objektive Information für dringend notwendig.

Die Geschäftsführerin der ELGA-GmbH, Susanne Herbek, sieht mit dieser Umfrage den von ihr und dem Gesundheitsministerium verfolgten Kurs bestätigt. „Die Österreicher sind für ELGA“, zeigte sich Herbek im Gespräch mit der APA zufrieden. Die Idee, dass sie selbst und ihr Arzt wichtige Gesundheitsinformationen haben sollten, werde von der Bevölkerung unterstützt.

Kritik an Ärzten

Herbek, wirft einem Teil der Ärzteschaft zudem „Angstmache“ gegen die Elektronische Gesundheitsakte vor. Sie gesteht aber ein, dass die vor allem vom Hausärzteverband geführte Kampagne zu mehr Abmeldungen als erwartet geführt habe. Sie geht aber weiter davon aus, dass insgesamt nicht mehr als maximal neun Prozent der Bevölkerung austreten werden.

Im APA-Interview warf Herbek den Ärzten vor, das Patientenwohl für ihre Eigeninteressen zu „instrumentalisieren“. Manche Ärzte würden ihre gesellschaftliche Stellung und die Abhängigkeit der Patienten von ihnen dazu verwenden, sich Gehör zu verschaffen, „auch wenn es eigentlich ums Arztwohl geht“. Mit „nicht immer korrekten Informationen“ sei den Menschen „ein Stück weit Angst gemacht“ worden. So sei der Eindruck entstanden, dass man sich von ELGA sofort abmelden müsse, auch wenn das nicht stimme. Eine Abmeldung sei ebenso wie eine spätere Wiederanmeldung jederzeit möglich.

Kampagne zeigt Wirkung

Die ELGA-Geschäftsführerin gestand zu, dass die Kampagne der Ärzte „nicht wirkungslos“ geblieben sei. Man habe zwar nach Einrichtung der Widerspruchsstelle mit Jahresbeginn erwartet, dass zu Beginn viele Abmeldungen kommen würden, man habe aber nicht damit gerechnet, dass dies „in der Schnelligkeit und mit der Dichte“ geschieht. So hätten Anrufer bei der Serviceline sich Sorgen um ihre Gesundheitsdaten gemacht und die Angst formuliert, dass etwa Amtsärzte darauf zugreifen und dann etwa der Führerschein weg sein könnte. Das sei jedoch per Gesetz explizit verboten, betonte Herbek. „Die Angstmache hat aber bewirkt, dass sich mehr Menschen abmelden möchten, als wir gerechnet haben.“

Die Widerspruchsstelle hat derzeit zusätzlich zu den bereits erfolgten rund 8.700 Abmeldungen etwa 50.000 Schriftstücke zu bearbeiten, wodurch sich eine Wartezeit von rund acht Wochen ergibt. Trotz dieses Andrangs rechnet Herbek nicht damit, dass sich insgesamt mehr als die ursprünglich geschätzten vier bis neun Prozent der Bevölkerung abmelden werden. „Ich denke, das müssen wir nicht nach oben revidieren.“ Einerseits spreche sich in Umfragen eine überwiegende Mehrheit für ELGA aus, andererseits sei die Abmeldequote im Vergleich zu den 9,1 Millionen E-Cards relativ gering.

Mehr Personal

Um den Rückstau an Abmeldeanträgen abzubauen, wurde das Personal in der Widerspruchsstelle von anfangs sechs Personen auf zunächst 20 und jetzt weiter auf 35 Personen erhöht, die in einem Zwei-Schichtbetrieb von 6 bis 23 Uhr arbeiten. Ziel sei es, dass die Bürger innerhalb weniger Tage ihre Rückbestätigung bekommen.
Den Vorwurf, dass den Bürgern die Abmeldung bewusst schwer gemacht wurde, weist Herbek zurück. „Die Abmeldung ist nicht bewusst schwierig, aber bewusst sicher gemacht worden.“ Gerade bei Gesundheitsdaten müsse die Sicherheit im Vordergrund stehen, das spiegle sich auch bei der Abmeldung wider.

Es gehe darum, dass die Identität der Person eindeutig nachgewiesen werden müsse. Das funktioniere mit der Bürgerkarte oder der Handy-Signatur im Internet oder bei Formularen, die man mit einer Kopie eines amtlichen Lichtbildausweises an die Widerspruchsstelle schickt. Herbek geht davon aus, dass es für die Bürger einfacher wird, wenn sich Bürgerkarte und Handy-Signatur weiter durchsetzen.

Mehr Information

Die auch von der Volksanwaltschaft geforderte bessere Information sagt Herbek zu. Die Internetseite www.gesundheit.gv.at sei schon übersichtlicher gestaltet worden, die Nutzerfreundlichkeit soll noch weiter verbessert werden. Nachdem der Hausärzteverband die Ärzte mit Foldern und Plakaten eingedeckt hat, bekommen die 12.000 Vertragspartner nun auch von der ELGA-GmbH Info-Material. Zudem werden auch Inserate geschalten. Und bevor die Bürger ihre ersten Befunde selbst einsehen können, wenn Ende 2014/Anfang 2015 die öffentlichen Spitäler in Wien, Niederösterreich, Oberösterreich und der Steiermark sowie die AUVA-Spitäler als erste ihre Daten ins ELGA-System einspeisen, wird es im Herbst noch eine große Informationswelle geben.

Die Hoffnung, dass die Ärztekammer ELGA doch noch mittragen wird, hat die Geschäftsführerin noch nicht aufgegeben. Sie verweist darauf, dass die Tarife für die Ärzte noch nicht ausverhandelt sind. Und auch bei der Diskussion um die Einführung der E-Card vor rund zehn Jahren habe man die Ärzte mit einer finanziellen Abgeltung ins Boot holen können, hofft Herbek auf eine Parallelität. Die von den Ärzten geforderte Benutzerfreundlichkeit des Systems gesteht die ELGA-Geschäftsführerin zu. Zu Beginn gebe es eine Mindeststruktur, die schrittweise mit gesetzlichen Übergangsfristen verbessert werde. ELGA führe neue Befundformate ein und schaffe einen geordneten Rahmen für die Daten.

Und es werde auch eine sehr viel höhere Such- und Filterqualität geben, versprach Herbek. In einer Arbeitsgruppe mit der Ärztekammer und den Softwareherstellern werden derzeit ein Handbuch erstellt. „Gelassen“ sieht Herbek den Verfassungsklagen entgegen, die vor allem gegen die Opt-out-Regelung angekündigt wurden. Einerseits sei diese Regelung auch in den EU-Regeln vorgesehen und andererseits gebe es diese auch bereits für Organspenden mit dem Widerspruchsregister. Auch die Bedenken der Datenschützer kann die ELGA-Geschäftsführerin nicht nachvollziehen. „ELGA bringt eher den gläsernen Arzt als den gläsernen Patienten.“ Mit ELGA werde alles, was der Arzt macht, gegenüber seinen Kollegen und gegenüber dem Patienten transparenter.

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