Jubiläum

Vor 20 Jahren löste Windows 95 das PC-Fieber aus

Mit seinem neuen Betriebssystem begründete Microsoft vor 20 Jahren eine neue Ära. Windows 95 sorgte für eine Revolution auf dem Computer-Markt und erleichterte für Millionen den Zugang zum PC - auch wenn die Software nicht besonders stabil und sicher war.

Sie nannten es Midnight-Madness (Mitternachts-Wahnsinn): Am 24. August 1995 öffneten in den USA viele Computerläden nachts genau um 00.00 Uhr ihre Türen, um die ersten Packungen mit Disketten oder CDs des neuen Microsoft-Betriebssystems Windows 95 unter die Leute zu bringen. "Ich musste das einfach kaufen", sagte damals ein junger Mann dem lokalen Fernsehsender in Seattle. Das Kuriose daran: Er besaß noch nicht einmal einen PC. "Es ist so hip", sagte er dem verdutzen Live-Reporter ins Mikrofon.

Bestseller

Das Windows-95-Fieber war ansteckend: Allein in den ersten sieben Wochen verkaufte Microsoft sieben Millionen Exemplare. Innerhalb eines Jahres waren es 40 Millionen. Mit dieser Software holte Microsoft-Gründer Bill Gates den Personal Computer aus der Nerd-Ecke und kam seiner Vision "Ein PC auf jedem Schreibtisch" einen entscheidenden Schritt näher.

1995 wurden weltweit erst gut 60 Millionen Computer verkauft. Zehn Jahre später überschritt die Zahl der verkauften PCs weltweit erstmals die Schwelle von 200 Millionen, Microsoft hielt damals einen Marktanteil von über 95 Prozent. Seinen Höhepunkt erlebte der PC-Markt in 2011 mit 365 Millionen Geräten. Seitdem zeigt die Kurve deutlich nach unten, weil bei vielen Menschen das Smartphone oder ein Tablet-Computer die Funktion des PCs übernommen haben.

Marketing-Lawine

An iPhone oder Android war aber vor 20 Jahren noch nicht zu denken. Die Marketing-Kampagne zum Start von Windows 95 auf dem Firmencampus von Microsoft in Redmond setzte damals Maßstäbe. Den beiden Managern Brad Silverberg und Brad Chase war es damals gelungen, bei den Rolling Stones die Nutzungsrechte des Songs "Start Me Up" für die Premierenfeier und TV-Spots zu besorgen.

Zur Präsentation der Software vor 2.500 Gästen wurde TV-Star Jay Leno aus Los Angeles eingeflogen. "Die halbe Welt steht Kopf", wunderte sich die Computer-Zeitschrift "c't". "Ob im Funk, Fernsehen oder in der Zeitung, niemand kann den angeblichen Vorzügen von Windows 95 entgehen."

Bedienung vs. Sicherheit

Das Microsoft-System brachte eine neue dokumentenorientierte grafische Oberfläche mit, die überzeugen konnte. Sie kam zwar den Besitzern eines Apple Macintosh irgendwie bekannt vor, für die meisten PC-Benutzer bot Windows 95 jedoch eine echte Premiere. Das System entfachte einen Upgrade-Boom, denn im Vergleich zum Kommando-Zeilensystem MS-DOS und den ersten Windows-Versionen sah das neue Windows 95 so viel besser aus und war auch einfacher zu bedienen.

Mit der verbesserten Version B konnte Windows 95 dann erstmals mit Festplatten-Partitionen von mehr als zwei Gigabyte Kapazität arbeiten. Mit dieser Version wurde dann auch erstmals die USB-Schnittstelle unterstützt.

Beim Hype um Windows 95 übersahen die Kunden auch die Nachteile. Die Software bot nur eine schwache Sicherheitsarchitektur und war anfällig für Computer-Viren. Dieses Problems nahm sich Microsoft erst neun Jahre später mit dem Service Pack 2 für Windows XP ernsthaft an.

Änderung der Microsoft-Strategie

Auch die Online-Strategie von Bill Gates für Windows 95 ging zunächst nicht auf. Gates hatte in der frühen Entwicklungsphase des Systems den Boom des World Wide Webs nicht vorausgesehen. Er glaubte damals an den Erfolg proprietärer Online-Dienste wie Compuserve oder AOL und stattete sein Windows mit dem Microsoft-Gegenstück MSN aus. Erst als Netscape mit seinem Browser den Markt überrannte, erkannte Gates die Herausforderung.

Vier Monate nach der Premiere von Windows 95 rief Gates zu einem "Internet-Strategie-Workshop" nach Seattle und änderte seinen Online-Kurs um 180 Grad. Gates wählte einen außergewöhnlichen historischen Vergleich, um die neue Strategie zu verdeutlichen. Am Jahrestag des Überfalls Japans auf Pearl Harbour erinnerte er an den Kommentar des japanischen Admirals Yamamoto, "er fürchte, sie hätten (mit dem Überfall) einen schlafenden Giganten geweckt".

Die neue Ansage von Gates lautete: "Heute ist das Internet die treibende Kraft bei allen Verbesserungen, die wir bei all unseren klassischen Produkten vornehmen." Microsoft verstrickte sich nach dieser Ansage in einen schmutzigen "Browserkrieg". Der Kampf gegen Netscape hätte fast zur Aufspaltung des Konzern geführt, weil sich die Aufsichtsbehörden an umstrittenen Geschäftspraktiken von Microsoft störten. Zum Schluss blieb Netscape auf der Strecke.

Apple in Bedrängnis

Auch Apple kam mit dem Boom von Windows 95 in Existenznöte. Der damalige Apple-Boss John Sculley hatte zuvor vergeblich versucht, frühe Windows-Versionen als rechtswidrige Mac-Kopien gerichtlich untersagen zu lassen. Mit seinem Macintosh-Betriebssystem steckten die Apple-Ingenieure in einer technischen Sackgasse. Aus diesen Nöten konnte sich Apple erst zwei Jahre später mit der Rückkehr von Steve Jobs befreien, der sein Next-Betriebssystem mitbrachte.

Jobs nahm damals sogar die Hilfe von Bill Gates in Anspruch, um das in Schwierigkeiten geratene Unternehmen zu retten. Microsoft investierte 150 Mio. Dollar (heute 133 Mio. Euro) in 150.000 Apple-Aktien und zahlte Gerüchten zufolge weitere 100 Mio. Dollar für Urheberrechtsverletzungen der vergangenen Jahre. Dass Jobs viele Jahre später mit dem iPhone und iPad den Microsoft-Bossen Kopfschmerzen bereiten würde, war damals noch nicht abzusehen.

Die Chronik von Windows

Vor 20 Jahren brachte das Betriebssystem Windows 95 Microsoft auf den Weg zum dominierenden Anbieter im PC-Markt. Eine Chronologie der Windows-Entwicklung:

  • 1975: Am 4. April gründen die Kindheitsfreunde Bill Gates und Paul Allen das Unternehmen.
  • 1980: Microsoft bekommt von IBM den Auftrag, ein Betriebssystem für den geplanten Personal Computer zu liefern. Microsoft kauft ein Programm, entwickelt es etwas weiter und bietet es unter dem Namen MS-DOS an. Microsoft setzt im Vertrag durch, dass es MS-DOS auch anderen Herstellern verkaufen darf.
  • 1985: Microsoft veröffentlicht das erste - noch kaum brauchbare - Windows, eine grafische Erweiterung für MS-DOS.
  • 1987: Microsoft stellt Windows 2 vor. Apple wirft Microsoft Ideenklau vor und zieht vor Gericht. In dem komplizierten Rechtsstreit kann sich Microsoft fünf Jahre später endgültig durchsetzen.
  • 1990: Windows 3.0 erhält eine komplett neue Oberfläche. Die Nachfolgeversion 3.11 (1994) gilt als die erste wirklich brauchbare Windows-Variante.
  • 1993: Mit Windows NT stellt Microsoft ein 32-Bit-System für Workstations und Server vor.
  • 1995: Windows 95 wird mit einem zuvor nicht gekannten Marketing-Aufwand auf den Markt gebracht.
  • 1998: Windows 98 kommt als Weiterentwicklung von Windows 95 auf den Markt.
  • 2000: Windows ME ist das letzte Betriebssystem, das auf MS-DOS aufsetzt. Diese Windows-Variante galt als besonders fehleranfällig.
  • 2001: Im Oktober bringt Microsoft Windows XP heraus, sein langlebigstes Betriebssystem. XP setzt auf der Architektur der Windows-NT-Familie auf.
  • 2007: Windows Vista verkauft sich zwar gut, ist aber bei Nutzern unter anderem wegen umständlicher Bedienung unbeliebt.
  • 2009: Windows 7 soll die Schwächen von Vista ausbessern.
  • 2012: Windows 8 verfügt über zwei unterschiedliche Benutzeroberflächen: eine Kacheloptik für Tablet Computer und ein herkömmlicher Windows-Desktop für PCs. Anwender vermissen den beliebten Start-Button. Ein Jahr später wird das System auf die Version 8.1 aktualisiert.
  • 2015: Mit Windows 10 bietet Microsoft eine einheitliche technische Plattform für PCs, Tablet-Computer und Smartphones an. Auf auf seiner Spielekonsole Xbox One soll Windows 10 künftig laufen. Das Start-Menü kehrt auf den PC zurück.

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