Wenn Google deine Mails beantwortet
Dieser Artikel ist älter als ein Jahr!
Das neue Computerzeitalter hat begonnen. Vielerorts hat der traditionelle Stand-PC ausgedient. Seine Aufgaben und vieles mehr haben kleinere, leistungsstärkere Geräte wie Smartphones übernommen. Doch die wahre Revolution findet gerade im Verborgenen statt: In den Rechenzentren von Google, Microsoft und Amazon, wo die Computer von morgen mit künstlicher Intelligenz und maschinellem Lernen ungeahnte Fähigkeiten entwickeln.
Milliarden E-Mails automatisiert
Schon jetzt haben sich einige davon praktisch unbemerkt in unseren Alltag eingeschlichen. So teilte Google auf seiner Cloud-Konferenz in London mit, dass bereits zehn Prozent der über Gmail verschickten Nachrichten mit vorgefertigten Antworten abgesendet werden. User wählen dabei eine von drei durch Google vorgeschlagene Kurzantworten aus, etwa um einen Terminvorschlag zu bestätigen oder sich für die Nachricht zu bedanken. Grob geschätzt dürften bereits mehrere Milliarden E-Mails täglich auf diese Weise versendet werden.
Seit neuestem bietet Google in einigen Sprachen auch an, dass ganze Sätze vervollständig werden, während man eine E-Mail schreibt. Die Software analysiert mithilfe künstlicher Intelligenz, welche Phrase im jeweiligen Kontext am wahrscheinlichsten erscheint und schlägt diese dem Nutzer vor. Je mehr User das System verwenden, desto zuverlässiger wird es. Auf Deutsch ist die Funktion noch nicht verfügbar. Auf der Konferenz wurde sie nun für Spanisch, Französisch, Italienisch und Portugiesisch angekündigt.
Noch einen Schritt weiter geht Google bei seinem Sprachassistenten, der im Namen von Nutzern telefonisch einen Tisch im Restaurant oder einen Friseurtermin reservieren und dabei wie ein Mensch interagieren soll. Um das Gegenüber nicht völlig hinters Licht zu führen, muss sich der Computer-Assistent allerdings am Anfang des Gesprächs „outen“. Auch dieser Dienst wird zunächst in den USA ausprobiert und soll erst später in Europa nutzbar sein. Auch in Callcentern soll die Technologie verwendet werden und so die Mitarbeiter bei einfachen Anfragen entlasten.
Bilderkennung für bedrohte Tiere
Neben der natürlichen Sprachverwendung, die zunehmend auch passable Ergebnisse beim Übersetzen von einer in die andere Sprache liefert, kann Google beim Thema künstliche Intelligenz vor allem auch in der Bilderkennung punkten. Die über die Cloud, und somit über das Internet zur Verfügung gestellte Rechenleistung hilft Biologen etwa, vom Aussterben bedrohte Tierarten aufzuspüren.
„Die Lebensräume vieler seltener Tierarten werden mittels Kamerafallen dokumentiert. Das Problem dabei ist allerdings, dass die Kamera auch auslöst, wenn irgendein anderes Tier vor der Linse vorbeistreift“, erklärt Sophie Maxwell von der Zoological Society London (ZSL). „Bei jeder Beobachtung mit mehreren Kameras fallen über 100.000 Bilder an, von denen nur fünf Prozent die gewünschte Spezies zeigen. Das manuell zu durchforsten ist enorm ressourcen- und zeitintensiv.“
Seit kurzem greift die Forschungsgesellschaft deshalb auf die intelligente Bilderkennung von Google zurück. Nachdem genügend Fotos in die Google-Cloud hochgeladen und das Modell maschinell trainiert wurde, kann die Erkennungssoftware nun 91 Prozent der Bilder richtig zuordnen. „Da uns bei der Rettung vieler Arten die Zeit dramatisch davonläuft, ist es umso wichtiger, schnell zu verstehen, wo die Probleme für bestimmte Tierarten am größten sind“, erklärt Maxwell.
Chance und Gefahr
„Künstliche Intelligenz ist die Zukunft und unsere größte Chance, um in Bereichen wie Gesundheit, Verkehr, Energie, Umwelt, aber auch der Wirtschaft entscheidende Fortschritte zu erzielen“, ist Diane Greene, Chefin von Googles Cloud-Sparte überzeugt. Bedenken, wonach noch mehr sensible Daten als bisher bei Google zusammenlaufen, versucht der Konzern naturgemäß zu zerstreuen.
„Wir halten uns an sämtliche Datenschutzgesetze. Firmen, die unsere Dienste nutzen – etwa, um mit künstlicher Intelligenz zu arbeiten, können die Daten verschlüsselt auf unsere Server hochladen. Wir haben keine Möglichkeit diese Daten einzusehen“, sagt der Google-Verantwortliche Tariq Shaukat im Gespräch mit der futurezone. Die Sicherheit der Daten und Systeme stehe bei Google an oberster Stelle.
Die potenzielle Gefahr von künstlicher Intelligenz nimmt Google aber offenbar auch selber ernst. So trat der Konzern von einer 10-Milliarden-Dollar schweren Ausschreibung des Pentagons zurück und wird nach Protesten der Belegschaft seine Technologien dezidiert nicht für Entwicklung militärischer Waffen zur Verfügung stellen.
Google aktuell nur auf Platz 3
Im etwa 80 Milliarden Dollar schweren Cloud-Geschäft, also der Auslagerung von Speicher, Rechenleistung und Software ins Netz, kämpft das erfolgsverwöhnte Google aktuell mit Microsoft um den zweiten Platz. Zuletzt konnte Google einige große europäische Konzerne wie Airbus, Sky, Philips, oder Metro als Kunden gewinnen. Unangefochtener Marktführer mit etwa 50 Prozent Marktanteil ist und bleibt aber Amazon.
Kommentare