Alien Isolation: Wie der Film, nur in Dauerschleife
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Ich schleiche durch einen spärlich beleuchteten Korridor. Im Flackern des kalten Lichts sind Kampfspuren sichtbar. Eine improvisierte, durchbrochene Barrikade, Blutflecken. Der Dampf der Kühlungsrohre legt sich über einen Toten. Da wo sein Gesicht sein sollte, ist nur ein klaffendes Loch. „Keep Moving“ steht daneben an die Wand gesprüht. Der Tipp hat ihm wohl nicht geholfen.
Ich muss erst gar nicht auf den Bewegungsmelder schauen, ich weiß genau wo der Killer ist. Das dumpf-blecherne Geräusch des Alien im Lüftungsschacht über mir folgt jedem meiner Schritte. Die hydraulische Tür des erreichten Aufenthaltsraumes schließt sich hinter mir. Kurz ist alles ruhig. Doch das Alien braucht keine Türen. Plötzlich lässt es sich durch eine Deckenöffnung herab. Ein Air-Hockey-Tisch muss als improvisiertes Versteck herhalten. Ich beuge mich vorsichtig ums Eck, sehe das Alien auf mich zukommen. Ich schleiche um eine Seite des Tisches, während der Xenomorph von der anderen Seite aus den Tisch umrundet. Bevor es den Raum verlässt zischt noch einmal bedrohlich, so als wollte es sagen: „Das nächste Mal kriege ich dich“
So spannend und nervenaufreibend ist Alien: Isolation – wenn man dieses Spielchen nicht schon zehn Stunden machen würde und nicht wüsste, dass es die nächsten sechs Stunden genauso weiter geht. Die futurezone hat Alien: Isolation ( PS4, Xbox One, PC, PS3, Xbox360) für die PS4 getestet.
Gute Voraussetzungen
Alien: Isolation hat gute Voraussetzungen, dank eines schlechten Spiels. Durch das vorige Game des Franchise, Aliens: Colonial Marines, sind die Erwartungen an Isolation entsprechend gering gewesen.
Bis darauf, dass beide Games aus der First-Person-View gespielt werden, haben Isolation und Colonial Marines nichts gemeinsam. Statt gegen tausend kämpft man nur gegen ein Alien und das ist noch dazu unsterblich. Statt sich schreiend in die Schlacht zu stürzen schleicht man um zu Überleben. Statt liebloser, generischer Science-Fiction-Grafik gibt es das bis dato authentischste Alien-Spiel.
Isolation spielt zeitlich zwischen dem ersten und zweiten Film. 15 Jahre sind vergangenen, seit die Nostromo verschwunden ist. Amanda Ripley wird zur Raumstation Sevastopol geschickt, da dort der Flugschreiber des Raumschiffes aufgetaucht ist. So hofft sie Informationen über ihre Mutter Ellen Ripley zu erlangen, die an Bord der Nostromo war.
Wie im Film
Die atmosphärische Umsetzung des Spiels ist nahezu perfekt. Noch nie gab es ein Alien-Game, das so nah an dem Kultfilm dran war. Das beginnt bei der Architektur, von den schmalen, engen Gängen des Raumschiffes, über die verschiedenen Aufenthaltsräume der Station, bis zu den Empfangslobbies mit Motivations- und Werbepostern.
Der Retro-Science-Fiction-Look wird konsequent fortgesetzt. Die Informations-Terminals mit den grün-weißen Displays vermitteln DOS-Charme, die Menüs, Schriftarten und Karten sind passend dazu gestaltet. Die Geräuschkulisse, vom Zischen der hydraulischen Türen bis zum gequälten Knarren und Knirschen der sterbenden Sevastopol, ist stimmig. Nur der Bewegungsmelder piepst ein bisschen zu sehr und klickt zu wenig (Nerd-Probleme). Wenn dann auch noch die Alien-typische Spannungsmusik einsetzt, während der Xenomorph nur wenige Zentimeter vor dem Spint entlang schleicht indem man sich gerade versteckt, ist das Film-Feeling perfekt.
Alles zusammen ergibt ein atmosphärisch-dichtes, beklemmendes Gesamtbild. Die ersten Spielstunden sind fantastisch. Obwohl man weiß, dass früher oder später das Alien auftauchen wird, will man das Geheimnis der verlassenen und verwüsteten Sevastopol ergründen. Selbst wenn man mal Menschen sieht oder Funkkontakt zu Verbündeten hat, hat man stets das Gefühl einsam und völlig auf sich gestellt zu sein.
Ein Alien, viel Stress
Die Sevastopol hält gleich mehrere Gefahren parat. Plündernde Menschen treten meist in kleinen Gruppen auf, lassen sich aber relativ einfach beseitigen. Aggressive Synthetische (Androiden) sind die Zombies von Isolation: Sie bewegen sich langsam, greifen im Nahkampf an und können deutlich mehr einstecken. Die größte Bedrohung ist das Alien.
Das Alien ist unsterblich. Mit Molotov-Cocktails und Flammenwerfer kann es kurz verjagt werden, nur um wenige Sekunden später wieder aufzutauchen. Über Schüsse aus dem Revolver und der Schrotflinte lacht das Alien nur, bevor es Ripley das Gesicht abnagt.
Taucht das Alien auf, gibt es deshalb eigentlich nur eine Überlebensstrategie: verstecken. Denn sieht es einen, ist es nahezu unmöglich zu entkommen, außer eben mit dem Flammenwerfer. Der wird aber erst im weiteren Spielverlauf gefunden und die Munition ist knapp.
Ripley kann sich unter Tischen und in Schränken verstecken, was aber keine Garantie für das Überleben ist. Gelegentlich reißt das Alien die Tür auf und freut sich über das Dosenfutter, auch wenn es zuvor nicht gesehen hat, dass man in den Metallspint geschlichen ist und drinnen nicht mal den Bewegungsmelder verwendet hat, um kein verräterisches Geräusch zu machen.
Zufalls-K.I.
Selbst wenn man sich völlig geräuschlos fortbewegt, kann das Alien jederzeit auftauchen. Bis auf ein paar ganz seltene, gescriptete Momente, erscheint der Xenomorph zufällig. Auch das Verhalten, ob das Alien den Gang nach links oder rechts geht, wann es in einem Raum nachschaut oder wie lange es diesen durchsucht, ist zufällig.
Zwei Grundregeln gibt es aber: Wer Lärm macht, wird gefressen/aufgespießt/zerfetzt. Versteckt man sich lange genug, verzieht sich das Alien wieder in die Lüftungsschächte und man kann sich (leise) relativ sicher bewegen.
Schade ist, dass das Alien manchmal inkonsequent ist. So taucht es etwa schon auf, wenn es hört, wie man durch einen leeren Gang sprintet. Eine Menschengruppe, die lautstark wegen der Gesamtsituation raunzt, lässt das Alien kalt – obwohl man es im Lüftungsschacht ganz in der Nähe hört. Erst wenn Schüsse fallen oder man einen Lärmmacher wirft, taucht es auf und greift die Menschen an.
Dauerschleife
Die ersten paar Stunden zieht einen die Atmosphäre und das unberechenbare Alien in den Bann. Nach ein paar Stunden nutzt sich das Gameplay aber ab. Man sucht was, findet es, versteckt sich vor dem Alien, muss den ganzen Weg wieder zurück gehen, ein unerwartetes Hindernis taucht auch, der Rückweg wird länger, man versteckt sich vor dem Alien, kommt am Ziel an, und es beginnt alles wieder von vorne.
Mit einer Spielzeit von 15 bis 20 Stunden, je nach Schwierigkeitsgrad und Schleichgeschick, ist das so, als würde man den ersten Alien-Film sieben bis zehn Mal am Stück ansehen. Natürlich ist es immer noch ein großartiger Film, aber nach dem vierten oder fünften Mal hängt er einem einfach zum Hals raus.
Eindringlinge
Die gelegentlichen Kämpfe gegen Menschen und Synthetische reichen nicht als Abwechslung. Auch sind diese oft frustrierend, weil die Mechaniken von Isolation nicht für solche Shooter-Passagen optimiert sind.
Dazu kommt noch, dass Menschen oft wie Fremdkörper in der Umgebung wirken. Bei all der Detailliebe für die filmreife Umgebung waren die Menschen und Animationen wohl keine Priorität. Sogar Ripley scheint gelegentlich durch die Sevastopol zu schweben – sie wirft außerdem keinen Schatten. Lediglich in den ruckeligen Zwischensequenzen kommen Ripley und die anderen Menschen gut zur Geltung.
Selbst das Alien, eigentlicher Star des Spiels, hat sich wohl noch nicht ganz eingelebt auf der Station. Manchmal bleibt es an Ecken hängen oder läuft für ein paar Sekunden gegen die Wand, bevor es umdreht. Die vom Entwicklerstudio hochgelobte K.I. macht in diesen Momenten das tödliche Alien zur außerirdischen Witzfigur und zerstört so die Stimmung.
Fazit
Alien: Isolation ist Fan-Service. Es ist der Beweis, dass sich die Atmosphäre des Kultfilms auf ein aktuelles Spiel übertragen lässt. Mit einer guten Surround-Anlage entfaltet Isolation in den Anfangsstunden seine volle Wirkung ist so stimmig und intensiv, wie kaum ein anderes Game. Das Konzept der ständigen Bedrohung durch den einen unberechenbaren Feind passt perfekt dazu, wird aber überstrapaziert. Das heißt nicht, dass das Spiel kürzer sein sollte – es braucht einfach mehr Abwechslung.
Durch das unsterbliche, ständig präsente Alien, fehlt eines der wichtigsten Elemente von Videospielen: die Belohnung. Es gibt keinen wirklichen Grund, dass man sich freut eine Begegnung mit dem Alien überlebt zu haben, weil man ohnehin weiß, dass es wieder kommt. Und wieder. Und wieder… Zudem wirft das Spiel einen immer wieder zurück. Selbst wenn man glaubt etwas erreicht zu haben, passiert wieder was, dass alle Bemühung zunichtemacht. Dazu kommt ein häufiges Backtracking. Es gibt kaum einen Ort der Sevastopol, den man nicht mindestens zwei Mal besucht, weil die Missionen immer wieder dort hinführen.
Abgesehen von Hardcore-Alien-Fans ist Isolation am besten für mit dem Survival-Horror-Genre vertraute Gamer geeignet, denen es mehr um die Herausforderung als den Spielspaß geht – Dark Souls 2 lässt grüßen.
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