Spider-Man im Spieletest: Um so viel besser als die Filme
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Eigentlich ist es tragisch: Obwohl das Interesse am Marvel-Universum durch die erfolgreichen Filme in den vergangenen Jahren rasant zugenommen hat, gibt es kaum vernünftige Videospiele dazu. Wollte man in die Rolle der ikonischen Helden schlüpfen, waren die Lego-Games bisher das höchste der Gefühle. Auch wenn sie ganz nett waren, konnten sie nicht die Lücke im Herzen der Spieler stopfen, die nach einem Triple-A-Titel im Marvel-Universum lechzten, der keine Bauklotz-Parodie ist.
Das hat jetzt mit Spider-Man ein Ende. Zumindest für PS4-Besitzer. Xbox-One- und PC-Spieler kommen leider nicht in den Genuss durch New York zu schwingen.
Standalone
Das Spiel basiert nicht auf den aktuellen Marvel-Filmen und erzählt auch nicht eine Comic-Storyline nach. Natürlich gibt es viele bekannte Feinde, Freunde und Verbündete zu sehen, wenn auch in etwas anderen Rollen, als man es vielleicht vermutet.
Wer vertraut mit den Spider-Man-Geschichten ist, wird nicht um ein Grinsen herumkommen, wenn diese Charaktere zum ersten Mal am Bildschirm auftauchen und sofort Theorien spinnen, wie sich diese auf die Story des Games auswirken werden. Um euch dieses Erlebnis nicht zu nehmen, werde ich nicht weiter auf die Story eingehen.
Die Charaktere sind alle glaubhaft und lassen sich nicht gänzlich in das typische Supergut-oder teuflischböse-Schema einordnen. Die hervorragenden Zwischensequenzen, die viel Wert auf die Mimik der Charaktere legen, hauchen ihnen zusätzlich Motivation hinter ihren Handlungen ein.
Spidey selbst ist in dem Game ebenfalls gut gelungen. Er ist nicht ganz so jung und naiv wie in den aktuellen Spider-Man- und Avengers-Filmen, behält aber trotzdem seinen Sinn für Humor, ohne arrogant zu wirken, wie es in einigen Comic-Linien der Fall ist. Für Hardcore-Fans kommt vielleicht Peter Parkers Ringen mit den Alltagssorgen etwas zu kurz. Für mich war es ausreichend: Alltagssorgen haben ich zu genüge im Alltag, die muss ich nicht in Superhelden-Games nachspielen.
So realistisch schwingt Spidey
Spider-Man hat sich nie so realistisch durch New York geschwungen wie in diesem Spiel. Natürlich ist mir bewusst, dass Realismus und Superhelden-Filme/Spiele nicht so ganz zusammenpassen und genau das macht dieses Game so fantastisch.
Das Szenario für dieses Open-World-Game ist Manhattan, der natürliche Lebensraum von Spidey. Um sich fortzubewegen, kann man schwingen, sich nach vorne boosten oder an Kanten und Vorsprüngen hochziehen und davon mit einem Boost abspringen. Schwingen kann man nur wenn die Häuser hoch genug sind – es ist also nicht möglich wie bei früheren Spidey-Games zu schwingen, obwohl gar kein passendes Haus dazu in der Nähe ist.
Um die optimale Geschwindigkeit zu erzielen, muss richtig geschwungen, abgesprungen, in die Tiefe getaucht und geboostet werden. Anfangs kann das etwas frustrierend sein, wenn man ungewollt an einer Häuserwand kleben bleibt, anstatt darüber zu hechten. Nach den ersten paar Spielstunden ist es aber einfach nur noch spektakulär, wenn man die verschiedenen Schwing- und Boostarten richtig einsetzt und merkt, wie schnell man so durch die Stadt kommt.
Selbst nach zig Spielstunden macht mir das immer noch Spaß. Auch wenn manche Missionsziele kilometerweit voneinander entfernt sind, habe ich mich lieber geschwungen, anstatt die Schnellreisefunktion zu nutzen. Wenn man es einmal beherrscht, kann man ohnehin nahezu jeden Ort in der Stadt in weniger als einer Minute erreichen.
Vorausgesetzt, man denkt wie Spider-Man. Ein Abstecher durch den Central Park wäre vielleicht der kürzeste Weg, aber wer versucht an den flachen Bäumen Schwung zu holen, um über den See zu schwingen, wird baden gehen. Aber auch das geht bald ins Fleisch und Blut über. Man sucht sich dann instinktiv die Route, die für den eigenen Schwingstil die beste Kombination auf Wolkenkratzern, Straßenschluchten und Hochhäusern hat.
Mein Spinnensinn klingelt!
Die Kämpfe sind genauso durchdacht. Ähnlich wie bei der Batman-Arkham-Reihe ist es sehr wichtig rechtzeitig Attacken auszuweichen und im Idealfall zu kontern. Denn Spider-Man ist zwar gut, aber alles andere als unsterblich. Wer in den hektischen Kämpfen bewaffnete Feinde oder besonders starke Nahkämpfer übersieht, ist schnell Game Over.
Damit das nicht passiert, stehen Spidey nicht nur der Spinnensinn zur Verfügung, sondern auch eine große Auswahl an Gadgets und Moves. Beides kann und sollte im Laufe des Games verbessert werden, um mit den stärker werdenden Feinden mithalten zu können. Zum Arsenal gehört neben dem gewöhnlichen Spinnenschuss etwa auch ein Elektronetz oder extra starkes Netz, mit dem die Gegner an Wände oder Autos festgeklebt werden können – ein höchst befriedigendes Ereignis.
Auch bei den Kämpfen gilt es wieder wie Spider-Man zu denken: Am Boden wird man umzingelt, aber zieht man Gegner in die Luft, schwingt sich schnell herum und wirft mit Gegenständen um sich, lebt man länger. Die Prügeleien mit Gangstern und Schurken finden außerdem nicht in einer eigenen Instanz statt: Spidey stehen alle seine Schwingtechniken zur Verfügung, was zusätzliche Kampftaktiken ermöglicht.
Durch die im Laufe des Spiels freischaltbaren Upgrades und neuen Moves entdeckt man auch nach stundenlanger Spielzeit immer noch neue Taktikten und Möglichkeiten für Kombos in den Kämpfen. Und selbst nach dem zigsten gewonnen Kampf ist man stolz auf sich, wenn man besonders schöne Kombos erzielt hat oder nicht die Fähigkeit seines Anzuges nutzen musste, um zu überleben.
Sammeln, sammeln und noch mehr sammeln
Um einige dieser Anzüge und auch Upgrades für Spider-Gadgets freizuschalten, müssen Neben-, Verbrechens-, Forschungs- und Basis-Erobern-Missionen und Sammel-Quests abgeschlossen werden. Gerade von letzteren gibt es fast schon zu viele. Zu Beginn hat man das Gefühl, dass man erdrückt wird mit Sammelaufgaben.
Hier heißt es: Standhaft bleiben. Fallt nicht darauf rein und seht euch nicht gezwungen, sofort alles einzusammeln, nur weil es auf der Karte aufscheint. Im Laufe des Games hat man genug Gelegenheiten, zwischen den Missionen Sachen zu sammeln, die gerade in der Nähe sind. Wenn man sich von den vielen Symbolen auf der Karte nicht stressen lässt, macht Spider-Man mehr Spaß.
Liebe zum Detail
Stichwort Spaß: Die zuvor erwähnten Spider-Man-Anzüge beinhalten zahlreiche Kostüme von verschiedenen Spider-Man-Comic-Storylines. Das zeigt, wie sehr sich die Entwickler mit der Geschichte von Spidey beschäftigt und wie viel Liebe sie zum Detail bewiesen haben.
Das merkt man auch anhand der virtuellen Nachbildung von Manhattan. So gibt es immer wieder Fenster in den Hochhäusern, in die man hineinschauen kann. An den Wänden entdeckt man Marvel-Graffiti. Zu den Sehenswürdigkeiten, die man für ein Sammel-Quest abfotografieren muss, gehören ikonische Gebäude und Orte aus anderen Marvel-Comics, die in New York spielen.
Je nach Stadtteil ist der Verkehr unterschiedlich dicht und es gibt immer neue kleine Details zu sehen. Und obwohl alles eigentlich nur Großstadt ist, unterscheiden sich die Stadtteile doch merkbar – so wie im richtigen Manhattan.
Allerdings darf man nicht zu genau hinschauen. Das Game ist für das Herumschwingen gemacht. Wenn Spidey mal auf der Straße ist, anstatt darüber, ist das meistens, um Bösewichte zu verprügeln. Macht man das nicht, bemerkt man, dass sich die normalen Bewohner New Yorks kaum voneinander unterscheiden und manche Straßen fast schon leer und leblos wirken, im Gegensatz zum echten Manhattan.
Fazit
Spider-Man ist nicht perfekt aber brilliert in zwei essenziellen Dingen, wie kein Spidey-Game und nicht mal Filme zuvor: Netzschwingen und Kampf. Verbunden mit einer guten Story, die zwar vertraut aber nicht bekannt ist, werden nicht nur eingefleischte Spider-Man-Fans, sondern auch Gelegenheits-Spinnenfreunde Spaß an dem Game haben.
Wenn man noch einen Kritikpunkt sucht, um das Spiel nicht zu kaufen: Das Ende und ein paar Missionen sind recht offensichtlich so gemacht, damit es eine Fortsetzung und DLCs geben kann. Dieses Jahr sollen drei DLCs erschienen. Der Erste ist für den 23. Oktober angekündigt.
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