Filigrane Eiskristalle ummanteln Pflanzenstängel am 07.12.2012 am Rande eines Feldes in Schulzendorf (Brandenburg) am Rande von Berlin. Foto: Tim Brakemeier/dpa +++(c) dpa - Bildfunk+++
Filigrane Eiskristalle ummanteln Pflanzenstängel am 07.12.2012 am Rande eines Feldes in Schulzendorf (Brandenburg) am Rande von Berlin. Foto: Tim Brakemeier/dpa +++(c) dpa - Bildfunk+++
© dpa/Tim Brakemeier

Wissenschaft & Blödsinn

Der Mann, der dem Wasser Briefchen schreibt

Masaru Emoto gehört zu den Weltstars der Esoterik-Szene. Mit seinen bahnbrechenden Ideen über Wasser-Information heilt er Menschen, verbreitet Frieden und fördert die Kunst. Leider hat sich die Wissenschaft gegen ihn verschworen und fordert von ihm so etwas wie nachprüfbare Experimente mit wiederholbaren Resultaten. Wie kleingeistig! Er sagt doch selbst, dass er Recht hat – und er muss es doch wohl am besten wissen.

Masaru Emoto hat herausgefunden, dass Wasser allerlei Information aufnehmen kann. Er testet das, indem er kleine Wassertröpfchen gefrieren lässt und dann beurteilt, ob sich hübsche oder weniger hübsche Wasserkristalle gebildet haben. Spielt man dem Wasser vor dem Einfrieren Beethoven vor, dann entstehen besonders prächtige Kristalle, sagt Emoto. Verärgert man das Wasser hingegen mit Heavy Metal, dann ergeben sich schrecklich verstümmelte Strukturen.

Damit hätten wir nun also endlich mal geklärt, welche Art von Musik objektiv unbestreitbar die bessere ist. Wir können auf Musikkritiker verzichten und müssten eigentlich nach Konzerten nur noch Wasserkristall-Fotos in der Zeitung abdrucken. Was für eine großartige Einsparung an Zeit und Ressourcen!

Aber es geht noch weiter: Wasser kann nämlich auch lesen. Wenn man etwas Nettes auf einen Zettel schreibt und auf eine Wasserflasche klebt, dann entstehen aus diesem Wasser ganz wunderbar geordnete Eiskristalle. „Liebe“ gibt schöne Kristalle, „Hass“ sieht hässlich aus. Der Name „Adolf Hitler“ ergibt ganz furchtbare Kristalle, ich bin sicher, bei „Masaru Emoto“ werden die Kristalle wunderprächtig, bin aber nicht sicher, ob er das schon ausprobiert hat.

Das bringt natürlich einige logische Probleme mit sich. Auf welchen Namen reagiert das Wasser, wenn ein unglaublich friedfertiger, netter Mensch zufällig denselben Namen trägt wie ein sadistischer Unhold? Spricht Wasser alle Sprachen, oder nur Sprachen mit positiver Quantenschwingung? Was passiert, wenn ich etwas Nettes schreibe, es aber nur sarkastisch meine? Ich fürchte mit Logik kommt man hier nicht weit, vermutlich hat Logik sehr negative Schwingungen.

Physikalisch betrachtet kann Musik natürlich keinen anhaltenden Einfluss auf Wasser haben – und das Aufkleben eines Wortes schon gar nicht. Wissenschaftlich ließe sich der Effekt in einer sauberen Doppelblind-Studie sehr einfach testen: Man könne dem Herrn Emoto hundert zufällig nummerierte Fläschchen geben, die vorher jeweils mit guten oder bösen Wörtern aufgeladen wurden. Emoto müsste Tropfen einfrieren und aus dem Resultat ableiten, welche Fläschchen zu welchen Wörtern gehören. Würde er das schaffen, dann müsste die Wissenschaft anerkennen, dass er irgendeine geheimnisvolle Kraft entdeckt hat. Aber das will er nicht.

„So lange die Wissenschaft ein Doppelblind-Verfahren braucht, gibt es keine neue Wissenschaft“, meint Emoto. „Wir haben zwei Augen – warum müssen wir uns doppelt verblinden?“ Genau. Man misst nur mit dem Herzen gut, das Wesentliche ist für das Spektrometer unsichtbar.

Emoto selbst sagt ganz offen, dass seine Versuche nicht reproduzierbar sind. Er arbeitet ein bisschen wie ein Zauberkünstler, der seine Tricks nicht auf der Bühne vorführt, sondern nur fotografisch in Buchform verkauft: Hier haben Sie ein Bild von einem leeren Zylinderhut. Und diesen Hasen hier auf dem anderen Bild habe ich daraus hervorgezogen. Ehrenwort!

Nun muss man allerdings bedenken, welche bahnbrechenden Erkenntnisse sich aus Emotos Beobachtungen ableiten lassen: Wenn die Aufschrift auf einem Fläschchen den Inhalt mit Information auflädt und verändert, dann werden all unsere Produkte beeinflusst, die mit einer Aufschrift versehen sind. So hält Emoto beispielsweise die Warnhinweise auf Zigarettenpackungen für schädlicher als die Inhaltsstoffe der Zigarette selbst: Die Zigaretten werden erst durch die bösen, negativen Worte gefährlich. Das klingt einleuchtend.

Es funktioniert!

Und durch diese Erkenntnis betrachte ich die Welt nun mit völlig anderen Augen: Der Mann hat recht! Im Supermarkt habe ich zwei Flaschen mit völlig identisch aussehender Flüssigkeit gekauft – auf einer steht „Mineralwasser“, auf der anderen „Vodka“. Hat die Aufschrift den Inhalt beeinflusst? Ich habe beide probiert, der Unterschied lässt sich nicht leugnen!

Die knallorange Flasche in meinem Putzmittelschrank enthält furchterregende Warnhinweise – kein Wunder, dass dieses Zeug beim Putzen in den Augen brennt. Ich habe es nun umgefüllt, in eine Flasche mit Holundersirup-Etikett, und zwischen die anderen Saftflaschen gestellt, damit sich positive Schwingungen ausbreiten. Jetzt kann zum Glück nichts mehr passieren.

Statt teure Kläranlagen zu bauen, schreiben wir „Sauberkeit und Gesundheit“ auf große Schilder am Grund des Flusses. Von Kernkraftwerken werden alle Warnungs- und Gefahrenschilder entfernt und durch die Aufschrift „Sicherheit“ ersetzt. Spezialeinheiten sollen nachts in die Schlafzimmer bösartiger Diktatoren eindringen, um ihnen die Worte „Eintracht und Liebe“ quer über die Stirn zu tätowieren. Dann werden sie innerlich zur Ruhe kommen, der Weltfriede ist nur noch eine Frage der Zeit.

Und ich schreibe jetzt groß „alkoholfrei“ auf meine Gin-Flasche und setze meine Experimente fort. Zum Wohl!

Florian Aigner ist Physiker und Wissenschaftserklärer. Er beschäftigt sich nicht nur mit spannenden Themen der Naturwissenschaft, sondern oft auch mit Esoterik und Aberglauben, die sich so gerne als Wissenschaft tarnen. Über Wissenschaft, Blödsinn und den Unterschied zwischen diesen beiden Bereichen schreibt er jeden zweiten Dienstag in der futurezone.

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Florian Aigner

Florian Aigner ist Physiker und Wissenschaftserklärer. Er beschäftigt sich nicht nur mit spannenden Themen der Naturwissenschaft, sondern oft auch mit Esoterik und Aberglauben, die sich so gerne als Wissenschaft tarnen. Über Wissenschaft, Blödsinn und den Unterschied zwischen diesen beiden Bereichen, schreibt er regelmäßig auf futurezone.at und in der Tageszeitung KURIER.

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