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Peter Glaser: Zukunftsreich

Ein technischer Herbstspaziergang

Sonntags ist Flohmarkt auf dem Parkplatz vor dem Baumarkt. Keiner von denen mit Kunsthandwerkern und antiken Messingtürklinken. Hier gibt‘s vorwiegend unnoble Dinge. Einer hat einen lebensgroßen Tiger aus Plüsch mitgebracht, der jetzt auf dem Dach seines Kombis liegt. Um das Auto ein begehbares Labyrinth aus Schachteln, jeder eine Riesenwundertüte. Ein geschnitzter bulgarischer Holzteller. Eine Steingutvase, zu der man sich keine Blume vorstellen kann, die deren Hässlichkeit ausgleichen könnte. Und ganz unten im Durcheinanderdunkel ein alter MBO-Taschenrechner aus den Siebzigern.

Wie auch später bei den Digitaluhren, waren damals die teuren Geräte von Texas Instruments oder Sony und die billigen von MBO. Die 1967 von zwei Schreibmaschinen-Vertretern gegründete Firma hätte eigentlich „Münchner Büro-Organisation“ heißen sollen. Am Registergericht war man damals aber der Ansicht, ein solcher Name setze „eine beachtliche Größe“ voraus, also blieb es bei der Abkürzung.

Weisse Tasten, schwarze Ziffern

Die MBO-Taschenrechner haben eine Eigenart. Während die meisten Konkurrenzmarken für die Eingabe schwarze oder hellgraue Tasten mit weisser Beschriftung hatten, waren die MBO-Zahlenfelder weiss und die Ziffern schwarz. Das Tastenweiss an dem schokotafelgroßen Rechner aus dem Pappkarton war vergilbt, mit den Jahren ehrlich erarbeitete Patina, die trotzdem schäbig ausah.

In den Fünfzigern wurden Umschaltknöpfe an Radios (LW-MW-KW-UKW) ja manchmal bereits ab Werk in einem elfenbeinfarbenen Farbton ausgeliefert, weshalb ich überlegte, ob das eventuell ein geschickter Schachzug der Radiohersteller gewesen war, um die Kunststoffknöpfe als etwas Altgedientes erscheinen zu lassen. Heute bemüht man sich bei Jeans darum, sie möglichst alt und benutzt aussehen zu lassen, während Hardware, angeführt von der Ästhetik der Firma Apple, nun immer lackglänzend neu aussehen muß.

Sogar die Plastikdinosaurier scheinen schon auszusterben

Ich legte den Taschenrechner wieder hinunter ins Dunkel unter den Holzteller. Nebenan, wo in ein paar Schachteln sogar die Plastikdinosaurier schon auszusterben schienen, stand ein alter, beiger PC-Tower einsam auf einem freien Platz davor. Ich hatte es pietätlos gefunden, hinzugehen. Ich hätte mich gefühlt wie jemand, der einen alten Mann auf einer Parkbank sitzen sieht und hingeht, um zu sehen, von wann er ist.

Auf dem Weg durch die Standreihen glitzerte Glas im Nachsommerlicht, aus Bücherkisten roch es nach Keller und neben gebrauchten Spielsachen lag ein rosaroter Lerncomputer, ein merkwürdiges Überbleibsel aus den Neunzigerjahren, als Erwachsene dachen, Kinder müssen spezielle Computer bekommen, um an Computer herangeführt zu werden. Er war rundlich, ein wenig wie aufgeblasen, und als einzige von den Spielsachen sah er wirklich alt aus.

Der Preis für‘s Zukünftigsein

An den meisten der technischen Überbleibsel vergangener Tage auf dem Flohmarkt war etwas Elegantes. Das matte Aluminium an dem alten Fotoapparat. Die alte Heizsonne, die auch ein Lautsprecher aus einem American Diner hätte sein können. Nur was an digitaler Gerätschaft herumlag, wirkte trist. Vielleicht ist das der Preis dafür, wenn etwas immer so sehr Zukunftstechnologie ist wie der ganze Computerkram, dass es dann keine Vergangenheit mehr zustandebringt.

Während ein Windstoß einen Schwall Blätter aus einem Baum hob wie einen Vogelschwarm, stellte ich mir vor, dass die Dateisymbole auf meinem Rechner zu Hause zu welken begannen, abfielen und sich am unteren Bildschirmrand häuften.

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Peter Glaser

Peter Glaser, 1957 als Bleistift in Graz geboren, wo die hochwertigen Schriftsteller für den Export hergestellt werden. Lebt als Schreibprogramm in Berlin und begleitet seit 30 Jahren die Entwicklung der digitalen Welt. Ehrenmitglied des Chaos Computer Clubs, Träger des Ingeborg Bachmann-Preises und Blogger. Für die futurezone schreibt er jeden Samstag eine Kolumne.

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