FILE PHOTO: The logo of an electric car is painted on the road during the opening ceremony of the first Latin American public charging station
© REUTERS / Ivan Alvarado

Meinung

Elektroautos: Besser als die Statistik sagt

Das Schiff hat einen Eisberg gerammt. Es füllt sich mit Wasser und neigt sich bedrohlich zur Seite. Zum Glück gibt es ausreichend viele Rettungsboote. Aber sollten wir sie wirklich benutzen? Rettungsboote sind doch gefährlich! Wir könnten in einen Sturm geraten, wir könnten kentern, wir könnten erfrieren. Bleiben wir lieber auf dem Schiff?

Das ist ein ziemlich dummer Gedanke. Ein Risiko ist immer noch besser als der sichere Untergang. Aber wenn es um Elektromobilität geht, ist genau dieses merkwürdige Zaudern erstaunlich verbreitet: Elektroautos brauchen doch Strom, aufwändige Batterietechnik und problematische Rohstoffe wie Lithium. Sollen wir nicht lieber weiterhin fossile Brennstoffe in den Tank füllen?

Besser beim Fahren, schlechter in der Produktion

Klar ist, dass ein Elektroauto pro Kilometer weniger CO2-Ausstoß verursacht als ein Auto mit Verbrennungsmotor. Je nachhaltiger der Strom erzeugt wird, mit dem wir es aufladen, umso deutlicher wird dieser Vorteil. Andererseits verursacht das Elektroauto bei der Herstellung einen höheren CO2-Ausstoß, noch bevor es den ersten Kilometer fährt.

Heftig wird darüber gestritten, wie viele Kilometer man zurücklegen muss, bis das Elektroauto diesen Nachteil ausgeglichen hat. 30.000 km? Oder eher 200.000 km? Das lässt sich ehrlicherweise nicht klar beantworten. Soll man in die CO2-Bilanz der Elektroautos auch die nötigen Ausbauarbeiten am Stromnetz einberechnen? Oder haben Elektroautos hier sogar Pluspunkte verdient, weil sie bequem nachts geladen werden können, und so zur Stabilisierung des Systems beitragen? Soll man berücksichtigen, dass Elektromotoren haltbarer sind und weniger Teile getauscht werden müssen? Je nachdem, welche Effekte man in die Bilanz miteinbezieht, kann man das Ergebnis ganz nach politischem Geschmack in die eine oder die andere Richtung verbiegen.

Doch eigentlich geht es darum gar nicht. Entscheidend ist nicht, welchen CO2-Ausstoß ein Elektroauto bei den heutigen Rahmenbedingungen verursacht, sondern ob es in Zukunft Teil eines vernünftigen Gesamtsystems werden kann.

Ökostrom und sinnvoller Umgang mit den Ressourcen

Egal welche Autos wir fahren, wir müssen auf CO2-neutrale Stromproduktion umstellen. Wir dürfen unsere Rohstoffe in Zukunft nicht mehr aus dem Boden holen, wir müssen sie durch Recycling zurückgewinnen. Genau durch diese Fortschritte, die ohnehin nötig sind, wird sich die Ökobilanz der Elektroautos deutlich verbessern. Daher ist es unfair, heute in die Ökobilanz von Elektroautos den CO2-Ausstoß unserer Kohlekraftwerke miteinzurechnen. Es ist nicht die Schuld der Elektroautos, dass wir im Energiebereich nach wie vor dumme Uralt-Techniken nutzen. Wir müssen Elektroautos nach ihrem Potenzial beurteilen, nicht nach der Ökobilanz unter heutigen Bedingungen.

Elektroautos bieten uns zumindest die Möglichkeit, unsere Zukunft nachhaltiger zu gestalten, wenn wir gleichzeitig auch auf anderen Gebieten Fortschritte machen. Auf Verbrennungsmotoren trifft das nicht zu – sie werden nie nachhaltig sein, egal was wir uns sonst noch einfallen lassen.

Der Umstieg aufs Elektroauto ist wie der Umstieg vom sinkenden Schiff ins Rettungsboot. Ob das gut ausgehen wird, kann keiner sagen. Aber es ist zumindest eine Chance. Wir sollten sie nutzen.

Zur Person

Florian Aigner ist Physiker und Wissenschaftserklärer. Er beschäftigt sich nicht nur mit spannenden Themen der Naturwissenschaft, sondern oft auch mit Esoterik und Aberglauben, die sich so gerne als Wissenschaft tarnen.

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Florian Aigner

Florian Aigner ist Physiker und Wissenschaftserklärer. Er beschäftigt sich nicht nur mit spannenden Themen der Naturwissenschaft, sondern oft auch mit Esoterik und Aberglauben, die sich so gerne als Wissenschaft tarnen. Über Wissenschaft, Blödsinn und den Unterschied zwischen diesen beiden Bereichen, schreibt er regelmäßig auf futurezone.at und in der Tageszeitung KURIER.

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