Flammeninferno und Quantenphysik
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Kennen Sie das? Sie sind irgendwo unterwegs und fragen sich plötzlich, ob Sie die Herdplatte abgeschaltet haben. Sie wissen es einfach nicht mehr. In Ihrem Kopf entstehen Bilder von brennenden Geschirrtüchern, rauchenden Küchenkästen, flammenlodernden Gardinen, Sie eilen nach Hause, reißen die Tür auf, und sofort sehen Sie, ob die Küche gebrannt hat oder nicht – die Frage ist damit eindeutig beantwortet und erledigt. Wäre Ihre Küche ein Quantenteilchen, wäre das alles nicht ganz so einfach.
Die Sache mit der Herdplatte ist ein Beispiel für eine ganz klassische Ungewissheit: Die Platte ist entweder an oder nicht, sie hat einen eindeutigen Zustand, es kann nur sein, dass wir ihn gerade nicht kennen. Uns fehlt einfach ein Stück Information.
Ein Grund für eine solche Ungewissheit kann auch eine nicht perfekt durchgeführte Messung sein. Wenn der Nachbar mit dem Fernglas durchs Fenster in unsere Küche schaut, könnte er im Prinzip sehen, ob der Herd an ist, aber vielleicht ist es in meiner Küche zu dunkel, vielleicht ist sein Fernglas nicht präzise genug geschliffen. Außerdem werde ich mich ohnehin nicht um seine Beobachtung kümmern, denn wieso soll ich auf einen Menschen hören, der anderen in ihrer Küche hinterherspioniert? Also wirklich! Wie auch immer - es gibt jedenfalls viele Gründe, sich über irgendetwas nicht so ganz sicher zu sein.
Quanten-Unsicherheit: Die Natur legt sich nicht fest
Die Quantenphysik allerdings liefert uns eine ganz neue Art von Unsicherheit: Quanten-Systeme, etwa Elementarteilchen, Atome oder Moleküle, müssen nämlich keinen eindeutigen Zustand einnehmen, sie können sich in einer beliebigen Überlagerung von Zuständen befinden. Das ergibt sich mathematisch ganz einfach aus den Grundformeln der Quantenphysik.
Wenn sich also ein Teilchen rechtsherum oder linksherum drehen kann, dann kann es sich auch in einem Zustand befinden, in dem es beides gleichzeitig tut. Ein radioaktives Atom kann gleichzeitig zerfallen und ganz sein, ein Molekül kann sich gleichzeitig nach links und nach rechts bewegen. Die Natur hat sich nicht entschieden, sie wählt mehrere Möglichkeiten auf einmal.
Wenn wir ein solches Quantensystem haben, etwa ein Atom, das sich gleichzeitig in der rechten und in der linken Hälfte einer Schachtel befindet, können wir beispielsweise mit einem Laser hineinleuchten und das Atom suchen gehen. Das Experiment wird immer eine eindeutige Antwort liefern: Ganz wie es sich gehört, sitzt es nun plötzlich entweder auf der einen oder auf der anderen Seite. Niemals finden wir ein verschwommenes Atom, oder ein halbes Atom. Das liegt daran, dass unsere Messung das Quantensystem dazu gezwungen hat, sich auf eine der möglichen Optionen festzulegen.
Bei der brennenden Herdplatte war das ganz anders: Wenn ich die Tür öffne und nachsehe, ob meine Küche brennt, gab es schon lange vorher eine eindeutige Antwort auf diese Frage, wir kannten sie nur nicht. Vielleicht wusste aber die Feuerwehr die Antwort schon, während ich noch unterwegs war. Durchs Nachsehen gewinne ich persönlich Information, aber für die Küche ist es völlig egal. Der Zustand des Quantenteilchens allerdings wird durch das Experiment erst festgelegt.
Welches Ergebnis das Experiment liefert, wenn sich das Teilchen vorher in einer Überlagerung befunden hat, ist völlig unvorhersagbar – und zwar nicht, weil wir den Ausgangszustand des Experimentes nicht genau genug wussten, weil unsere Messgeräte nicht gut genug sind, oder weil wir nicht exakt gerechnet haben. Diese Art von Unvorhersagbarkeit kommt aus der Natur selbst. Man könnte sagen, das Teilchen selbst weiß bis zum Zeitpunkt der Messung nicht, in welchem Zustand es sich nachher befinden wird.
Große Dinge sind eher eindeutig
Solche Quanten-Überlagerungszustände sind instabil – und zwar umso instabiler, je stärker das Quantensystem an die Umwelt gekoppelt ist. Ein einsames Teilchen irgendwo im intergalaktischen Raum kann sich sehr lange in einer Überlagerung befinden, hier auf der Erde ist das schon schwieriger. Je größer ein Objekt ist, umso schwieriger ist es in einer Überlagerung zu halten.
Und genau das ist auch der Grund, warum die Messung das Quantensystem in einen eindeutigen Zustand zwingt: Durch die Messung wird das Quantenobjekt in Kontakt mit etwas Großem gebracht – mit einem Messgerät, mit einem Labor, mit uns selbst. Und auch wenn sich ein Quantenteilchen in einem Überlagerungszustand befinden kann - ein Quantenteilchen plus Messgerät ist insgesamt ein großes System, in dem Überlagerungen in winzigen Sekundenbruchteilen kaputtgehen.
Daher sieht unsere Welt nicht besonders quantenphysikalisch aus: Wo wir auch hinsehen, entdecken wir brave, langweilig eindeutige Zustände: Der Würfel zeigt die Zahl zwei und keine andere, das Auto fährt nach rechts und nicht gleichzeitig nach links, die Erde dreht sich nach Osten und niemals in beide Richtungen auf einmal. Große Dinge sind normalerweise eindeutig.
Klingt komisch, ist aber so
Die Quantenphysik zeigt uns, dass wir uns auf unser Bauchgefühl nicht immer hundertprozentig verlassen sollten. Wem Atome, die mehrere Zustände auf einmal besetzen, auf den ersten Blick als lächerlicher Blödsinn erscheinen, kann sich trösten: Auch Albert Einstein war alles andere als glücklich über diese Idee. Viele Wissenschaftler versuchten, die Quantenphysik zurechtzubiegen, sodass sie doch irgendwie wieder zu unserem Alltagsbild der Welt passt. Doch die Quantenphysik hat schließlich gewonnen: Sie beschreibt die Welt mit sauberen, eindeutigen Formeln und passt wunderbar zu den Ergebnissen der Experimente. Je öfter sie getestet wurde, umso sicherer wurde man: Die Quantenphysik stimmt. Für die Theorie ist es egal, dass sie uns seltsam vorkommt – sie hat einfach recht.
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