Frauentag

Ich will nichts Besonderes sein

Jedes Jahr rund um den 8. März wird eifrig berichtet und eifrig diskutiert - und eifrig festgestellt: Ja, das mit der Gleichstellung von Frau und Mann, das klappt irgendwie noch immer nicht so richtig, Sexismus ist nach wie vor für viele viele Frauen ein alltägliches Problem, von Gewalt gegen Frauen gar nicht erst zu reden. Es herrscht ein gewisser Konsens, dass diese Probleme bestehen. Dann kommen noch ein paar Stimmen hinzu, die meinen, ach alles eh nicht so schlimm, Frauen hätten inzwischen ohnehin alle Möglichkeiten, und überhaupt: haben wir denn keine anderen Probleme - der populäre Satz, der jede vernünftige Debatte im Keim erstickt und auch immer nur aus dieser Motivation heraus ausgesprochen wird.

Mir ist das alles zu wenig. Der Frauentag ist ein wichtiger Tag, denn er schafft zumindest einmal im Jahr geballte Aufmerksamkeit für die Ungleichheiten und Ungerechtigkeiten, die auch in den privilegiertesten Ländern, zu denen Österreich zählt, nicht behoben sind. Aber ein, dieser, Frauentag reicht nicht. Und er reicht mir als Chefredakteurin einer Technologie-Nachrichtenplattform ganz besonders nicht. Denn in den technischen Studien liegt der Frauenanteil aktuell bei nur 24 Prozent. In der Start-up-Szene kommen Frauen bei den Gründern laut einer Studie (aus 2013) gar auf nur zwölf Prozent. Und ganz generell liegt Österreich bei der Lohngerechtigkeit (Gender Pay Gap) auf vorletzter Stelle in Europa.

“Das ist ja außergewöhnlich”

Als ich mit Anfang des Jahres die Leitung der futurezone übernommen habe, ist mir eines oft passiert: Leute kamen auf mich zu und erklärten mir, dass das ganz toll sei, weil nämlich so außergwöhnlich, dass eine Frau eine Plattform führt, auf der es um Technik geht. Leider haben sie recht. Das positive Feedback, das ich bekommen habe, ist gleichzeitig kein Grund zur Freude. Denn, ich will nichts Besonderes sein. Ich will nicht, dass Frauen, die in dieser Branche arbeiten, hervorstechen (müssen) wie einsame Leuchttürme - aus dem Grund nämlich, dass sie Frauen sind. Sie sollten leuchten und Anerkennung finden für das, was sie tun und auf die Beine stellen, dafür, welche großartigen Persönlichkeiten sie sind und vor allem: Sie sollten viel mehr sein und bessere Chancen haben, mehr zu sein.

Es ist nach wie vor sehr schwer für Frauen, in männerdominierten Branchen, wie es Technikberufe sind, Fuß zu fassen. Ja, es gibt Initiativen - auf politischer wie auf Unternehmensebene, die Frauen in diesem Bereich unterstützen und fördern. Aber die Maßnahmen greifen nicht weit genug und setzen oft nicht früh genug, nämlich bei Schul- und Ausbildung an. Hinzu kommt oft eine starke soziale Prägung, auch aus familiärem Umfeld, die Mädchen und auch Buben weiterhin in traditionelle Klischeerollen drängt. Später entstehen dann die Teufelskreise, denn viele Mädchen und Frauen schrecken vor stark männlich dominierten Berufen zurück, weil sie sich in einem solchen Umfeld nicht wohlfühlen. Und leider finden sich auch in den jüngeren, “progressiveren” Kreisen, Stichwort Start-up-Szene, sehr schnell wieder altbekannte Muster. Was in den Generationen zuvor als Altherrenrunde oder Männerseilschaft bekannt war, prägt sich heute in einer männlichen Buddy-Buddy-Kultur aus, die Frauen eine Zugehörigkeit oft unmöglich oder zumindest sehr schwer macht.

Weg mit der “Frau in der Technik”

Also, was nun, was tun? Es ist natürlich alles nicht hoffnungslos. Ganz im Gegenteil: Inzwischen gibt es großartige Initiativen in der digitalen Szene, bei denen sich Frauen untereinander vernetzen, solidarisieren und gegenseitig unterstützen. Vereine wie Digitalista oder The Sorority leisten hervorragende Arbeit und machen Mut. Viele Firmen haben erkannt, dass sie aktiv etwas für Frauenförderung tun müssen.

Und ich nehme das Thema auch sehr ernst. Ich will nicht bloß zusehen und mich beklagen. Deswegen ist eines meiner erklärten Ziele, auch die futurezone und mit ihr die Technologie-Berichterstattung für Frauen attraktiver zu machen - auf zwei Ebenen. Einerseits haben wir noch ein sehr stark männlich dominiertes Publikum, das soll sich in Zukunft angleichen, indem wir auch neue Themenfelder erschließen. Zweitens sollen Frauen, die in der Branche Tolles leisten, mit besonderem Augenmerk in unserer Berichterstattung hervorgehoben werden.

Dabei liegt mir eines ganz besonders am Herzen: Den Holzhammer “Frau in der Technik” wegzupacken. Ich will keine Headlines lesen, in denen dieser Begriff vorkommt, ich will schlichtweg über Gründerinnen, Bloggerinnen, Firmenchefinnen, Wissenschaftlerinnen und Expertinnen berichten, ihnen und ihren Projekten eine Plattform geben. Das soll mit derselben Selbstverständlichkeit geschehen, wie das auch bei Männern der Fall ist. Denn wann lesen wir schon in einer Überschrift: “Mann in der Technik”.

Go, Feminists!

Last but not least möchte ich euch, Frauen, ganz riesig Danke sagen. Ich habe so viele wunderbare Gespräche mit euch geführt in den vergangenen Wochen. Dabei hatten viele von euch ganz unterschiedliche Backgrounds, unterschiedliche politische Ansichten und unterschiedliche Berufe. Aber eines war wirklich in ausnahmslos allen Gesprächen auffallend: Ihr alle, wir alle kämpfen mit den gleichen Problemen und Vorurteilen, mit den gleichen Hürden und Hindernissen. Und ich habe eine irrsinnige Solidarität bemerkt, und eine große Professionalität und Sachlichkeit auf unterschiedlichen Ebenen der Zusammenarbeit.

Ich bin überzeugt davon, dass es keine Alternative zum Feminismus gibt, wenn wir eine wirkliche Gleichstellung der Geschlechter in der Gesellschaft erreichen wollen. Ich bin Feministin und ich kann nicht verstehen, wie man es einer Frau negativ auslegen könnte. Denn was sind wir und was wollen wir, wenn wir uns dagegen stellen, dass Frauen für gleiche Arbeit gleich bezahlt werden? Dagegen stellen, dass sie sich keine sexistischen Übergriffe gefallen lassen müssen oder ihre Selbstbestimmtheit garantiert ist? Go, Feminists! Da sind Männer übrigens mitgemeint.

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Claudia Zettel

ClaudiaZettel

futurezone-Chefredakteurin, Feministin, Musik-Liebhaberin und Katzen-Verehrerin. Im Zweifel für den Zweifel.

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