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Wissenschaft & Blödsinn

Ist das Universum eine Computersimulation?

Das hier soll die Wirklichkeit sein? Ab und zu fühlen wir uns, als wären wir im falschen Film gelandet. Wir erleben unfassbare Zufälle, haarsträubende Wahlergebnisse und Mitmenschen mit abgründig dummen Ideen. Sollte man dieses Universum tatsächlich ernst nehmen? Oder ist das alles vielleicht nichts als eine riesengroße Illusion?

Manche Leute glauben, dass unser Universum gar nicht real ist, sondern dass wir in einer riesigen Computersimulation leben. Sind wir möglicherweise so etwas wie die automatisch generierten Figuren in unseren Computerspielen, die wir dort ohne schlechtes Gewissen mit simulierten Waffen ins virtuelle Jenseits befördern?

Simulierte Universen

Die Idee klingt ziemlich verrückt – und das ist sie auch. Der Philosoph Nick Bostrom forumulierte die Simulations-Hypothese im Jahr 2003, in letzter Zeit wurde sie durch den Tesla-Gründer Elon Musk bekannt gemacht.

Die Argumentation klingt zunächst ganz einfach: Unsere Computer werden immer besser, mit ihnen können wir immer kompliziertere Dinge simulieren. Wenn die technische Entwicklung weiter fortschreitet, so argumentieren die Anhänger der Simulations-Hypothese, dann werden wir irgendwann am Computer simulierte Universen entstehen lassen, in denen virtuelle Wesen mit ausgeprägter Intelligenz wohnen, die Bewusstsein erlangen und sich ihre eigenen Gedanken über ihr Universum machen.

Vielleicht werden diese simulierten Computerwesen in ihrer Welt sogar selbst virtuelle Computer bauen, und in ihrer virtuellen Welt doppelt virtuelle Welten programmieren, in denen dann ebenfalls wieder simulierte Wesen der nächsten Simulations-Stufe entstehen. So kann sich eine ganze Kaskade an simulierten Welten ergeben, in denen überall bewusst denkende Wesen leben.

Und nun kommt das entscheidende Argument: Wenn es wirklich so ist, dann lebt nur ein geringer Anteil aller denkenden Wesen in der eigentlichen Wirklichkeit, die meisten wohnen irgendwo in einer der vielen Simulationen. Das bedeutet also: Wenn man ein denkendes Wesen ist, muss man aller Wahrscheinlichkeit nach davon ausgehen, sich in einer Simulation zu befinden.

Vielleicht ist unser Universum bloß eine schlampig erledigte Programmier-Hausaufgabe eines gelangweilten, pubertierender Außerirdischen in einem übergeordneten Universum. Und dass mein Knie wehtut, liegt bloß an einem dummen Programmierfehler, für den er hoffentlich einen ordentlichen Punkteabzug bekommen hat.

Allerdings verstecken sich in dieser Überlegung einige Denkfehler. Man kann nämlich nicht einfach die Wirklichkeit gemeinsam mit Simulationen und simulierten Simulationen in einen Topf werfen, jede Zusatzinformation ignorieren und Wahrscheinlichkeitsschlüsse ziehen. Das ist so ähnlich als würden wir sagen: Ich habe Beine, die meisten Lebewesen mit Beinen sind Insekten, daher bin ich wahrscheinlich ein Insekt. Das klingt nicht ganz unlogisch, ist aber falsch.

Äpfel und Birnen, Simulationen und Wirklichkeit

Auch die ausgefeilteste Computersimulation ist immer etwas fundamental anderes als das Universum, in dem sie entwickelt wurde. Um das Verhalten eines einzelnen Teilchens zu berechnen, braucht man einen Rechner, der aus einer großen Zahl von Teilchen besteht. Alleine schon aus Platzgründen muss jede Simulation daher viel einfacher und kleiner sein als das Universum ihres Programmierers. Die Idee, dass man eine verschachtelte Kette von Simulationen bauen könnte, die ihrerseits wieder Simulationen hervorbringen, ist physikalisch schwer haltbar: Auch simulierte Geschöpfe brauchen Energie, Speicherplatz und somit Materie – und zwar im echten Universum mit seinen begrenzten Ressourcen.

Sollten unsere Nachfahren also tatsächlich irgendwann eine Universum-Simulation entwickeln, dann wäre es ein ganz anderes, viel einfacheres Universum als unseres, und die Wesen in diesem Universum (vorausgesetzt solche Wesen wären überhaupt möglich) wären sicher ganz anders als wir. Daher macht es auch keinen Sinn, uns zur selben Grundgesamtheit zu zählen wie diese Wesen und dann Wahrscheinlichkeiten dafür auszurechnen, dass wir selbst so etwas sind wie sie.

An diesem Punkt lässt sich der logische Fehler der Simulations-Theorie leicht sehen: Sie sagt nur etwas über untergeordnete Simulationen aus, die wir in unserem Universum herstellen, tut dann aber so, als könnte man darauf auch in die andere Richtung schließen und etwas über ein übergeordnetes Universum aussagen, in dem unsere Wirklichkeit programmiert worden ist. Dabei sind das im Grunde zwei ganz unterschiedliche Diskussionsthemen.

Ersatzreligion für Technik-Geeks

Natürlich kann niemand ausschließen, dass unsere gesamte Wirklichkeit von unermesslich überlegenen Wesen programmiert wurde, in einem Universum, das unvergleichlich größer, komplexer und vielfältiger ist als unseres. Diese Annahme ist prinzipiell nicht widerlegbar. Es gibt bloß keinerlei Anhaltspunkte für diese These. Das Universum der überlegenen Wesen wäre dann völlig anders als unseres, wir hätten keine Chance, irgendetwas über dieses Universum herauszufinden.

Warum sollte man also an so etwas glauben? Genauso gut könnten wir an ein allmächtiges Spaghettimonster anbeten, oder ein mystisches rosarotes Quanteneinhorn, das unser Universum mit einem gewaltigen Urknall-Wiehern ausgefurzt hat.

Wir können nicht genau wissen, woher das Universum kommt, daher denken wir uns solche Geschichten aus. Das war schon immer so, das nennt man Religion. Dagegen ist auch nichts zu sagen. Es ist nur merkwürdig, wenn heute technikbegeisterte Atheisten und Agnostiker religiöse Spiritualität als naiv und unglaubwürdig belächeln, gleichzeitig aber einen Ersatz-Gott in Gestalt eines außerhalb des Universum stehenden Ur-Programmierers für naheliegend, wahrscheinlich oder sogar für wissenschaftlich beweisbar halten.

Schon vor zweieinhalbtausend Jahren machte sich der griechische Philosoph Xenophanes darüber lustig, dass sich Menschen immer Götter zurechtbasteln, die ihnen möglichst ähnlich sind. Das ist bis heute so geblieben: Dunkelhäutige Völker verehren dunkelhäutige Götter, die Gottheiten der Wikinger waren blond und kriegerisch, und Computergeeks träumen sich eben einen überirdischen Programmierer als Computergeek-Gott zurecht. Das ist in Ordnung, aber niemand sollte glauben, dass sich solche Gottheiten logisch beweisen lassen.

Wenn man den Gedanken an die Simulations-Hypothese schön findet, kann man sich natürlich trotzdem vorstellen, von einem übermächtigen Superprogrammierer geschaffen worden zu sein. Aber man darf nicht vergessen: Hier bewegt man sich auf dem Gebiet von Mythologie und Religion, mit Wissenschaft und Logik hat das nicht mehr viel zu tun.

Florian Aigner ist Physiker und Wissenschaftserklärer. Er beschäftigt sich nicht nur mit spannenden Themen der Naturwissenschaft, sondern oft auch mit Esoterik und Aberglauben, die sich so gerne als Wissenschaft tarnen. Über Wissenschaft, Blödsinn und den Unterschied zwischen diesen beiden Bereichen schreibt er jeden zweiten Dienstag in der futurezone.

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Florian Aigner

Florian Aigner ist Physiker und Wissenschaftserklärer. Er beschäftigt sich nicht nur mit spannenden Themen der Naturwissenschaft, sondern oft auch mit Esoterik und Aberglauben, die sich so gerne als Wissenschaft tarnen. Über Wissenschaft, Blödsinn und den Unterschied zwischen diesen beiden Bereichen, schreibt er regelmäßig auf futurezone.at und in der Tageszeitung KURIER.

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