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NFC ist doch nicht tot

NFC (Near Field Communication) ist ein genormter Übertragungsstandard zum kontaktlosen Datenaustausch via Funktechnik über wenige Zentimeter. Die Technologie definiert drei Übertragungsmodi (Card Emulation, Reader/Writer und Peer-to-Peer Mode) und ist größtenteils kompatibel mit der verbreiteten Smartcard-Infrastruktur, die für elektronische Fahrkarten und für Zahlungsanwendungen genutzt werden. Besonders interessant an NFC ist, dass diese Technologie maßgeblich in Österreich entwickelt wurde - von NXP (damals noch Philips) in Gratkorn bei Graz, zusammen mit Sony.

Bislang fehlende Anwendungen

Seit der Markteinführung vor über einem Jahrzehnt wird ihr regelmäßig der baldige Status einer allgemein verwendeten Schlüsseltechnologie vorhergesagt – bislang ist der ganz große Durchbruch aber noch ausgeblieben. Dabei existiert bereits jetzt eine Vielzahl von Anwendungsszenarien, in denen die Technologie einen Mehrwert verspricht: Vom elektronischen Fahrschein über das Öffnen von Hotelzimmertüren bis hin zum mobilen Bezahlen sollte mit einem NFC-fähigen Smartphone alles komfortabel möglich sein. Entsprechende Anwendungen wurden auch hierzulande schon vorgestellt und erprobt –während kontaktlose Smartcards international mehr und mehr zum Einsatz kommen – in Österreich werden etwa seit letztem Jahr von der für die Servicierung zuständigen PSA Payment Services Austria GmbH alle alten Bankomatkarten über die österreichischen Banken in NFC-fähige Karten getauscht – fristet die Technologie in Smartphones aber bislang ein Schattendasein.

Zwar sind NFC-Chips in vielen aktuellen Smartphones (etwa zahlreichen Modellen aus den Samsung Galaxy, Sony Experia Z, LG Optimus, HTC One und Nokia Lumia Serien, eine vollständige Liste findet sich hier) verbaut, aber oftmals wissen dies ihre BesitzerInnen gar nicht und viele andere haben die entsprechenden Funktionen noch nie eingesetzt.

Dabei sah es im Jahr 2011 schon einmal ganz vielversprechend aus: Google CEO Eric Schmidt hatte im Februar am Mobile World Congress in Barcelona NFC eine “mega-scale opportunity” genannt und vorausgesagt, dass diese Technologie E-Commerce und Mobiles Bezahlen revolutionieren werde, bevor im November desselben Jahres mit dem Google Nexus S die Google Wallet als Mobile Geldbörse vorgestellt wurde. Doch das System wurde von den EndkonsumentInnen nicht angenommen und auch der Handel lehnte es ab. Zunächst konnte man es nur nutzen, wenn man Kunde beim Google-Partner Citibank mit einer Mastercard war sowie einen Mobilfunkvertrag beim US-Mobilfunkbetreiber Sprint besaß. Später wurde diese Beschränkungen zwar etwas gelockert, ein Konsortium der führenden Mobilfunkunternehmen AT&T, Verizon Wireless und T-Mobile, das gemeinsam die konkurrierende elektronische Geldbörse ISIS Wallet entwickelte, blockierte aber die Installation der Google Wallet über ihre Netzwerke und außerhalb der Vereinigten Staaten ist es nach wie vor nicht für den Einkauf in physischen Geschäften gedacht. Der ISIS Wallet selbst war auch kein besseres Schicksal beschieden.

Die NFC Technologie selbst bietet dabei durchaus einige Vorteile gegenüber konkurrierenden Technologien wie QR-Codes oder Bluetooth: Sie ist intuitiv - durch einfaches Hinhalten zum Lesegerät („Tappen“) wird eine Transaktion bewusst ausgelöst, sie kann sogar bei leerem Akku funktionieren (die Energie für den NFC-Controller im Smartphone wird dann aus dem elektrischen Feld des Lesegeräts bezogen) und über das sogenannte Secure Element kann bei entsprechender Implementierung auch im Offline-Fall eine Transaktion sicher durchgeführt werden. Nachteilig wirkte sich bisher aus, dass NFC, im Gegensatz zu QR-Codes, die hardwareseitig im Smartphone nur eine Kamera voraussetzen, und Bluetooth, bislang eben nicht in allen modernen Smartphones nutzbar war.

Apple steigt in den Ring

Als einziger großer Hersteller hatte nämlich bis dato Apple auf die Integration von NFC Technologie in seine Smartphones verzichtet. Mit den jetzt vorgestellten iPhones hat sich das nun aber geändert. Nachdem schon die letzten Jahre jedes Mal vor dem Launch spekuliert wurde, dass die neuen Smartphones mit NFC-Unterstützung ausgeliefert würden, ist dies nun heuer tatsächlich der Fall. Grund für die lange Verzögerung war wohl, dass Apple – anders als Google 2011 – nicht nur die Technologie über die eigenen Endgeräte in den Markt bringen, sondern ein gesamtes Ecosystem dazuliefern will: Zahlreiche Bezahl-Terminals in amerikanischen Geschäften sind mittlerweile NFC-fähig und die KonsumentInnen haben bereits Erfahrungen mit dem Bezahlen per kontaktlosen NFC-Smartcards gesammelt.

Hierzulande haben große Handelsketten wie REWE, Spar und Hofer zwar auch schon auf NFC-fähige Terminals umgerüstet und teilweise auch bereits erfolgreich NFC-Bezahllösungen evaluiert - so testete beispielsweise das Wiener Startup Kadona in Kooperation mit BIPA bereits eine mobile Kundenkarte und NFC-basierte Rabatt-Coupons, die das junge Unternehmen inzwischen mit der mobilen Brieftasche kWallet zu einer sicheren Bezahllösung weiterentwickelt hat – die futurezone berichtete.

Der NFC-Technologie wird das iPhone 6 sicher auch in Österreich einen Schub verleihen: Für ein Start-up wie Kadona, das bereits eine erprobte NFC Plattform vorweisen kann und gleichzeitig eine Bezahllösung für Smartphones anbietet, die noch nicht mit einem NFC Chip ausgestattet sind, bedeutet der Vorstoß von Apple in das NFC Universum zweifellos große Chancen im Markt. Oder für Anwendungen wie beim Projekt Ingeborg (pingeb.org), bei dem in Klagenfurt kostenlos Inhalte junger AutorInnen per NFC-Tags abgerufen werden können, und wo die entsprechende Plattform von Xamoom künftig auch außerhalb Kärntens Landeshauptstadt vermarktet wird. Und wie man NFC-Tags für sich selbst gewinnbringend einsetzen kann, berichtete die Futurezone schon unter dem Titel „Wie man mehr aus NFC herausholt“.

Fazit: Durch den Impuls, den Apple der Technologie verleiht, wird NFC wieder mehr in den Fokus der Aufmerksamkeit gerückt und es kann erwartet werden, dass in zahlreichen Anwendungsbereichen in naher Zukunft innovative Applikationen veröffentlicht werden.

Zur Person

Christian Kittl ist Geschäftsführer und wissenschaftlicher Leiter des auf mobile Innovationen spezialisierten Kompetenzzentrums evolaris next level in Graz, wo er seit 2000 tätig ist. Er besitzt einen Abschluss in Telematik sowie in Betriebswirtschaft und war als Projektmanager und Mitglied der Projektsteuerungsgruppe in EU-Projekten tätig. Christian Kittl ist Autor von über 40 Publikationen und Mitglied von zahlreichen Beiräten internationaler Konferenzen und Journale im Bereich e- und m-Business. Er ist aktuell Captain und Mentor des Jahrgangs 2010 der Studienrichtung Informationstechnologien & Wirtschaftsinformatik an der Fachhochschule Campus02 in Graz und war Lektor an den Instituten für Organisation und Personalmanagement bzw. Informationswissenschaft und Wirtschaftsinformatik an der Karl-Franzens-Universität.

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