Überwachung

China will Bürger nach Online-Verhalten bewerten

Wer in der chinesischen Stadt Hangzhou als Erwachsener eine Halbpreiskarte in der U-Bahn verwendet, muss mit Strafpunkten in einem System rechnen, das das soziale Verhalten der Bürger bewertet, wie das Wall Street Journal berichtet. Derzeit wird diese Idee in Hangzhou getestet, die kommunistische Partei Chinas hat aber bereits angekündigt, das "Social Credit"-System bis 2020 im ganzen Land ausrollen zu wollen. Neben Hangzhou sammeln derzeit rund 40 lokale Verwaltungseinheiten in China schon entsprechende Daten über ihre Bürger.

In die Bewertung fließen sehr viele Faktoren ein: Steuerdaten, Kreditverhalten, Zahlungsmoral bei Kreditkarten- und Infrastrukturanbietern, Gerichtskosten, Verhalten im Straßenverkehr, Einhaltung der Familienplanungsvorschriften, akademische Ehrlichkeit, freiwillige Tätigkeiten, Familientreue, Schwarzfahren und das Leumundszeugnis.

Verhalten im Netz

Auch das Online-Verhalten spielt in den Bewertungen eine Rolle. Hier werden die Interaktionen mit anderen Nutzern, die 'Verlässlichkeit der geteilten Informationen' und die Einkaufsgewohnheiten berücksichtigt. All diese Daten werden in einen Algorithmus gefüttert, der dann einen Wert für jeden Bürger ausspuckt. Diese Beurteilung wirkt sich auf Versicherungsprämien, Zugang zu Luxushotels, Reisefreiheit, Stipendien und Schulzulassungen, Zugang zu Flugzeugen und Hochgeschwindigkeitszügen, Berücksichtigung für Regierungsjobs, Zugang zu Internetservices, Kreditraten und den Zugang zu sozialen Hilfestellungen aus.

Minuspunkte können schon für Schwarzfahren oder Bei-Rot-Über-Die-Ampel-Gehen verteilt werden. Auch die Zensur im Internet wird dadurch gestärkt, weil auch Online-Verhalten, das der Regierung nicht in den Kram passt, geahndet werden kann. Nach und nach soll die Datenbasis für das System so immer breiter werden. In einem Dokument zum geplanten Bewertungssystem heißt es "Wir erlauben den Vertrauenswürdigen, sich überall unter dem Himmel zu bewegen, während wir es den Diskreditierten schwer machen, auch nur einen Schritt zu tun".

Experten beschwichtigen

In derzeitigen Testsystemen sind viele Datensammlungen noch nicht eingebunden. Der Ansatz weckt bei Bürgerrechtlern im Land aber schon Erinnerungen an dystopische Visionen aus der Science-Fiction-Literatur. Dass die Konsequenzen für chinesische Bürger schwerwiegend sein können, ist bereits absehbar. Eine schwarze Liste des Justizssystems macht es in einigen Städten für Menschen, die etwa einen Gerichtsstreit mit ihrem Vermieter verloren haben, unmöglich, Flugtickets oder Hochgeschwindigkeitszugkarten zu kaufen. Das Prinzip eines derartigen Systems bzw. seine möglicherweise negativen Auswirkungen wurde außerdem bereits in der ersten Episode der neuen Staffel der TV-Serie "Black Mirror" mit dem Titel "Nosedive" aufgegriffen.

Gut bewertete Bürger sollen auch bei Behördengängen bevorzugt behandelt werden. Das System könnte vor allem für Anwälte, Journalisten, Lehrer und Steuerberater schwerwiegende Konsequenzen haben, da sie berufsbedingt öfter in Konflikt mit offiziellen Stellen kommen können. Um alle 1,4 Milliarden Chinesen zu überwachen, müsste China eine aufwändige Infrastruktur bauen. Die große Firewall beweist allerdings, dass sich die Regierung in Peking nicht vor technologischen und finanziellen Herausforderungen fürchtet, wenn es um den Erhalt seiner Macht geht. Experten aus China beschwichtigen gegenüber dem Wall Street Journal und sagen, es sei nicht sicher, dass so ein System im großen Stil augerollt werde.

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