"Big Brother" des Bundestrojaners entdeckt
"Big Brother" des Bundestrojaners entdeckt
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Deutschland

Datenschützer wollen "Bundestrojaner" prüfen

„Es darf nicht sein, dass beim Abfangen verschlüsselter Internet-Kommunikation auf dem Computer durch die Hintertür auch eine Online-Durchsuchung des gesamten Rechners durchgeführt werden kann", sagte der deutsche Bundesdatenschutzbeauftragte Peter Schaar der "Neuen Osnabrücker Zeitung".  Schaar reagierte auf Angaben des Chaos Computer Clubs (CCC), wonach Ermittler in Deutschland eine Software zur Überwachung von Telekommunikationsverbindungen

, die einen verbotenen „Großen Lauschangriff“ ermöglicht. Schaar kündigte an, die Überwachungssoftware zu überprüfen.

"Lückenhaft geregelt"
Schaar sagte: „Der Einsatz von Überwachungssoftware ist nur lückenhaft geregelt. Während für das Bundeskriminalamt zur Abwehr schwerster Verbrechen eindeutige gesetzliche Vorgaben bestehen, fehlen vergleichbar klare Auflagen für Polizei und Staatsanwaltschaft im Bereich der Strafverfolgung.“ Hier sei der Gesetzgeber gefordert. Die Sicherheitsbehörden würden teilweise in einer Grauzone arbeiten.

Innenministerium: "Kein Bundestrojaner"
Nach Darstellung des deutschen Bundesinnenministeriums wurde der vom CCC untersuchte Trojaner von keiner Bundesbehörde eingesetzt. Bei der drei Jahre alten Software handle es sich nicht um einen „Bundestrojaner“, sagte ein Sprecher von Innenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) am Montag in Berlin.

Nun müssten die Länder prüfen, ob eine solche Überwachungssoftware in ihrem Sicherheitsbereich eingesetzt worden sei. Nach Darstellung des Sprechers des Bundesinnenministeriums entwickelt jede Landesbehörde solche Überwachungssoftware selbst. Es gebe keine Dachbehörde in diesem Bereich. Eine solche Software sei im übrigen auf dem freien Markt erhältlich. Daher sei nicht ausgeschlossen, dass die Software von Dritten eingesetzt worden sei.

"Nehmen Vorwürfe ernst"
Regierungssprecher Steffen Seibert betonte, die deutsche Kanzlerin Angela Merkel (CDU) nehme die Vorwürfe des Chaos Computer Clubs sehr ernst. Es solle auf allen Ebenen geprüft werden, ob ein solcher „Trojaner“ zum Einsatz gekommen sei. Die Bundesregierung handele ganz grundsätzlich immer auf Basis von Recht und Gesetz, betonte Seibert mit Blick auf Vorwürfe, die Software gehe über verfassungsrechtliche Kompetenzen hinaus.

SPD: Online-Durchsuchungen aussetzen
Die SPD forderte bis zur Klärung des möglicherweise illegalen Einsatzes von „Staatstrojanern“ ein Aussetzen von Onlinedurchsuchungen in Deutschland. „Das Internet ist kein rechtsfreier Raum“, sagte SPD-Generalsekretärin Andrea Nahles am Montag. Wenn die Behauptungen des Chaos Computer Clubs zuträfen, läge ein eklatanter Verstoß gegen die Grundrechte der Betroffenen vor.

"Gravierende Vorwürfe"
Der Vorsitzende des Bundestags-Innenausschusses, Wolfgang Bosbach (CDU), forderte den CCC auf, den Vorwurf des Einsatzes einer Ermittler-Software mit illegalen Möglichkeiten zu belegen. Die Vereinigung von Computerexperten müsse klar sagen, um welche Software es sich handele und welche Behörde in welchem Verfahren und zu welchem Zweck überhaupt tätig geworden sei. Die Vorwürfe wegen des sogenannten Bundestrojaners seien erheblich und gravierend, sagte Bosbach am Montag im Deutschlandfunk. „Sollten sie sich als wahr herausstellen, wäre das selbstverständlich ein ernstzunehmender Vorgang.“ Die Behörden wären dann kriminell vorgegangen. Der Innenausschuss des Bundestages werde sich mit dem Thema beschäftigen. Die SPD kündigte an, eine solche Untersuchung des Innenausschusses beantragen zu wollen.

Konsequenzen gefordert
Der parlamentarische Geschäftsführer der FDP-Bundestagsfraktion, Christian Ahrendt, forderte in der „Neuen Osnabrücker Zeitung“ ein konsequentes Durchgreifen: „Sollten sich Behörden im aktuellen Fall verselbstständigt haben, kann das nicht ohne personelle Konsequenzen bleiben.“
Der FDP-Politiker und frühere Bundesinnenminister Gerhard Baum sagte in HR-Info, jetzt sei der Bundestag gefordert. „Ich möchte gerne wissen, wer hat das gemacht, welche Polizei- oder Sicherheitsbehörde in wie vielen Fällen.“ Der Chaos Computer Club sei glaubwürdig und habe offenbar klare Beweise vorliegen.

Der SPD-Innenpolitiker Michael Hartmann erklärte, es dürfe nur ausnahmsweise und nur unter höchsten Auflagen möglich sein, einen Rechner auszuspähen. „Es darf aber niemals ein sogenannter Trojaner eingesetzt werden, der eine weitergehende oder beliebige Ausspähung ermöglicht.“

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