Netzpolitik

EU hält Teile des Internet Archive für "terroristische Inhalte"

Eine Einheit von Europol, die Internet Referral Unit (EU IRU), forderte die Betreiber des Internet Archive dazu auf, mehr als 550 URLs, auf denen angeblich "terroristische Propaganda" zu sehen ist, zu löschen. Wie die Non-Profit-Organisation auf ihrem Blog beschreibt, wurde zumindest eine dieser URLs auch von der französischen Cybercrime-Behörde OCLCTIC als "terroristischer Inhalt" identifiziert.

15 Millionen Bücher

Die Behauptungen seien allerdings falsch, meint das Internet Archive und listet genau jene Beiträge auf, die von Europol als "terroristisch" eingestuft werden. Darunter befindet sich etwa das gesamte Project Gutenberg, eine Sammlung von 15 Millionen Public-Domain-Texten, das Musikarchiv der Band Grateful Dead oder Aufzeichnungen des Politik-TV-Senders CSPAN aus Washington D.C.

Künftig eine Stunde

Das Internet Archive berichtet, dass die EU IRU dem Webseitenbetreiber 24 Stunden Zeit gab, um die bemängelten Inhalte zu entfernen, andernfalls werde man den Zugang zum gesamten Internet Archive aus der EU blockieren. Nächste Woche soll das EU-Parlament über neue Regeln abstimmen, die eine Entfernung beanstandeter URLs innerhalb von nur einer Stunde vorsehen. Laut dem Internet Archive wäre es illusorisch gewesen, diesen Vorgaben im vorliegenden Fall zu entsprechen.

Durch die Zeitverschiebung zwischen Europa und der pazifischen Zeitzone habe man die Nachricht des EU IRU um 3:00 Uhr nachts erhalten. Die einzige Möglichkeit, solch einer Vorgabe zu entsprechen, sei, automatische Lösch-Mechanismen zu implementieren und eine Prüfung der Legitimität einem "take-down request" unterzuordnen. Kurz gesagt: Zuerst löschen, dann prüfen.

Meinungsfreiheit

"Deswegen fragen wir uns: Wie kann diese vorgeschlagene Regelung realistisch die Meinungsfreiheit berücksichtigen?", schreibt das Internet Archive. "Müssen wir einfach hinnehmen, dass etwas als 'terroristisch' eingestuft wird und riskieren die automatische Entfernung von Dingen wie DER vorrangigen Sammlungs-Webseite für alle Bücher auf archive.org?"

Auf Nachfrage der futurezone bei Europol über die Beweggründe für das Vorgehen schiebt die EU-Behörde die Verantwortung auf Frankreich ab. Die französische IRU-Sparte besitze einen direkten Zugang zur Internet Referral Management Application (IRMa) der EU IRU, über die sie Entfernungs-Aufforderungen verschicken kann. Obwohl es so scheine, als kämen die Aufforderungen von einer zentralisierten Institution, kommen sie tatsächlich aus einem einzelnen EU-Mitgliedsstaat. Was die französische IRU-Sparte zu ihrem Vorgehen bewog, bleibt unklar.

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David Kotrba

Ich beschäftige mich großteils mit den Themen Energie, Mobilität und Klimaschutz. Hie und da geht es aber auch in eine ganz andere Richtung.

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