Mit der Vorratsdatenspeicherung sollen sämtliche Verbindungsdaten von Internet-, Telefon- und E-Mail-Anwendern ein halbes Jahr lang gespeichert werden - und zwar bei allen Teilnehmern, ohne Vorliegen eines konkreten Tatverdachts.
Mit der Vorratsdatenspeicherung sollen sämtliche Verbindungsdaten von Internet-, Telefon- und E-Mail-Anwendern ein halbes Jahr lang gespeichert werden - und zwar bei allen Teilnehmern, ohne Vorliegen eines konkreten Tatverdachts.
© APA/HANS KLAUS TECHT

Urteil

EuGH: Anlasslose Vorratsdatenspeicherung ist nicht erlaubt

Vorratsdatenspeicherung ist in der Europäischen Union alleinig zur Bekämpfung schwerer Straftaten zulässig. Das Unionsrecht untersagt eine allgemeine Vorratsspeicherung von Verkehrs- und Standortdaten. Eine allgemeine Verpflichtung für Telekommunikationsanbieter, persönliche Nutzerdaten zu speichern, sei nicht erlaubt. Das urteilte der Europäische Gerichtshof (EuGH) am Mittwoch in Luxemburg.

Der Begriff Vorratsdatenspeicherung steht für die systematische Speicherung von Telefon- und Internetdaten der Bürger. Es werden Rufnummern sowie Zeitpunkt und Dauer von Anrufen gespeichert. Beim Surfen im Internet werden IP-Adressen sowie Details zu deren Vergabe vorgehalten. E-Mails sind ausgenommen.

Zwei Verfahren

In zwei miteinander verbundenen Verfahren hat der EuGH die anlasslose Speicherung von Kommunikationsdaten damit endgültig für unvereinbar mit EU-Grundrechten erklärt. Bereits 2014 hatte das Gericht die damalige EU-Richtlinie zur Vorratsdatenspeicherung für ungültig erklärt. Die Richtlinie, welche den Mitgliedstaaten die Einführung einer Speicherpflicht für Verkehrsdaten aus der elektronischen Kommunikation vorschrieb, verkürze in unverhältnismäßiger Weise die EU-Grundrechte auf Privatsphäre und den Schutz personenbezogener Daten, so die Richter damals.

Im Anschluss an dieses Urteil ist der Gerichtshof mit zwei Rechtssachen befasst worden, in denen es um die den Betreibern elektronischer Kommunikationsdienste in Schweden und im Vereinigten Königreich auferlegte allgemeine Verpflichtung geht, Daten elektronischer Kommunikationsvorgänge, deren Vorratsspeicherung in der für ungültig erklärten Richtlinie vorgesehen war, auf Vorrat zu speichern. Offen blieb daher nach dem Urteil von 2014 die Frage, ob auch mitgliedstaatliche Regelungen zur Vorratsdatenspeicherung an diesem Maßstab zu messen und mit ihm vereinbar sind.

Keine nationalen Alleingänge

In seinem Urteil antwortet der Gerichtshof nun, dass das Unionsrecht einer nationalen Regelung entgegensteht, die eine allgemeine und unterschiedslose Speicherung von Daten vorsieht. Die Richter entschieden, dass Behörden in der Regel nur dann Zugang zu den auf Vorrat gespeicherten Daten erhalten dürfen, wenn dies zuvor von einem Gericht oder einer anderen unabhängigen Stelle erlaubt wurde. Außerdem müssen die Daten innerhalb der EU gespeichert werden.

Der Gerichtshof stellt außerdem einmal mehr fest, dass aus der Gesamtheit der gespeicherten Daten sehr genaue Schlüsse auf das Privatleben der Personen, deren Daten auf Vorrat gespeichert wurden, gezogen werden können. Der Grundrechtseingriff, der mit einer nationalen Regelung einhergeht, ist somit als besonders schwerwiegend anzusehen.

Schwere Grundrechtsverletzung

Den EuGH-Richtern zufolge greift die Speicherung von Telekommunikationsdaten so sehr in das Grundrecht auf Achtung des Privatlebens ein, dass die Datenspeicherung „auf das absolut Notwendige“ beschränkt werden muss. Entsprechende Gesetze müssten dazu „klar und präzise sein und Garantien enthalten, um Daten vor Missbrauchsrisiken zu schützen“.

„Mit seinem heutigen Urteil zur Vorratsdatenspeicherung macht der EuGH allen Sicherheitsesoterikern und Überwachungsfanatikern einen dicken Strich durch die Rechnung. Nun muss auch Deutschland reagieren und die erst im vergangenen Jahr verabschiedete Neuauflage der Vorratsdatenspeicherung ein für allemal auf den Müllhaufen der Geschichte verbannen“, fordert Volker Tripp, politischer Geschäftsführer des Vereins Digitale Gesellschaft, in einer ersten Reaktion. Netzpolitik.org schreibt etwa: „Super, danke EuGH für das schöne Weihnachtsgeschenk.“

Auch der österreichische Verband der Internet Service Provider (ISPA) begrüßt die Erkenntnis des EuGH. In Österreich wurde die Vorratsdatenspeicherung bereits vor Jahren vom Verfassungsgericht aufgehoben. „Österreich war Vorreiter bei Aufhebung durch Verfassungsgerichtshof. Wir freuen uns, dass der EuGH auch in unruhigen Zeiten an seinem Grundsatz des Verbotes der anlasslosen Überwachung festhält. Der EuGH hat damit auch eineRechtslücke über die ePrivacy-Richtlinie für EU-Mitgliedsstaaten geschlossen“, sagt Maximilian Schubert von der ISPA.

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Barbara Wimmer

shroombab

Preisgekrönte Journalistin, Autorin und Vortragende. Seit November 2010 bei der Kurier-Futurezone. Schreibt und spricht über Netzpolitik, Datenschutz, Algorithmen, Künstliche Intelligenz, Social Media, Digitales und alles, was (vermeintlich) smart ist.

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