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USA

Feldzug gegen SMS hinterm Steuer

Bei jedem fünften Verkehrsunfall in den USA ist ein Fahrer abgelenkt. 2008 waren laut Zahlen der National Highway Traffic Safety Administration 6000 Tote und eine halbe Million Verletzte die Folge. Je jünger die Lenker, desto geringer ist für sie die Chance, bei solchen Unfällen mit dem Leben davonzukommen. Mit einer Aufklärungskampagne will Verkehrsminister Ray LaHood auf das Problem aufmerksam machen: Angehörige von Opfern erinnern sich in Videos an den Unfallhergang. "Wenn Eltern ihren Kindern ein Handy geben, geben sie ihnen eine tödliche Waffe", sagt da etwa die Mutter des zwölfjährigen Joe Teater, der bei einem Auffahrunfall starb, nachdem eine Lenkerin eine Ampel samt sechs davor wartender Autos übersehen hatte.

Emotional geht es auch auf der technischen Seite zu. Seit LaHood im November bei einer Talkshow des Senders MSNBC laut über sogenannte "jamming"-Technologien nachdachte, die während der Fahrt unterschiedliche Handyfunktionen außer Kraft setzen, bläst ihm vor allen von konservativen Bloggern und Radiokommentatoren ein scharfer Wind entgegen: Beim Auto, dem Symbol von Freiheit schlechthin, habe sich der Staat gefälligst herauszuhalten. Das Verkehrsministerium ist seither mit Zurückrudern beschäftigt. Die Technologien würden nur evaluiert, so ein Sprecher. Ein Gesetzesentwurf, der gar Eingriffe von Seiten der Telkos vorsehen könnte, steht nicht am Plan.

Betreiberkontrolle

Wenig begeistern dürfte dies Drive Safely, ein Unternehmen aus Rochester, im Bundesstaat New York. Dessen Software ermöglichst es, SMS, MMS, mobilen E-Mails und Surfen einen Riegel vorzuschieben. Zunächst wird mittels GPS festgestellt, ob der Benutzer mit seinem Mobiltelefon gerade über die Landstraße düst. Greift er zum Handy, erscheinen eine Infomeldung ("SMS sind während der Fahrt nicht gestattet") und eine Frage: "Sind Sie der Lenker?" Ist die Antwort "nein", gilt es rasch eine "Attention Validation Sequence" einzutippen, eine zufällige Folge von Buchstaben und Symbolen.

Falls Drive Safely Erfolg haben sollte, dann nur mit breiter Unterstützung von Industrie und Regierung, zumal die Software nicht von privaten Nutzern auf ihren Engeräten, sondern beim Mobilfunkbetreiber installiert wird. Laut dem Unternehmen ein wichtiger Vorteil: Warnungen lassen sich so nicht einfach umgehen.

Elterliche Kontrolle

Direkt am Handy wird "TextZapper" installiert, eine Software, die sich an Eltern junger Autofahrer richtet. Das Programm soll ebenfalls verhindern, dass während der Fahrt Kurznachrichten und E-Mails versendet werden. Auch hier wird GPS als Ermittler von Fortbewegung verwendet. Doch TextZapper geht weiter.

Die Software lässt zum Beispiel auch Eingriffe im Adressbuch zu: So können Eltern bestimmte Telefonnummern auf eine Art schwarze Liste setzen, beziehungsweise "sichere" Nummern festlegen. Mit der Pro-Version können Erziehungsberechtigte schließlich auf Nummer sicher gehen. Sie werden informiert, wenn der Sprössling zu schnell fährt oder eine festgelegte Region ("virtual fence") verlässt. Mittels GPS lässt sich der Standort des Handys feststellen, außerdem bietet TextZapper auch Bewegungsprofile. Kompatibel ist das Programm laut Hersteller mit 70 Handys, Apple-Geräte ausgenommen. Das Unternehmen aus New Jersey versichert auch, dass sich die Software nicht unbemerkt entfernen lässt.

Selbstkontrolle

Eine Hardware-basierte Lösung ist "CellControl", vom Unternehmen ObdEdge aus Louisiana. Die Kommunikation findet via Bluetooth zwischen Fahrzeug und Handy statt. Dazu wird der CellControl-Stecker in die OBD-2-Diagnosebuchse des Autos gesteckt und am Handy eine Software installiert. Sobald sich das Fahrzeug bewegt, lassen sich SMS, E-Mail und Telefonie ausschalten. In Parkposition sind alle Kommunikationswege wieder verfügbar. Blockiert, so versichert ObdEdge, werden durch CellControl nur vorher ausgewählte Mobiltelefone.

Weniger rigoros ist die Software "DriveSafe.ly" vom Unternehmen iSpeech. Sie verhindert lediglich das Hantieren mit dem Handy, indem Kurznachrichten und E-Mails vorgelesen und mittels Spracheingabe auch verschickt werden können. Die Applikation ist derzeit nur für Android und BlackBerry verfügbar, andere Plattformen sollen folgen.

Umgehung von Verboten

Die Verwendung von Mobiltelefonen hinterm Steuer - ohne Freisprecheinrichtung - ist freilich nicht nur in den USA ein Problem. Amerikaner verbringen lediglich mehr Zeit im Auto als viele Europäer und haben durch die Verbreitung von Automatikgetrieben zumeist die zweite Hand "frei" für Ablenkungen.

Dass Lenker SMS verschicken, ist mittlerweile zwar in vielen Bundesstaaten verboten, wird aber nicht immer ausreichend kontrolliert. Hinzu kommen große Unterschiede zwischen den Regionen: so dürfen zum Beispiel Unter-18-Jährige in Connecticut während der Fahrt überhaupt nicht, also auch nicht mittels Freisprecheinrichtung telefonieren. In anderen Bundesstaaten sind solche Verbote nur Schulbusfahrern vorbehalten.

Laut einer recht umstrittenen Erhebung des Highway Loss Data Institute (HLDI) soll das Verbot von SMS hinterm Steuer die Straßen auch nicht sicherer machen. Verglichen hat die von Kraftfahrzeugversicherern finanzierte Organisation dazu die Situation in vier Bundesstaaten, jeweils knapp vor und nach den Gesetzesänderungen. In zweien wurde eine deutliche Zunahme an Schadensfällen festgestellt, die kräftigste, mit zwölf Prozent, unter jungen Autofahrern in Kalifornien. Der Schluss, den HLDI-Präsident Adrian Lund daraus zieht: Wer trotz der Verbote SMS verschickt, tut dies zumeist versteckt, unterm Lenkrad etwa, und ist somit noch gefährlicher unterwegs.

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(Alexandra Riegler)

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TextZapper

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