Sonja Steßl: “Es geht vor allem um digitale Kompetenz”
Dieser Artikel ist älter als ein Jahr!
futurezone: Sie sollen künftig ein Budget von 20 Millionen Euro zur Verfügung haben. Nach welchen Kriterien und Schwerpunkten wird das Geld ausgegeben, in welche Bereiche wird am meisten fließen?
Sonja Steßl: Noch ist das Geld nicht bei mir, darüber wird jetzt gerade verhandelt. Aber ich warte natürlich nicht untätig. Das erste Programm, das AT:Net (Anm: IKT-Entwicklungsprogramm, bei dem Dienste zur Nutzungsankurbelung von Breitband-Internet gefördert werden sollen), wandert jetzt vom BMVIT zu mir. Dazu erarbeite ich auch ein neues Konzept. Wir müssen Digitalisierung möglichst breit sehen, die findet ja nicht nur im Bereich von Start-ups statt. Daher werden wir das Thema, was die Förderung und die Innovation betrifft, auch sehr breit angehen. Es wird konkrete Themenschwerpunkte geben und etwas Neues werden. Natürlich sind wie bei AT:Net auch Start-ups ein Thema, aber es wird auch andere Dinge geben. Mehr möchte ich dazu jetzt aber noch nicht sagen.
Im Rahmen der Digital Roadmap gab es bis Anfang April auch die Möglichkeit zur Bürgerbeteiligung. Es sind mehr als 2200 Kommentare zusammengekommen. Wie gehen sie mit der Menge an Input jetzt um, wer kümmert sich darum, und was davon wird aufgegriffen?
Ich bin sehr glücklich über die Resonanz. Wir wollten eine möglichst breite Öffentlichkeit. Jetzt gilt es natürlich, diese Online-Postings alle durchzuschauen. Das haben wir nicht bloß gesagt, das machen wir auch. Wir haben ein eigenes Koordinationsteam und Arbeitsgruppen zur Digital Roadmap. Diese Gruppen werden sich jetzt inhaltlich und fachlich damit auseinandersetzen. Danach brauchen wir für die Digital Roadmap natürlich auch eine politische Mehrheit.
Es gibt auch Stimmen, die befürchten, dass die Digital Roadmap viel “heiße Luft” ist. Also dass hier zwar viel mit schönen Worten festgehalten wird, aber dann keine ausreichenden konkreten Maßnahmen folgen. Was halten Sie solcher Kritik entgegen?
Es gab bis jetzt schon in jedem Ministerium eine digitale Strategie in bestimmten Teilbereichen. Wir haben die Digital Roadmap aufgesetzt, um diese Strategien einmal zusammenzutragen. Und wir wollen damit ausloten: Wo wollen wir hin? Wie können wir in Österreich zukunftsfit und innovativer werden. Nachdem wir gesehen haben, dass es in Deutschland viel Kritik an deren Digitalen Agenda gab, haben wir uns entschieden, auch die Community miteinzubinden. Am Schluss soll ja ein Gesamtbild für Österreich herauskommen. Politisch ist mir wichtig, dass wir gemeinsam einen guten Weg finden. Letztlich sind die Verantwortlichkeiten dann wieder je nach Ministerien geregelt.
Der Ex-A1-Chef Hannes Ametsreiter hat vor kurzem in einem futurezone-Interview kritisiert, dass 100 Mbit/s als Ziel im Breitbandausbau nicht genug sind, um im internationalen Wettbewerb mitzuhalten. Er warnte, dass Österreich hier zurückfallen könnte. Was halten sie dem entgegen?
Wenn man eine Milliarde Euro investiert, dann sind die Ziele nicht wenig ambitioniert. Für mich ist es beim Breitbandausbau wichtig, dass man als öffentliche Hand, wenn es sich volkswirtschaftlich auszahlt aber betriebswirtschaftlich nicht, trotzdem investiert und ausbaut. Wir nehmen Geld in die Hand, um auch in die Regionen hinaus zu gehen. Weil dann natürlich auch Arbeitsplätze entstehen, die Bevölkerung in den ländlichen Gegenden versorgt ist und die digitale Kluft nicht noch weiter auseinanderfällt. Ich selbst komme vom Land und bin der Überzeugung, dass das BMVIT den Breitbandausbau sehr ambitioniert und gut erledigen wird.
Es steht ein neues Cybersicherheitsgesetz an. Wie soll man künftig damit umgehen, wenn es Angriffe und Lücken bei Unternehmen gibt, alles transparent machen?
Bis dato wurden Meldungen freiwillig gemacht. Wir koordinieren jetzt - das Bundeskanzleramt zusammen mit dem Verteidigungs- und dem Innenministerium - die legistische Ausarbeitung. Unser Ziel ist es, dass wir durch diesen Austausch Angriffe auf kritische, öffentliche Infrastruktur vermindern oder verhindern, ebenso wie Angriffe auf Unternehmen. Da geht es natürlich auch darum, dass Unternehmen ihre Störfälle melden. Ich verstehe, dass sich die Firmen um ihre Reputation sorgen. Man muss wohl eine gute Balance finden zwischen Transparenz und Information an die Öffentlichkeit und der wirtschaftlichen Interessenslage der Unternehmen. Es ist mein Ziel, dass wir da bis Ende des Jahres eine gute Lösung haben, die dann präsentiert und zur Diskussion gestellt werden kann.
Frauen sind in der Technologiebranche nach wie vor unterrepräsentiert - sowohl in den technischen Studien als auch in der Berufswelt. Wie widmen Sie sich dem Thema, um hier mehr Gleichheit zwischen den Geschlechtern zu schaffen?
Bei uns im Büro ist das Thema Technologie zu hundert Prozent in Frauenhand. Ich selbst habe schon in mehreren Technologiefirmen gearbeitet. Vor einem Jahr habe ich einen IT-Frauen-Think-Tank ins Leben gerufen, wo ich mich regelmäßig mit Frauen aus der Branche austausche. Frauenpolitik findet überall statt, das ist eine Querschnittsmaterie. Das beginnt schon dabei, wie man Kinder und Jugendliche vorbereitet - Thema digitale Kompetenz, MINT-Fächer, usw. Man muss sich außerdem ansehen, warum es viel mehr Gründer als Gründerinnen gibt. Ich denke als Politikerin immer den Frauenaspekt mit. Das reicht von Budgetangelegenheiten über den öffentlichen Dienst bis hin zum digitalen Bereich.
Und was wären konkrete Lösungsansätze, etwa um Frauen mehr dazu zu ermutigen, in männlich dominierten Bereichen zu arbeiten, wo sie sich oft auch unwohl fühlen?
Die Problematik haben wir in verschiedensten Bereichen, auch in der Politik. Aber ich achte immer darauf, dass jene Frauen, die es gibt, sichtbar gemacht und vor den Vorhang holt werden. Damit sehen andere Frauen, ja, man kann es schaffen, auch wenn das Umfeld schwierig ist. Da müssen wir an verschiedenen Stellen ansetzen, eigentlich schon im Kindergarten, dann geht es weiter in der Schule bis hin zur Berufswahl. Mir fällt auf, dass viele Technologiefirmen schon dafür sensibilisiert sind und eigene Frauenförderungsprogramme haben. Auch wir im Bund haben einen Frauenförderungsplan.
Wenn wir von Schule und Ausbildung sprechen - die Digitalisierung, Internet, neue Technologien spielen natürlich auch dabei eine Rolle. Kinder müssen heute andere Fähigkeiten erlernen als vielleicht noch vor 15 Jahren. Gleichzeitig fehlt es auf Pädagogenseite oft noch an diesen Fähigkeiten. Wie kann man dieses Problem möglichst rasch in den Griff kriegen?
Ich bin bezüglich dieses Themas auch mit der Bildungsministerin in Kontakt und wir haben kürzlich eine sehr innovative Schule gemeinsam besucht. Es gibt sehr viele engagierte Lehrerinnen und Lehrer, die ihre Schülerinnen und Schüler mitreißen. Aber natürlich muss unser Ziel sein, dass wir das Ganze in die Breite bringen. Kinder müssen den richtigen Umgang mit dem Internet lernen, etwa wenn es darum geht, was mit den eigenen Daten passiert. Wir brauchen Bewusstseinsbildung, die Digitalisierung findet in allen Bereichen statt. Digitale Kompetenz ist die vierte Kulturtechnik und daran müssen wir arbeiten. Man darf auch nicht den sozialen Aspekt vergessen, nämlich dass jeder die gleichen Chancen haben muss.
Sollte jedes Volksschulkind schon programmieren lernen, um ein Basiswissen in dem Bereich zu haben, ähnlich wie bei Deutsch oder Mathematik?
Es gibt bereits Vorschläge, das Programmieren fix in die Lehrpläne aufzunehmen, da will ich aber dieser Arbeitsgruppe gar nicht vorgreifen. Mir geht es vor allem um digitale Kompetenz.
Weiterhin beklagen Start-ups schlechte Rahmenbedingungen in Österreich. Was werden da ganz konkret die nächsten Schritte sein?
Ich bin überzeugt, dass wir bei uns viele kluge Köpfe haben. Aber was natürlich auffällt, ist, dass viele ins Ausland gehen. Ich suche den Kontakt zur Szene, war schon in Barcamps, fahre nach Hagenberg und demnächst nach Berlin, um mir den Standort dort im Vergleich anzusehen. Viele Maßnahmen wurden auch schon umgesetzt, wir haben basierend auf der Gründerstrategie von Staatssekretär Mahrer einige Dinge erarbeitet, die jetzt legistisch ausgearbeitet werden. Was abgesehen davon wichtig ist, ist die Kultur des Scheiterns, auch wenn das schon oft gesagt wurde. Daher kommt man jetzt zum Beispiel schneller wieder an Förderungen: Auch wenn man in Insolvenz geht, kann man nach zwei Jahren wieder einen Antrag stellen. Wir haben das Gemeinnützigkeitspaket beschlossen und die KMU-Finanzierungsgesellschaft vereinbart, damit die Start-ups zu mehr Geldmitteln kommen. Es gibt die Lohnnebenkostensenkung. Wichtig wäre aber auch, dass es uns gelingt, einen Zuzug von Firmen aus anderen Ländern zu haben.
Es sollen ja auch 60 Millionen aus der Breitbandmilliarde in Start-ups fließen. Was genau wird mit dem Geld gemacht?
20 Millionen pro Jahr. Da geht es um das gesamte AT:Net und andere Digitalprojekte. Wie ich schon sagte, werde ich da auch andere Akzente setzen, aber konkret kann ich darauf noch nicht eingehen.
Wie Sie schon häufiger betont haben, liegt Ihnen das Thema Datenschutz sehr am Herzen. Es greift mit der zunehmenden Vernetzung (von Autos über Smart Home bis hin zu den bekannten Social Networks) immer mehr um sich. Welche Verbesserungen streben Sie an und welche Maßnahmen sehen Sie als realistisch an?
Wir haben in Österreich eine besondere Sensibilität bei dem Thema Datenschutz. Uns geht die EU-Datengrundverordnung in gewissen Bereichen nicht weit genug. Ein weiteres Thema ist das US Privacy Shield. Da wird es darum gehen, ob es gelungen ist, die Kriterien des EuGH-Urteils umzusetzen oder nicht. Ich denke, dass Staaten wie Österreich ein Thema wie Datenschutz durchaus auch als Standortvorteil nutzen könnten. Eine weitere Ebene ist, wie wir bei den Menschen mehr Bewusstsein schaffen und sie sich im Klaren sind, was mit ihren Daten passiert, wenn sie sich beispielsweise auf Facebook anmelden. Deshalb halte ich auch den Safer Internet Day für so wichtig - um Aufklärung zu schaffen und schon Kinder für das Thema zu sensibilisieren.
Stichwort Facebook und andere soziale Netzwerke: Hasspostings und verhetzende Kommentare sind zu einem riesigen Problem in der Onlinewelt geworden. Wie kann man sinnvolle Maßnahmen setzen, um dem entgegenzuwirken?
Ich denke, hier geht es vor allem um einen überparteilichen, gesellschaftspolitischen Zugang. Ich bin diesbezüglich auch im Gespräch mit Justizminister Brandstetter, um eine Initiative zu starten. Man braucht eine Community, die sagt: Wir wollen das nicht. Es geht da auch um Cybermobbing, wovon junge, aber auch ältere Menschen stark betroffen sind. Wir brauchen natürlich gesetzliche Grundlagen, aber wir müssen auch als Gesellschaft zu so etwas Nein sagen.
Abschließende Frage: Welche digitalen Kommunikationsmittel und Plattformen sind für Sie persönlich am wichtigsten?
Anonym nutze ich auch Twitter, ich will wissen, was die Blase denkt. Das ist sehr interessant. Was ich auch nutze, ist Facebook, Instagram und sehr viel auch YouTube. Snapchat, das ist wohl eher nicht so meines.
Kommentare