Gegen das Staatsschutzgesetz: Werner Reiter (AK Vorrat), Fred Turnheim (ÖJC), Christof Tschohl (AK Vorrat) und Rupert Wolff (ÖRAK).
Gegen das Staatsschutzgesetz: Werner Reiter (AK Vorrat), Fred Turnheim (ÖJC), Christof Tschohl (AK Vorrat) und Rupert Wolff (ÖRAK).
© Barbara Wimmer

Massive Kritik

Staatsschutzgesetz: "Die Regierung hat uns angelogen"

Am 19. Jänner soll das umstrittene polizeiliche Staatsschutzgesetz im Innenausschuss behandelt und am 27. Jänner im Plenum des Nationalrats beschlossen werden. Seit dem letzten Änderungsantrag zum Gesetz ist die - durchaus konstruktive - Kritik daran allerdings nicht weniger geworden. Im Gegenteil: An den zentralen Punkten hat sich nicht viel geändert.

Mangelnder Rechtsschutz

Es wird weiterhin kritisiert, dass im Gesetz keine unabhängige Kontrollinstanz vorgesehen ist und einzig der Rechtsschutzbeauftragte beim Innenministerium für die Überprüfung von Überwachungsmaßnahmen vorgesehen ist. Dieser bekommt zwar zwei „Stellvertreter“ zur Seite gestellt, die als „Senat“ fungieren und aus zwei pensionierten Staatsanwälten bestehen soll, aber es ist weiterhin keine echte richterliche Kontrolle beim Staatsschutzgesetz vorgesehen.

„Warum haben die Gesetzgeber so eine Angst vor einer richterlichen Kontrolle?“, fragt Rupert Wolff, Präsident des Österreichischen Rechtsanwaltkammertages (ÖRAK) bei einer gemeinsamen Pressekonferenz mit dem Arbeitskreis Vorratsdatenspeicherung (AK Vorrat) und dem Österreichischen Journalistenclub (ÖJC) am Montag in Wien. „Warum will man uns einen Rat von drei Pensionisten als Gericht verkaufen? Das gibt uns sehr zu bedenken.“

ÖRAK-Präsident Wolff kündigte daher an: „Wir werden uns bis zum letzten Moment dafür einsetzen, dass das Gesetz nicht beschlossen wird, aber sollte es soweit sein, werden wir mit Sicherheit den Verfassungsgerichtshof damit befassen und dagegen klagen.“

"Wurden bewusst angelogen"

Auch Jurist Christof Tschohl, Obmann des AK Vorrat, findet scharfe Worte: „Wir wurden außerdem bewusst und klar angelogen.“ Tschohl bezieht sich bei seiner Aussage darauf, dass die beiden Regierungsparteien im November 2015 den Medien ohne Vorlegungen entsprechender schriftlicher Papiere verkündet hatten, dass die Forderung nach einer richterlichen Kontrolle mit dem Vorschlag des Dreier-Senats praktisch erfüllt sei.

Ein weiterer Kritikpunkt: „Der Rechtsschutzbeauftragte genehmigt dann Maßnahmen gegen Gruppierungen sechs Monate im Vorhinein. Welche konkreten Personen einer Gruppierung da einbezogen werden, ist nicht klar. Auf diesem Weg landen auch Daten von Begleit- und Kontaktpersonen in einer Zentraldatenbank, ohne, dass je ein Richter davon Kenntnis erlangt hat“, erklärt Tschohl.

Zentrale Datenbank für alles

Im Rahmen des Staatsschutzgesetzes soll nämlich auch eine „Gefährderdatenbank“ angelegt werden, in der die Daten von verdächtigen, aber auch komplett unbescholtenen Bürgern für sechs Jahre gespeichert werden. In diese Datenbank kommt dann alles rein: Konkrete Ermittlungen gegen Personen und Gruppen plus alles, was Nachrichtendienste aus dem Internet raussuchen, soll in dieser Datenbank gespeichert werden – auch sexuelle Orientierung oder andere sensible Daten. Zum ersten Mal werden zudem Verkehrs- und Bewegungsdaten gemeinsam gespeichert, also wo man eingeloggt ist und mit wem man telefoniert – auch diese Personen werden automatisch mitgespeichert.

Das problematische dabei aus Sicht des AK Vorrat und der ÖRAK sind zwei Dinge: Einerseits sind die Definitionen im Gesetz so breit gefasst, dass praktisch jeder in dieser Datenbank landen kann, wenn es zur „Bewertung von wahrscheinlichen Gefährdungen“ beitragen könnte; andererseits ist auch vorgesehen, dass diese Daten an internationale Geheimdienst weitergegeben werden. „Sobald die Daten übergeben worden sind, gibt es für die Betroffenen keinen Rechtsschutz mehr“, sagt Tschohl. Zudem gibt es bei der Speicherdauer auch noch Schlupflöcher, etwa wenn „die Person ja in Zukunft etwas planen könnte“ – das wäre dann ein Freibrief für die ewige Speicherung dieser Daten.

Internet-Überwachung

Besonders heikel sind hier auch die umfassenden Überwachungsmöglichkeiten der Internet-Kommunikation. Alle im Internet öffentlichen Quellen wie z.B. Social-Media-Kanäle wie Twitter oder Facebook sollen für Ermittlungen herangezogen werden dürfen und mit anderen Daten verknüpft werden. „Im Staatschutzgesetz steht nicht drinnen, was zur Überwachung verwendet wird. Es gibt einen großen Markt für Open Source Intelligence (OSINT) und wir werden nie erfahren, welche Software zur Internet-Überwachung verwendet werden wird. Da braucht es eine Bremse“, sagt Tschohl.

ÖJC-Präsident Fred Turnheim weist darauf hin, dass im Staatsschutzgesetz – anders etwa als bereits gekippten Gesetz zur Vorratsdatenspeicherung – kein Passus drin steht, der Medien ausnimmt und auf das Redaktionsgeheimnis hinweist. „Das bedeutet, dass es mit dem Staatsschutzgesetz keinen Schutz der Informanten mehr gibt. Wir brauchen nicht über Polen schimpfen, wenn wir selbst ähnliches machen", sagt Turnheim. „Denn soweit sind wir von Polen nicht mehr entfernt, wenn dieses Gesetz kommt.“ Der ÖJC-Präsident fordert von der Regierung noch vor dem Beschluss des Gesetzes einen runden Tisch. „Das Staatsschutzgesetz ist ein Angriff auf unabhängigen Journalismus.“

Lichtermeer

Der AK Vorrat hat für nächsten Samstag ab 18.30 Uhr eine Kundgebung vor dem Bundesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung (BVT) geplant und hofft auf zahlreiche Beteiligung der Bevölkerung am Lichtermeer. „Wir wollen ein starkes Zeichen setzen, dass wir nicht damit einverstanden sind, dass Österreich einen unkontrollierbaren Geheimdienst bekommt“, heißt es dazu. Bisher haben mehr als 25.000 Menschen auf staatschutz.at gegen das Vorhaben der Regierung unterschrieben.

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Barbara Wimmer

shroombab

Preisgekrönte Journalistin, Autorin und Vortragende. Seit November 2010 bei der Kurier-Futurezone. Schreibt und spricht über Netzpolitik, Datenschutz, Algorithmen, Künstliche Intelligenz, Social Media, Digitales und alles, was (vermeintlich) smart ist.

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Barbara Wimmer

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