Streit um geplante Google-Steuer
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Der sperrige Begriff "Leistungsschutzrecht" ist in Deutschland derzeit in aller Munde und sorgt für hitzige Diskussionen. Gemeint ist damit ein umstrittener Gesetzesentwurf, wonach Internet-Suchmaschinen, vornehmlich Google, Verlagen künftig Geld dafür bezahlen sollen, dass deren Artikel in den Suchergebnissen gelistet werden dürfen. Während Zeitungsverlage kritisieren, es könne nicht sein, dass ein internationaler Konzern auf Basis ihrer Inhalte und durch das Schalten von Online-Anzeigen Milliardensummen verdiene, ohne etwas davon abzugeben, spricht sich Google nun in einer breit angelegten Kampagne dagegen aus und warnt vor einem Angriff auf die Informationsfreiheit.
Lizenzen für Textauszüge
Das Leistungsschutzrecht soll Verlagen das "ausschließliche Recht" geben, Presseerzeugnisse zu gewerblichen Zwecken im Internet öffentlich zugänglich zu machen. Das heißt, dass Anbieter wie Google die Darstellung von kleinen Textauszügen (Snippets), wie sie bei Google News aufscheinen, lizenzieren oder ganz darauf verzichten müssen. Der Verlegerverband BDZV argumentierte die Forderung unter anderem damit, „dass sich die Presseunternehmen gegen eine unentgeltliche Ausnutzung ihrer Angebote im Internet zur Wehr setzen müssten".
Am Donnerstagabend wird sich der deutsche Bundestag mit dem Leistungsschutzrecht befassen, gleichzeitig fordern auch die österreichischen Zeitungsverleger mittlerweile nach einem solchen Gesetz. Im kommenden Jahr, so wünscht sich der Velegerverband, soll es als Teil eines neuen, überarbeiteten Urheberrechts Realität werden. „ Erst der Rechtsschutz für Content und die Durchsetzbarkeit von Leistungsschutzrechten machen Erlösmodelle für den Qualitätsjournalismus im Web möglich", so VÖZ-Präsident Thomas Kralinger.
Dabei ist die Debatte um das geplante Gesetz, das in Deutschland derzeit von der schwarz-gelben Regierungskoalition vorangetrieben wird, eigentlich schon viele Jahre alt. Zuletzt rückte das Leistungsschutzrecht allerdings aufgrund massiver Lobbying-Arbeit seitens des Axel-Springer-Verlages wieder in den Mittelpunkt. Das Blog Netzpolitik.org spricht dabei gar von einem "bestellten Gesetz" seitens Springer. Daneben gab es zuletzt auch in Frankreich zum wiederholten Male Bestrebungen, eine Art Google-Steuer einzuführen. Google drohte daraufhin mit einem Verlinkungsstopp auf französische Medienseiten.
Umstrittene Google-Kampagne
„Ein Leistungsschutzrecht bedeutet weniger Informationen für Bürger und höhere Kosten für Unternehmen", begründet Stefan Tweraser, Chef von Google Deutschland, die am Dienstag gestartete Kampagne. Dabei werden Nutzer aufgefordert, sich gegen das geplante Gesetz auszusprechen, weil es das Auffinden von Informationen im Internet deutlich erschweren würde. "Misch dich ein!", ist einer der verwendeten Slogans. Google ermutigt die User dazu, sich unter anderem per E-Mail und Anrufen bei Abgeordneten zu melden.
Ein Leistungsschutzrecht würde auch dem Internet in Österreich schaden, sagt Google-Österreich-Sprecher Wolfgang Fasching-Kapfenberger zur futurezone. "Wenn Suchmaschinen und vergleichbare Dienste Suchergebnisse freiwillig ins Netz gestellter Medien-Artikel nicht mehr verwenden dürfen, wird das Suchen und Finden im Internet massiv gestört." Auch Presseverlage profitierten in erheblichem Umfang von Suchmaschinen und anderen Online-Diensten.
Pro Minute 100.000 Klicks
"Alleine durch Google werden weltweit pro Minute 100.000 Klicks an Verlagsseiten weitergeleitet, die diese für sich nutzen können", sagt der Google-Sprecher. Nun ist natürlich nicht von der Hand zu weisen, dass Google selbst auch kein gemeinnütziger Verein ist und hier auch für das eigene Geld und nicht nur für die Freiheit der Information kämpft. Doch, so der Einwand seitens Google, beim Leistungsschutzrecht gehe es nicht nur um Google. "Es trifft alle gewerblichen Anbieter im Internet und letztendlich jeden Internetnutzer und jede Internetnutzerin in Österreich", sagt Fasching-Kapfenberger.
Gleichzeitig regt sich aber auch Widerstand gegen Googles Widerstand. Der Vorwurf vieler Blogger und Netzaktivisten lautet, Google schiebe hier den Kampf um Informationsfreiheit vor, wobei es dem Konzern doch eigentlich nur um Lobbying und das eigene Geld gehe.
Viele Gegner
Tatsächlich spricht sich nicht nur Google vehement gegen die Einführung eines solchen Gesetzes aus. Auch Netzaktivisten wehren sich gegen das Leistungsschutzrecht und sehen die freie Information im Netz bedroht. Immerhin beträfe das Gesetz nach dem jetzigen Entwurf nicht nur Google, sondern auch kleinere Suchmaschinen-Anbieter und Aggregatoren, die es sich im Gegensatz zu dem Milliardenkonzern wohl nicht leisten könnten, Lizenzgebühren an Verleger zu zahlen.
So lehnt auch der deutsche Verein "Digitale Gesellschaft" die Einführung strikt ab. Das Leistungsschutzrecht sei auch aus Sicht der Nutzer falsch und abzulehnen, weil es die digitale Meinungsfreiheit einschränke und ein ohnehin überkomplexes Urheberrecht weiter verkompliziere, so Markus Beckedahl, der Vorsitzende des Vereins. Gleichzeitig verurteilt Beckedahl aber die Lobbying-Schlacht, die sich derzeit zwischen Verlegern und Google abspielt. „Sowohl Google als auch die Presseverlage missbrauchen im Streit um ein Leistungsschutzrecht ihre Macht- und Marktpositionen, um ihre jeweiligen Wirtschaftsinteressen zu artikulieren. Beim Leistungsschutzrecht geht es für diese beiden Seiten nur ums Geld."
Mittlerweile haben sich auch Gegner auf Seiten der Wissenschaft gefunden. So sprechen sich etwa Wissenschaftler des Max-Planck-Instituts in einem Positionspapier gegen das Leistungsschutzrecht aus. Es könne unabsehbare negative Folgen für die Volkswirtschaft und die Informationsfreiheit in Deutschland nach sich ziehen, so die Unterzeichner.
Offene Fragen
Kritisiert wird der Gesetzesentwurf nicht zuletzt auch deshalb, weil er eine Reihe an offenen Fragen zurücklässt. So bleibt etwa unklar, was in Zukunft mit Inhalten auf Twitter oder bei Aggregatoren wie der beliebten App Flipboard geschehen würde und ob hier auch eine Seite der anderen etwas bezahlen müsste.
Unklar ist derzeit auch, was passiert, wenn das Gesetz tatsächlich umgesetzt wird. Google seinerseits hat bereits anklingen lassen, nicht mit Verlagen über Lizenzen verhandeln zu wollen, wie unter anderem der Spiegel Online berichtet. Die Folge wäre also wohl, das zunächst einmal sämtliche Artikel aus den Suchergebnissen herausgenommen würden.
Unverständnis
Beim Verband der österreichischen Service Provider ISPA erzeugt die Forderung nach einem Leistungsschutzrecht ebenfalls Unverständnis. "Wir sehen, dass die Pressewelt sich im Umbruch befindet. Den Vorschlag ein Leistungsschutzrecht für Verleger einzuführen, sehen wir als Lose-Lose-Situation, weil es dazu führt, dass Suchmaschinen Inhalte nicht mehr indexieren würden und Nutzer daher weniger Informationen finden würden", sagt ISPA-Generalsekretär Maximilian Schubert zur futurezone. Auf der anderen Seite blieben auch für Online-Zeitungen, die von Klicks und Werbekunden leben, die Einnahmen aus, weil Besucher nicht mehr weitergeleitet würden.
"Wir können auch nicht nachvollziehen, dass Suchmaschinen mit den Inhalten Umsätze lukrieren. Ich habe auf solchen Seiten (Anm. Google News) bislang keine Werbung wahrgenommen", sagt Schubert. Ein weiteres Problem sei, dass Inhalte aus Staaten, in denen das Leistungsschutzrecht nicht gilt, bevorzugt würden, erklärt Schubert. Zum Beispiel wäre es möglich, dass Leute dann zu anderen Tech-Plattformen ausländischer Medienhäuser gehen würden, wenn sie beispielsweise die futurezone auf Google News nicht mehr finden könnten.
Schubert verweist jedoch auch auf eine einfache Lösung für all jene Verlage, die ihre Inhalte nicht gelistet sehen wollen: Der technische Standard "robots.txt" ermöglicht, ganz genau festzulegen, was bei Google indexiert werden soll und was nicht. Das bedeutet schlichtweg: Niemand wird dazu gezwungen, seine Inhalte bei Google aufscheinen zu lassen.
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