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Datenabkommen

Terrorangst hilft USA bei Wirtschaftsspionage

Dass Geheimdienste ihre Ressourcen zur Stützung der heimischen Wirtschaft einsetzen und auch kaum davor zurückschrecken, Wirtschafts- und Industriespionage im Dienste des eigenen Landes zu betreiben, ist seit Jahrzehnten Teil des politischen Geschäfts. Allein in Österreich soll sich das Schadenspotenzial auf drei bis zehn Milliarden Euro jährlich belaufen. Um Marktbewerber (anderer Nationen) aus dem Rennen zu werfen oder an der Börse den entscheidenden Vorsprung zu haben, wird das dafür notwendige „Vorwissen“ aber zunehmend aus den wachsenden digitalen Datenbergen filtriert.

Strategien statt Produkte

„Technisch hoch entwickelte Staaten wie die USA sind mittlerweile weniger an konkreten Technologien oder Produkten interessiert als an Markt- und Absatzstrategien“, meint Datenexperte Friedrich Wimmer. Beim Security Forum des Hagenberger Kreises vergangene Woche warnte Wimmer vor der Gefahr der „unbeherrschbaren externen Datenhalden“, die sich zum Teil ohne Zutun und ohne Kontrolle der Unternehmen anhäufen.

Seit längerem in der Kritik steht etwa das SWIFT-Abkommen „Terrorist Finance Tracking Programme“ (TFTP), das den Austausch von europäischen Bankdateninformationen mit den USA regeln soll. Offiziell zur Terrorismus-Bekämpfung eingesetzt, erlaubt das Abkommen den USA auf Verdacht den Zugriff auf die von über 8800 Banken und Finanzinstitute kommunizierten Kontobewegungen ihrer Kunden. Datenschützer, aber auch EU-Parlamentarier warnen hingegen, dass die USA sich

und europäische Bankdaten praktisch uneingeschränkt, ohne Anlass und auf Vorrat speichern.

CIA als Wirtschaftshelfer
Von Ex-CIA-Direktor James Woosley ist laut Wimmer unter anderem die Aussage bekannt, dass „die CIA die nationale amerikanische Industrie im Konkurrenzkampf mit ausländischen Firmen mit allen Mitteln unterstützt“. Als ebenso gesichert gilt, dass sich die CIA nach dem 11. September geheimen Zugriff zum SWIFT-System verschaffen wollte. Ebenfalls gut ins Bild passt zudem, dass die angeblich unabhängige externe Audit-Firma Booz Allen Hamilton unter anderem den genannten Ex-CIA-Direktor sowie den ehemaligen Direktor der National Security Agency (NSA) zu seinen Führungskräften zählt. Booz Allen Hamilton soll eigentlich dafür sorgen, dass die von SWIFT abgefragten Daten nur zur Terrorismus-Verfolgung genutzt wird.

„Über entsprechende Analyse-Tools können Markttrends, aber auch Geschäftsbeziehungen sowie der Lieferanten- und Kundenstamm von Unternehmen leicht aufgedeckt werden“, meint Wimmer im Gespräch mit der futurezone. „Wenn man den SWIFT-Datenpool mit den umfangreichen Zolldaten - etwa im Frachtschiff-Bereich - und schließlich mit den Flug- und Bewegungsdaten verknüpft, kann man sich genaue Profile von Unternehmen und ihren Geschäftsfeldern erstellen“, so Wimmer.

EU gibt USA Daten in die Hand
Erst vergangene Woche hat das EU-Parlament der Weitergabe von Fluggastdaten an die USA

. Auch in diesem Fall versicherte die USA stets, das Abkommen solle ausschließlich zur Bekämpfung von Terrorismus und schwerer Kriminalität beschlossen werden. „Der Terrorismus ist leider ein Totschlagargument, der ja auch von Staaten wie Russland ständig angeführt wird, um umstrittene Vorgehensweisen zu rechtfertigen“, sagt Wimmer.

Dass die EU den USA derartige Zugriffsrechte auf Daten einräumt, kann sich der Datenexperte eigentlich nur historisch erklären. „Ich denke, das geht immer noch auf die positiv besetzte Rolle der USA im zweiten Weltkrieg und beim Wiederaufbau zurück. Es ist nur schwer vorstellbar, dass Staaten wie Russland oder China ähnliche Rechte eingeräumt werden könnten, was derartige Datenabkommen betrifft“, so Wimmer.

Andere Ausgangslage in China

China spiele in puncto Wirtschaftsspionage derzeit aber ohnehin noch in einer anderen Liga. Anders als die USA sei das Land derzeit noch ungleich stärker an Technologien und Produktentwicklungen interessiert, für die das Know-how im Land mitunter noch fehle. Markt- und Absatzstrategien würden derzeit noch eine untergeordnete Rolle spielen. „China ist bislang vor allem durch das Eindringen in Computersysteme aufgefallen“, meint Wimmer.

Dass chinesische Unternehmen sich über manipulierte Hardware – Stichwort Netzwerk-Komponenten und Router –  Zugang zu sensiblen Daten im Ausland

, hält Wimmer hingegen für weniger wahrscheinlich: „Solange Software so fehleranfällig und angreifbar bleibt, ist es eigentlich nicht notwendig, sich über die Hardware einen Weg in ein System zu schaffen. Der Weg über Software-Bugs hat zudem den Charme, dass eine Backdoor-Absicht der Hersteller nicht nachgewiesen werden kann.“

Gutes Geschäft für Kapitalmarkt-Akteure
Geheimdienste und Konkurrenzunternehmen sind heute nicht die einzigen, die von Wirtschaftsspionage profitieren können. Gerade auch für Kapitalmarktakteure erweist sich der Vorab-Zugang zu volkswirtschaftlichen oder unternehmerischen Entwicklungen als wahre Goldgrube. „Dass man mit Geheiminformationen bzw. einem Informationsvorsprung eine Überrendite erzielen kann, liegt auf der Hand“, so Datenexperte Wimmer. Auch hier sei es wohl kaum ein Zufall, dass gerade die US-Hedgefonds in den vergangenen Jahren überdurchschnittlich erfolgreich waren.

Gefährdeten Unternehmen rät der Datenexperte daher, sich der neuen Bedrohungsszenarien bewusst zu werden. „Die Sichtweise ist insofern eine veränderte, weil ich als Unternehmen nicht nur die internen Daten beschützen muss, sondern auch meine externen Daten berücksichtigen muss, über die ich teilweise gar keine Kontrolle habe.“

Die neuesten Erkenntnisse zum Thema „Wirtschaftsspionage und Intelligence Gathering“ wird Wimmer zusammen mit Co-Autor Alexander Tsolkas in wenigen Monaten in einem Buch beim Springer Verlag veröffentlichen.

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Martin Jan Stepanek

martinjan

Technologieverliebt. Wissenschaftsverliebt. Alte-Musik-Sänger im Vienna Vocal Consort. Mag gute Serien. Und Wien.

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