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© dpa/Julian Stratenschulte

Blockade

Türkei sperrt vor Wahlen Zugang zu Twitter

Zehn Tage vor der Kommunalwahl in der Türkei haben die Behörden den Zugang zum Kurznachrichtendienst Twitter abgeschaltet. Nutzer berichteten am Freitag, die Seite der Plattform könne seit der Nacht nicht aufgerufen werden oder sei auf einen gerichtlichen Sperrvermerk umgeleitet. Auf Smartphones meldete die Twitter-App am Morgen: „Nutzer konnte nicht geladen werden.“

Nicht auf Gerichtsentscheidung eingegangen

Aus der Regierung werde der Schritt damit begründet, dass Verantwortliche von Twitter Gerichtsentscheidungen ignoriert hätten, schrieb die Zeitung „Hürriyet“. Die Plattform sei verpflichtet gewesen, bestimmte Links aufgrund von Beschwerden türkischer Bürger zu entfernen.

Wenige Stunden zuvor hatte der türkische Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan seine Drohungen gegen soziale Medien drastisch verschärft. „Twitter und solche Sachen werden wir mit der Wurzel ausreißen. Was dazu die internationale Gemeinschaft sagt, interessiert mich überhaupt nicht“, zitierte die Nachrichtenagentur Anadolu den Regierungschef am Donnerstag. Für Gegner Erdogans sind soziale Medien die wichtigsten Kommunikationsmittel.

Kritik von Staatspräsident

Staatschef Abdullah Gül meldete sich am Freitag über die Online-Plattform zu Wort und kritisierte die offenbar von Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan betriebene Sperrung. Es sei nicht akzeptabel, Zugangsverbote für soziale Medien zu erlassen, twitterte Gül. Nach einem Gerichtsentscheid dürften nur einzelne Internetseiten blockiert werden, wenn diese den Datenschutz verletzten. Er hoffe, dass die derzeitige Sperrung nicht lange andauern werde, twitterte Gül an die Adresse Erdogans gerichtet.

Twitter veröffentlichte nach dem Bekanntwerden der Sperre einen Tweet, in dem Nutzern in der Türkei erklärt wurde, wie sie per SMS weiter Mitteilungen absetzen können. Einige Nutzer hatten in den vergangenen Wochen auf Twitter und in anderen Online-Netzwerken auf Tonaufnahmen und Dokumente verwiesen, die angeblich Beweise für Korruptionsvorfälle im inneren Zirkel um Erdogan liefern und dessen Verwicklung belegen sollen. Der Regierungschef sprach von manipulierten Aufnahmen.

Deutschland sieht Defizit bei Meinungsfreiheit

Die deutsche Bundesregierung kritisiert die Sperre des Kurznachrichtendienstes Twitter in der Türkei. „Es entspricht nicht unserer Vorstellung von Meinungsfreiheit, irgendwelche gearteten Kommunikationswege zu verbieten oder auszuschließen“, sagte die stellvertretende Regierungssprecherin Christiane Wirtz am Freitag in Berlin. Die Sperrung entspreche nicht dem, „was wir unter freier Kommunikation in Deutschland verstehen“. Auf die Frage, ob es sich dabei um Zensur handele, sagte Wirtz: „Ich schließe mich dieser Wertung nicht an.“ Sie betonte aber, die Bundesregierung werde im Gespräch mit der türkischen Regierung darauf hinweisen, wie wichtig die Meinungsfreiheit für Deutschland sei.

Außenamtssprecher Martin Schäfer sagte, es sei nicht neu, dass die EU und auch Deutschland Defizite bei der Presse- und Meinungsfreiheit in der Türkei sähen. Diese Defizite würden in den verschiedenen Gesprächsformaten mit der Türkei angesprochen. Das gelte auch für die jüngsten Entscheidungen. „Natürlich werden wir dazu auch mit unseren türkischen Partnern das Gespräch aufnehmen und dabei mit unserer Meinung nicht hinter dem Berg halten“, sagte Schäfer. Die EU-Beitrittsverhandlungen mit der Türkei würden fortgesetzt.

EU zeigt sich besorgt

Die Blockade des Kurznachrichtendienstes Twitter in der Türkei ist von der Europäischen Union scharf kritisiert worden. „Das Verbot löst ernste Sorge aus und stellt die von der Türkei erklärte Unterstützung für europäische Werte und Normen infrage“, heißt es in einer Erklärung des EU-Erweiterungskommissars Stefan Füle vom Freitag in Brüssel.

Meinungsfreiheit sei ein Grundrecht in jeder demokratischen Gesellschaft und beinhalte die Möglichkeit, Ideen und Informationen ohne staatliche Einmischung empfangen zu können, erklärte Füle. „Die Bürger müssen frei in ihrer Wahl der Kommunikationsmittel sein. Das schließt ganz offenkundig das Internet ein.“
Auch der Präsident des Europaparlaments, Martin Schulz, verurteilte die Sperre scharf: Regierungschef Recep Tayyip Erdogan müsse die Pressefreiheit „nicht wegen der internationalen Gemeinschaft gewährleisten, sondern weil sie ein Recht der türkischen Bürger und eine Errungenschaft aller gefestigten Demokratien ist“.

Scharfe Kritik der OSZE

Die Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) hat das Abschalten des Kurznachrichtendienstes Twitter in der Türkei scharf gerügt. Dies sei ein weiterer Schritt zur Unterdrückung der Meinungsfreiheit, sagte die OSZE-Beauftragte für die Freiheit der Medien, Dunja Mijatovic, am Freitag in Wien. „Die Regierung sollte einen pluralistischen Diskurs schützen und fördern, statt ihn abzuwürgen.“ Sie rief die türkische Regierung auf, die Maßnahme zurückzunehmen. In der Türkei gibt es nach ihren Angaben rund zehn Millionen Nutzer des Kurznachrichtendienstes.

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