In den USA haben sich Netzaktivisten mit ihren Forderungen, das freie Internet zu sichern, durchgesetzt. Das Bild zeigt FCC-Chef Tom Wheeler mit den zwei Kommissarinnen, die für mehr Netzneutralität gestimmt haben.
In den USA haben sich Netzaktivisten mit ihren Forderungen, das freie Internet zu sichern, durchgesetzt. Das Bild zeigt FCC-Chef Tom Wheeler mit den zwei Kommissarinnen, die für mehr Netzneutralität gestimmt haben.
© Yuri Gripas/Reuters

Beschluss

USA verankern Netzneutralität: "Historische Entscheidung"

Die Federal Communications Commission (FCC), die in den USA für die Regulierung des Telekommunikationsmarktes zuständig ist, hat am Donnerstag mit 3:2 der Stimmen entschieden, dass Internetprovider künftig als „common carrier“ zu klassifizieren. Das bedeutet, dass sie damit als Unternehmen gelten, die ähnlich wie Energie- oder Wasserversorger gesamtgesellschaftlich bedeutsame Leistungen erbringen und deshalb besonders strengen Antidiskriminierungsregeln unterliegen. Drosselungen oder Blockaden des offenen Internet sind ihnen deshalb ebenso verboten wie die Einführung von bezahlten Überholspuren, den sogenannten Spezialdiensten.

Internet als öffentliches Gut

Damit stellt sich die FCC auf die Seite der Anhänger einer strikten Netzneutralität, die in den USA zahlreiche Bürger mobilisiert hatten, sich für ein freies Internet einzusetzen. Mit der Entscheidung erkennt die FCC das Internet als besonders schützenswertes öffentliches Gut und als infrastrukturelle Grundlage einer digitalen Gesellschaft an. Zugleich verwirft sie damit den von Telekommunikationsunternehmen in Europa und Österreich immer wieder vorgebrachten Einwand, eine solche Einordnung würde die Investitionsmittel für den Breitbandausbau gefährden.

„Die FCC hat heute eine historische Entscheidung für die Freiheit, Offenheit und Innovationskraft des Netzes getroffen. Europa muss nun mit den USA gleichziehen und das Internet als öffentliches Gut anerkennen, statt weiter ein Zwei-Klassen-Netz zu befördern, das die Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Online-Wirtschaft bedroht.“, erklärt Alexander Sander, Geschäftsführer des Vereins Digitale Gesellschaft, in einer ersten Reaktion.

Weitere Reaktionen

Der Beschluss der FCC wird in den USA von der Netzgemeinschaft hoch umjubelt, denn noch vor ein paar Monaten herrschte in den USA eine andere Stimmung gegenüber dem freien Internet. "Vor fünf Monaten hätte so ein Sieg als unmöglich gegolten", schreibt etwa Craig Aaron in der "Huffington Post". "Ars Technica" erklärt unter anderem die Zusammenhänge, wie FCC-Chef Tom Wheeler davon überzeugt werden konnte, dass das Internet als öffentliches Gut anzusehen sei und dadurch auch die Wettbewerbsfähigkeit von den USA dadurch gestärkt werde. Kommissarin Jessica Rosenworcel dazu: "Unsere Internet-Wirtschaft wird weltweit beneidet. Wir haben sie erfunden. Das Internet ist unser Stadtplatz."

Der Telekomriese Verizon verurteilte die FCC-Entscheidung am Donnerstag als unnötigen Rückschritt zu einem veralteten Regulierungsmodell. Um dem Protest gegen die Entscheidung Ausdruck zu verleihen wurde der Blogeintrag des Telekomproviders in Morse-Zeichen und in Schreibmaschinen-Schrift veröffentlicht. Auch AT&T zeigte sich nicht erfreut, hofft aber, dass der Beschluss angesichts der knappen Mehrheit nicht in Stein gemeißelt sei.

Situation in Europa

In Europa hingegen sieht die Zukunft der Netzneutralität derzeit alles anders als rosig aus. Der EU-Ministerrat will die Netzneutralität opfern und Telekommunikationsunternehmen bezahlte Überholspuren im Netz ermöglichen. Das würde zu einem Zwei-Klassen-Internet mit großen Markteintrittshürden für Start-Ups führen. Europa würde damit einmal mehr Wettbewerbsnachteile gegenüber den USA hinnehmen müssen.

Die Juristin Barbara van Schewick von der Stanford Law School bekräftigt diese These zuletzt bei einer Konferenz zum Thema Netzneutralität in Wien. „Firmen wie Facebook sind alle von Menschen gegründet worden, die am Anfang praktisch kein Kapital hatten. Auch Kickstarter oder Dropbox sind von Leuten ohne Geld gestartet worden. Sie sagen ganz klar: Hätten wir für die Bevorzugung unserer Inhalte zahlen müssen, gäbe es uns jetzt nicht“, erzählte van Schewick.

In Österreich wird die heimische Regulierungsbehörde RTR seitens der Telekomprovider vermehrt mit Anfragen konfrontiert, die Netzneutralität auszuhebeln, wie der RTR-Geschäftsführer im futurezone-Interview erzählt hat. Auch wurde die Netzneutralität in Österreich bereits mehrfach verletzt (Stichwort: Drei-Spotify-Deal), aber die Behörde sieht aufgrund fehlender Gesetze keine Möglichkeiten hier einzugreifen. Weil auf europäischer Ebene dank des EU-Ministerrats keine baldige Regelung zur Verankerung der Netzneutralität zu erwarten ist, hatte sich die RTR daher zuletzt für eine „nationale Regelung“ ausgesprochen.

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Barbara Wimmer

shroombab

Preisgekrönte Journalistin, Autorin und Vortragende. Seit November 2010 bei der Kurier-Futurezone. Schreibt und spricht über Netzpolitik, Datenschutz, Algorithmen, Künstliche Intelligenz, Social Media, Digitales und alles, was (vermeintlich) smart ist.

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