Gehen Sie wählen! (29.9.2013)
Gehen Sie wählen! (29.9.2013)
© kba/Gerhard Deutsch

Nationalratswahl 2013

Was Online-Wahlbörsen voraussagen

Wahlbörsen, bei denen Nutzer auf den Wahlausgang wetten, lieferten in der Vergangenheit häufig präzisere Prognosen als die klassische Meinungsforschung. In Österreich bietet wahlfieber.at seit Jahren Wahlbörsen an. Geht es nach dem internen Prognosemarkt der Plattform für die Nationalratswahl 2013 (Stand: Freitagnachmittag), wäre die SPÖ mit 26 Prozent die stimmenstärkste Partei, gefolgt von ÖVP (22 Prozent) und FPÖ (20 Prozent). Ebenfalls in den Nationalrat einziehen würden die Grünen, das Team Stronach und die NEOS. Das BZÖ schafft den Einzug mit 3,99 Prozent nicht, so die derzeitige Prognose.

Meinungsumfragen sagen vor allem bei den kleineren Parteien andere Ergebnisse voraus. Zwar geht sich auch laut einer OGM-Umfrage für den „Kurier“ vom Sonntag eine große Koalition von SPÖ (27 Prozent) und ÖVP (22 Prozent) nicht aus. Neben FPÖ, Grüne, dem Team Stronach und den NEOS sieht das Meinungsforschungsinstitut aber auch das BZÖ im Nationalrat. Zwei weitere Umfragen (Gallup und Karmasin) sagen hingegen eine absolute Mehrheit für SPÖ und ÖVP voraus. BZÖ und NEOS knacken die Vier-Prozent-Hürde in den Umfragen nicht.

„Studien zeigen, dass im Vergleich zu Umfragen die Prognosen aus Prognosemärkten in der Mehrheit der Fälle genauer sind“, sagt Günther Fädler von der BDF-net Agentur, die wahlfieber.at betreut. „Der wichtigste Vorteil ist, dass die Meinung von verschiedenen Experten aggregiert wird. Die Fehler der anderen werden ausgeglichen und das macht Aussagen von Prognosemärkten robust."

Blamage bei deutscher Bundestagswahl

Das ist allerdings nicht immer der Fall. Mit Häme quittierten etwa deutsche Medien die ungenauen Prognosen von Online-Wahlbörsen bei der Bundestagswahl am vergangenen Sonntag in Deutschland. Die Prognosemärkte des Handelsblatts und von politikprognosen.de lagen bei einzelnen Parteien um bis zu acht Prozent daneben, insgesamt wichen die Ergebnisse jeweils um über zwei Prozent vom tatsächlichen Endergebnis ab. Klassische Umfragen verfehlten das Wahlergebnis im Vergleich dazu lediglich um weniger als ein Prozent. „Die Methode an sich ist kein Garant für den Erfolg.“, meint wahlfieber-Betreiber Fädler. Zentrale Schlüsselfaktoren seien das Fragendesign, Belohnungsmodelle und die erreichte Teilnehmeraktivität.

Kaufen und verkaufen

Wie aber funktionieren Wahlbörsen? Teilnehmer einer Wahlbörse gehen wie an der traditionellen Börse vor. Gehandelt wird mit Marktanteilen von Parteien. Nutzer überlegen sich, welches Wahlergebnis sie erwarten, je nachdem kaufen und verkaufen sie Marktanteile. Bei Prognosemärkten lautet die Frage: "Wie wird das Ergebnis aussehen?", bei klassischen Umfragen wird gefragt: "Was werden Sie tun?", erläutert Fädler den Unterschied zu Meinungsumfragen. Um auf der Börse erfolgreich zu sein, muss der Teilnehmer eine realistische Einschätzung abgeben. Ein Stronach-Fan muss sich also eingestehen, dass zwanzig Prozent außer Reichweite sind, ein SPÖ-Sympathisant sollte nicht mit einer absoluten Mehrheit rechnen.

„Tendenziell gute Methode“

Prognosemärkte sind tendenziell eine gute Methode, die auch gute Prognosen liefert“, meint Andreas Graefe, wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Ludwig-Maximilians-Universität München, die einen eigenen Forschungsschwerpunkt zu Politikprognosen unterhält.

So zeigte sich etwa in den USA wiederholt, dass Wahlbörsen zuverlässig prognostizieren können. Auf dem Iowa Political Stock Market der Universität in Iowa wurde 1988 zum ersten Mal eine Vorhersage zur U.S.-Präsidentschaftswahl erstellt. Die Prognose: 53,2 Prozent für den Republikaner George Bush, 45,2 Prozent für den Demokraten Michael Dukakis. Das Ergebnis: 53,2 Prozent für Bush, 45,4 Prozent für Dukakis. Auch in den darauffolgenden Jahren lieferte diese Wahlbörse bessere Prognosen als Meinungsumfragen.

Knappes Rennen bei NR-Wahl 2008

Auch bei der Nationalratswahl 2008 verfehlte die Wahlbörse auf wahlfieber.at das Wahlergebnis nur vergleichsweise knapp. Die Abweichung betrug 1,14 Prozent. Eine News-Umfrage wenige Tage vor der Wahl lag mit 1,62 Prozent um einen halben Prozentpunkt mehr daneben. Eine OGM-Umfrage lieferte allerdings eine bessere Prognose, die Abweichung lag bei nur 0,82 Prozent.

In der Medienberichterstattung spielen die Prognosen in den Wahlbörsen nur eine bescheidene Rolle. Wissenschaftler Graefe findet das schade. Die Leute hätten Schwierigkeiten zu verstehen, dass durch das Handeln von Erwartungen Prognosen generiert werden könnten. Durch Wahlerwartungsbefragungen wären jedoch bessere Vorhersagen möglich als bei Umfragen nach der Wahlabsicht, meint Graefe. „Ich denke, dass diese Methode in Zukunft an Bedeutung gewinnen wird. Das wird aber sicher noch etwas dauern.“

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