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Netzpolitik

Wie Staaten um die Vormacht im Cyberspace kämpfen

Die Geheimnisse von Firmen und Regierungen liegen heute in Computernetzwerken. Die Verwaltung von kritischer Infrastruktur wie der Stromversorgung hängt ebenfalls am Netz.  Deshalb investieren Regierungen viel Geld in die Entwicklung von Kapazitäten für Cyberspionage und digitale Kriegsführung. Wie weit die Staaten dabei gehen, wurde in den vergangenen Tagen deutlich. Bloomberg beschreibt aktuell, wie Chinas Militär mit manipulierten Computerchips die Infrastruktur von großen US-Firmen wie Apple  infiltriert hat. Fast zeitgleich hat das britische Cybersicherheitszentrum den russischen Militärgeheimdienst als Urheber diverser Cyberangriffen, etwa gegen die US-Demokraten oder die Anti-Doping-Agentur, identifiziert.

Solche Vorfälle sind keine Seltenheit mehr. Da die Angriffe zunehmen, reagiert jetzt auch die Politik. „Es ist kein Zufall, dass die Geschichte mit den chinesischen Chips jetzt ans Licht kommt, zeitgleich mit den Enthüllungen über Cyberangriffe in der USA, England und Holland. Es gibt eine Kampagne der westlichen Länder, um gegen solche Attacken vorzugehen“, sagt Alexander Klimburg, Direktor der Global Commission on the Stability of Cyberspace und Autor des Buches „The Darkening Web: The War for Cyberspace“.

Gezielte Angriffe

Die Fähigkeiten für solche Angriffe haben  praktisch alle entwickelten Länder. „Was die Chinesen können, können andere auch.  Viele Länder arbeiten mit Cyberangriffen, sind aber vielleicht nicht so aggressiv wie China“, sagt Klimburg. Üblicherweise werden staatliche Angriffe auf Systeme sehr gezielt durchgeführt. Was die jüngste Enthüllung über manipulierte Chips aus China brisant macht, ist die wichtige Rolle Chinas in den Zulieferketten der Elektronikindustrie. Dadurch hat das Land theoretisch die Möglichkeit, im großen Stil Gerätekomponenten, die in der ganzen Welt genutzt werden, zu manipulieren.

„Die günstigsten Multifunktions-Chips, die in den meisten elektronischen Systemen eingesetzt werden, kommen aus China. Der Einbau von Hintertüren wäre durchaus denkbar“, sagt Klimburg. Europa ist hier aber weniger abhängig als die USA. „Dass es Europa bei der Hardware genauso trifft, wie die USA, wage ich zu bezweifeln. Es gibt im Industriesektor einige Spezialisten, die zum Teil in Europa herstellen“, sagt ein IT-Sicherheitsexperte, der für diverse Regierungen arbeitet und namentlich nicht genannt werden will, dem KURIER.

Europa

Im Bereich Software hingegen nehmen die USA selbst eine dominante Position ein.  „Bei Software haben wir in Europa und auch in der restlichen Welt eine fast 100-prozentige Abhängigkeit von den Amerikanern“, sagt der Sicherheitsexperte. Der privilegierte Zugriff auf Computersysteme, den die USA und China durch ihre Industrien genießen, verschafft beiden Ländern einen Vorteil im Kampf um die Vorherrschaft im Cyberspace. „Europa ist nicht der wichtigste Akteur, weder was Technologie noch was politische Vorgaben angeht.

Hier sind China, die USA und Russland vorne“, sagt Klimburg. Eine einheitliche Verteidigungsstrategie gegen Angriffe gibt es in Europa derzeit nicht. „Europa hätte als größter Wirtschaftsraum der Welt enorme Einflussmöglichkeiten. Man könnte Standards setzen, etwa über Einfuhrbedingungen. Die politische Einstellung zum Cyberspace ist aber diffus. Die Nationalstaaten – auch Österreich - wollen der Kommission keine Kompetenzen geben“, sagt Klimburg.

Eine mögliche Schutzmaßnahme wäre etwa die Einrichtung spezialisierter Prüflabors, die Hard- und Software testen, bevor sie eingeführt und in Systemen verbaut wird. Auch eine Einigung auf internationaler Normen für Cyberspionage und -kriegsführung könnte helfen.

„Der Aufbau einer eigenen Industrie sollte ebenfalls forciert werden. Eine Basis gibt es hier sehr wohl, aber die Ansätze gehen nicht weit genug“, sagt Klimburg. Was eigene Angriffe angeht, braucht sich Europa schon heute nicht zu verstecken. „Die Offensivkapazitäten in Europa sind latent sehr groß. Auch kleine Länder wie die Schweiz, Israel oder Estland können hier mit den Großen mitspielen“, sagt Klimburg.

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Markus Keßler

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