Wiener Studenten zeigen Facebook an
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“Facebook ermöglicht es dir, mit den Menschen in deinem Leben in Verbindung zu treten und Inhalte mit diesen zu teilen.” Mit diesem Spruch wirbt das populäre Netzwerk und bietet seinen Nutzern tatsächlich jegliche erdenkliche Möglichkeit zur Kommunikation im Internet, vom schlichten Nachrichtenversenden, über Status-Updates bis hin zum Teilen von Fotos oder Videos. Doch der schier grenzenlose Informationsfluss hat seinen Preis, was auf den ersten Blick gratis ist, bezahlen die User tagtäglich mit ihren persönlichen Daten. Dafür muss sich Facebook von Datenschützern auch regelmäßig massive Kritik gefallen lassen. Weil sich bisher trotzdem nicht viel an den Praktiken auf der Plattform geändert hat, ist eine Gruppe von Wiener Studenten nun selbst aktiv geworden.
Insgesamt 16 Anzeigen hat die Gruppe “europe-v-facebook” rund um Maximilian Schrems, Student der Rechtswissenschaften an der Universität Wien, vor der irischen Datenschutzbehörde gegen das US-Netzwerk eingebracht. Facebook soll laut den Studenten das geltende Datenschutzrecht in diversen Punkten verletzen.
In Irland wurden die Anzeigen deswegen eingebracht, weil Facebook dort seinen europäischen Hauptsitz hat. Wie viele andere Internetfirmen auch (beispielsweise Google) siedelte sich Facebook aus Steuergründen mit einer irischen Tochtergesellschaft auf der Insel an. Laut den Nutzungsbedingungen von Facebook haben alle User außerhalb der USA und Kanada einen Vertrag mit Facebook Ireland - gleichzeitig wird so auch europäisches Datenschutzrecht anwendbar. “In Europa gibt es nationale Gesetze zum Datenschutz, diese beruhen aber alle auf einer EU-Richtline, der somit auch Facebook Irland unterliegt”, erläutern die Wiener Studenten.
Undurchsichtige Nutzungsbedingungen
“Die AGB von Facebook sind rein nach amerikanischem Recht geschrieben, viele Bedingungen sind in Europa klar gegen den Konsumentenschutz, weil sie überraschend, schwer verständlich oder grob benachteiligend sind”, erklärt Schrems gegenüber der futurezone. Bei Facebook werde der Nutzer nur mit einem kleinen grauen Text bei der Anmeldung auf die Nutzungsbedingungen und die Datenschutzrichtlinie hingewiesen. Letztere sei über zwölf Seiten lang und verweise auf zahllose weitere Dokumente. Die Bedingungen darin sind laut den Rechtsstudenten unklar, unbestimmt und auch widersprüchlich. Daher liege der Verdacht nahe, das vieles in Europa gar keine Gültigkeit habe. “Facebook verstößt gegen geltendes Recht. Denn die amerikanische Rechtskultur geht davon aus, dass man alles ‘irgendwie’ argumentieren kann. Das gilt in Europa aber nur beschränkt”, sagt Schrems. Gewisse Rahmen könne man auch als Großkonzern nicht verlassen.
Daten werden nicht gelöscht
Nach europäischem Recht kann jede Person in jene Daten Einsicht nehmen, die von einem Unternehmen über sie gespeichert werden. Von diesem Recht haben auch die Wiener Studenten Gebrauch gemacht. Davon abgesehen, dass Facebook laut Aussagen der Gruppe der Verpflichtung nur teilweise nachgekommen ist, habe man in allen Datensätzen schnell sensible Informationen wie politische Überzeugung, sexuelle Orientierung oder Teilnahme an Demonstrationen finden können. Insgesamt haben die Studenten Datensätze im Umfang von 780, 1142 und 1222 A4-Seiten erhalten - jeweils eine sehr große Menge an Aufzeichnungen.
Aus der Einsichtnahme sei nun hervorgegangen, dass Facebook seinen Usern nur vorgaukle, man könne alle Daten auch wieder entfernen lassen. In den Nutzungsbedingungen steht etwa, dass eine Fotomarkierung wieder entfernt werden könne. Ganz so sei es jedoch nicht: Facebook lösche in keinem Fall irgendwelche Daten, sondern deaktiviere diese bloß. Das gelte sowohl für Markierungen in Fotos, gelöschte Freunde, gelöschte Nachrichten und das sogenannte Anstupsen (Poken) als auch für geänderte Nutzernamen und gelöschte E-Mailadressen.
Auch alte Beiträge auf Pinnwänden seien nur teilweise gelöscht worden, obwohl diese nicht mehr angezeigt wurden, fanden sich die Daten noch in den Datensätzen, berichten die Studenten.
Hoffnung auf Erfolg
Mit all den Fragen soll sich nun die irische Datenschutzbehöre beschäftigen und prüfen, inwieweit die 16 Anzeigen der Wiener Gruppe gerechtfertigt sind. Unter den Kritikpunkten finden sich Funktionen wie das Markieren oder die Gesichtserkennung ebenso wie das häufig verwendete Opt-Out-Verfahren und ganz allgemein die Datensicherheit, von der Facebook in seinen Nutzungsbedingungen schreibt, es könne nicht definitiv sichergestellt werden, dass die Daten sicher sind.
“Die irischen Behörden müssen den Anschuldigungen nachgehen, Facebook wird eine Stellungnahme abgeben müssen und die Behörde wird dann entscheiden”, sagt Schrems. Im Datenschutzrecht sei leider vieles schwammig und nicht zu 100 Prozent berechenbar, “aber wir gehen davon aus, dass der Großteil der Anzeigen Erfolg haben wird”, so Schrems weiter. Sei dies nicht der Fall, stehe auch eine Beschwerde gegen Irland vor der EU-Kommission zur Diskussion.
Die Gruppe europe-v-facebook sieht sich in ihrem Kampf gegen Facebook wie David gegen Goliath. Ausgangspunkt des Unterfangens war eine Seminararbeit, die Schrems während eines Auslandsaufenthalts in Kalifornien geschrieben hatte. Dem Thema Social Media stehen die Studenten trotz massiver Kritik an Facebook prinzipiell durchaus positiv gegenüber. “Wir glauben, dass Social Media eine tolle Sache ist, aber auch die User haben Rechte. Social Media muss im Rahmen der Gesetze stattfinden, damit die Plattformen nicht zu einer riesigen Datensammelstelle verkommen”, sagt Schrems. “Am Ende soll der User und nicht Facebook die Kontrolle über seine Daten haben.”
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