Fez: Verdrehte Game-Welt für Retro-Masochisten
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Auf dem Stand des Independent Game Festivals auf der diesjährigen GDC war offensichtlich, welches Spiel das Publikum am meisten interessierte. Das Gedränge rund um Fez des kanadischen Studios Polytron war groß. Jeder wollte einmal jenes Game ausprobieren, das seit mehr als vier Jahren in Entwicklung ist und seitdem von Festival zu Festival tingelt. Seit Mitte April hat der Mythos nun ein Ende. Fez, von einer Jury zum besten Indie Game 2012 gewählt, ist auf Xbox Arcade erhältlich und muss sich dem kritischen Publikum stellen.
Der gewisse Dreh
Dieses erwartet einen auf den ersten Blick klassischen Plattformer, dessen Twist sich nach dem Intro offenbart. Der Clou von Fez, sein Alleinstellungsmerkmal: Die 2D-Welt kann per Knopfdruck um die vertikale Achse gedreht werden. Viermal zu je 90 Grad. Die Handlungsebene bleibt zwar immer flach, durch das Drehen der Welt ergeben sich jedoch neue Plattformen oder Sprungmöglichkeiten. Auch ist es so möglich Hinterseiten von Gebäuden zu erkunden, um dort etwa eine Tür zu entdecken.
Mit Rotation durch die Welt
Was kompliziert klingt, macht in der Praxis binnen weniger Minuten Sinn. Ganz natürlich beginnt man um Ecken zu denken und Bildschirmabschnitte zu rotieren, um nach neuen Wegen oder verborgenen Schätzen zu scannen. Scheint ein Abgrund etwa zu weit zum Springen, dreht man den Raum – und mit etwas Glück ist eine Perspektive dabei, die den Spalt deutlich reduziert. Das Design der Abschnitte muss man Fez zu Gute halten. Es gibt kaum ein Spiel, dessen Bausteine so gut ineinander greifen. Die räumlichen Rätsel sind nie zu offensichtlich, aber meist gut lösbar. Kunststudent Phil Fish, für das Design der Plattformen verantwortlich ist, hätte in Geometrisch Zeichnen sicherlich mit einer Römisch Eins abgeschlossen.
Auf der Suche nach Würfeln
Das Erkunden der Levels hat einen ganz bestimmten Grund: Der Spieler beziehungsweise die zu steuernde Figur namens Gomez muss 32 über die Welt verstreute Mini-Quadrate einsammeln. Acht davon ergeben jeweils einen großen Kubus, der wieder als Schüssel für verschlossene Tore dient. Je weiter man in der Welt vorankommt, desto mehr Würfel braucht man, um Türen zu öffnen. Kurz gesagt: Man grast alle Abschnitte ab, um so viele Würfel wie nur möglich zu sammeln.
Motivation bleibt aus
Dieses banale Ziel färbt leider auf das Spiel ab, das rasch eintönig wird. In Ermangelung von Gegnern, Zeitdruck, Motivation spendenden Punkten oder schlicht einem Scheitern durch Tod, rennt, hüpft und klettert man durch die Welt und hofft auf einen Würfel zu stoßen. Wo diese platziert sind, weiß man nicht – es gibt kaum Hinweise, kein Radar oder sonstige Orientierungspunkte. So stolpert man oftmals hilflos durch die Welt und weiß nicht so recht, wo man suchen soll. Hinzu kommt, dass es viele offene Türen gibt, die die Figur in einen anderen Weltabschnitt lotsen. Ob man diese betritt, sollte man sich gut überlegen. Oft ist es aufgrund des verschachtelten Aufbaus schwer, wieder zurückzufinden – und dann plagt das Gewissen, ob man zuvor alle Würfel eingesammelt hat. Eine Grundregel lautet daher: Jeder Abschnitt ist bis auf den letzten Pixel abzusuchen.
Verwirrender Aufbau und leere Kilometer
Im Spiel gibt es auf Knopfdruck zwar eine Übersichtskarte, diese ist jedoch unübersichtlich gehalten. Weder auf den ersten, noch auf den zweiten Blick ist ersichtlich, wo man sich befindet, wo man war und wie man dort wieder zurückkommt. Zu Anfang des Spielens entsteht zwar der Eindruck, dass dies alles absichtlich so passiert, Phil Fish diesen Ablauf also so konzipiert hat. Ein paar Stunden später herrscht aber einfach nur Frustration über die Orientierungslosigkeit vor. Und es beschleicht einen das Gefühl, es sei nur eine Methode, um Fez künstlich in die Länge zu ziehen. Natürlich konnte man jetzt poetisch argumentieren, dass man ein Reisender durch das Labyrinth einer entrückten Welt ist und alleine der Weg das Ziel ist. Nüchtern betrachtet, machen die doppelten Wege und verworrenen Verzweigungen einfach keinen Spaß.
Niedlich für Nerds
Aufgrund der technisch durchaus beeindruckenden Retro-Pixel-Grafik – ein Stilmittel, das mittlerweile jedoch abgegriffen wirkt - und dem lieblich, bunten Stil, könnte man meinen, Fez sei für Gelegenheitsspieler konzipiert. Dies täuscht jedoch. Der wirre Levelaufbau sowie manche Rotationsrätsel und Sprungpassagen sind sehr knifflig. Zudem haben Phil Fish und seine Mannschaft ein paar Hardcore-Rätsel eingebaut, die nur Nerds befriedigen. Wirklich masochistisch wird es, wenn man die ersten 32 Würfel eingesammelt und das Spiel an sich beendet hat. Dann gilt es die nächsten 32 Würfel zu finden, die das Knacken absurd schwerer Puzzle erfordern. So sind im Soundtrack Informationen und Hinweise versteckt. In vielen Level gibt es QR Codes oder andere kryptische Insider-Hinweise. Für das letzte große Rätsel braucht man ebenfalls vertrackte Gehirnwindungen. Viele Spieler scheiterten, bis ein passionierter Spieler – auf Papier – das zugrunde liegende Geheimnis knackte.
Nichts für den Gelegenheitsspieler, gut für Masochisten
Diese Herausforderungen mögen manche Spieler schätzen und Fez dafür heiß lieben. Man wird gequält und bestraft, um danach kleine, bittersüße Triumphe zu feiern. Das ist - so wie das Spielprinzip und die Grafik - so 80er-Jahre. Im Jahr 2012 kann man das cool finden, oder einfach nur als Rückschritt begreifen. Jene, die einfach nur einen etwas anderen Plattformer suchen, werden jedenfalls enttäuscht.
Mit 10 Euro (800 Punkte) ist das Spiel nicht teuer, es könnte einen Versuch Wert sein – wäre da nicht Sky Island. Das kostenlose Flash-Spiel ist ebenfalls ein Plattformer, bei dem man die Welt rotieren muss, um Puzzles und Level zu meistern. Alternativ bietet sich noch Shift an, das ebenfalls kostenlos ist. Wer auf knifflige Dreh- und Perspektiven-Rätsel steht, hat zudem noch Echochrome (PS3, PSP), Crush (3DS, PSP), Super Paper Mario (Wii) oder – aus Österreich - And Yet It Moves (Linux, PC, Mac, Wii) zur Auswahl.
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