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Photokina

Hasselblad Lunar: Enttäuschende 5000-Euro-Cam

Besucher der Photokina hatten wahrscheinlich mit einigen Neuankündigungen gerechnet, aber diese dürfte so ziemlich alle überrascht haben. Der schwedische Traditionshersteller Hasselblad weicht von seinen berühmten Mittelformat-Kameras ab und präsentiert mit der Lunar seine erste Systemkamera.

„Seine" ist in Wirklichkeit Sonys. Die Lunar basiert auf Sonys Systemkamera NEX-7 (Straßenpreis etwa 1000 Euro), soll aber 5000 bis 7000 Euro kosten, je nach verwendeten Materialen. Als die futurezone auf der Photokina beim Stand von Hasselblad fragte, was abgesehen vom Gehäuse bei der Lunar anders als bei der NEX-7 sei, kam nur die Antwort: „Wir machen unsere eigene Firmware." Hasselblads Business Development Manager Luca Alessandrini sagte gegenüber dem British Journal of Photography, dass man nur Komponenten von Sony kaufe. Nur weil man einen Sony-Sensor verwende, sei es noch lange keine Sony-Kamera.

Systemkamera nur der Anfang
Zumindest ist die Kooperation offiziell und kein offenes Geheimnis, wie die Panasonic-Digitalkameras, die als Rebrand von Leica deutlich teurer verkauft werden. Wie Hasselblad bei der Photokina-Pressekonferenz sagte, ist die Lunar nur der Anfang. Es sollen DSLRs und Digitalkameras folgen, ebenso wie Stative und Accessoires. Bei der DSLR würde sich die Sony A99 anbieten (UVP 2800 Euro), bei der Digitalkamera ist die Sony RX1 (UVP 3100 Euro) mit ihrem Vollformat-Sensor geradezu prädestiniert, um zu einem späteren Zeitpunkt als Hasselblad-Digicam zu werden. Ob auch diese vier Mal so teuer sein werden, wie die Original-Sony-Kameras, ist noch nicht bekannt.

Die neue Strategie dürfte nicht der alleinige Wille des schwedischen Unternehmens gewesen sein. Vor einem Jahr wurde die Hasselblad Group, zu der der dänische Digitalrückteilhersteller Imacon gehört, von Ventizz Capital Fund IV gekauft. Und diese wollten wohl mehr aus dem guten Namen Hasselblad herausholen und nicht nur bloß Mittelformatkameras an Profi-Fotografen verkaufen.

Hands-On
Als „überraschend italienisches Design" beschreibt Hasselblad das Gehäuse der Lunar. Die Bedienelemente sind aus Titan. Das Gehäuse besteht aus Aluminium, dessen Fertigung fünf Stunden dauern soll. Das Griffstück ist aus Leder, Carbon oder edlen Holzsorten, auch Mahagoni darf da nicht fehlen. Die Kameras sollen in Handarbeit in Schweden zusammengebaut werden.

Sieht man auf dem Hasselblad-Messestand auf der Photokina dann die Prototypen, bleibt einem nach dieser Beschreibung des Herstellers erst einmal der Mund offen stehen. Nicht, weil die genannten Materialen, angewandt auf die Basis der NEX-7 eine Symphonie aus Design und Technik ergeben, sondern weil die Lunar wie ein gebrauchtes Spielzeug aussieht und sich auch so anfühlt. Natürlich ist es nur ein Prototyp, aber wenn man mit dem Namen Hasselblad eine 5000 bis 7000 Euro teure Systemkamera anpreisen will, darf es nicht ein Modell aus einer so frühen Entwicklungsphase sein.

Übergestülpt
Die Lunar ist deutlich größer als die recht kompakte NEX-7. Es ist so, als hätte Hasselblad das Aluminiumgehäuse einfach über die NEX-7 gestülpt. Die Lunar wirkt dadurch plump und versprüht nur wenig Eleganz. Die etwas größere Form bietet dafür aber auch mittels größerem und gut geformtem Griffstück für die rechte Hand Platz. Der großzügig dimensionierte Griff sollte auch großen Händen ausreichend Halt bieten – der kleine Finger rutscht nicht unter die Kamera. Ein kleiner Nachteil: Die Griffe sind nicht austauschbar. Will man also seinen Carbon-Griff gegen einen geschnitzten Mahagoni-Griff tauschen, muss man eine neue Lunar kaufen.

Der Blitz, der OLED-Sucher, das klappbare Display und alle Bedienelemente befinden sich genau auf den selben Positionen wie bei der NEX-7. Letztere wurden verschlimmbessert. Die Tasten und Knöpfe fühlen sich nicht gut an und sehen auch nicht gut aus. Die zwei Moduswahlräder an der Oberseite sehen so aus, als würden sie den Finger zermahlen, wenn man damit zwischen die Räder gerät. Auch das Drehen der viel zu hohen Räder fühlt sich nicht gut an. Die roten Steine bei der Video-Aufnahmetaste und dem Auslöser, die wahrscheinlich Diamanten oder ähnliches in der finalen Version sein sollen, sehen aus wie aus dem Kaugummiautomaten.

Kein Adapter
Auch das Objektiv entspricht dem Sony NEX-Kit-Objektiv, nur, dass darauf jetzt der Hasselblad-Schriftzug prangt. Einen Adapter, mit dem Hasselblads eigene H-Mount-Objektive auf Sonys NEX und damit auch auf die Lunar passen, wird es laut Hasselblad nicht geben.

Von Hasselblads eigener Firmware war bei den gezeigten Prototypen nichts zu sehen. Das Menü sah genauso aus wie bei der NEX-7, auch die Funktionen entsprachen denen von Sonys Systemkamera.

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Gregor Gruber

Testet am liebsten Videospiele und Hardware, vom Kopfhörer über Smartphones und Kameras bis zum 8K-TV.

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