© Tieto/Christian Dusek

Augmented Reality

HoloLens ausprobiert: Virtuelle Roboter zwicken

Microsofts HoloLens ist eine Augmented-Reality-Brille, die virtuelle Objekte ins Gesichtsfeld des Trägers projiziert, ohne dass dieser den realen Raum aus den Augen verliert. Das Gerät ist noch in der Entwicklungsphase. Die österreichische Niederlassung des finnischen Unternehmens Tieto, das Beratung und IT-Systeme für den professionellen Einsatz in Firmen anbietet, hat dank der guten Kontakte seiner Experten bereits einige Prototypen bekommen, um eigene Anwendungen zu entwickeln. “Wir haben Microsoft gesagt, dass wir ein Projekt mit Googles Glass machen. Das hat vermutlich auch geholfen, unsere Einreichung durchzubringen”, sagt Daniel Freiberger von Tieto. Bei einem Pressetermin in Wien durfte die futurezone das Gerät ausprobieren.

Mit der HoloLens auf dem Kopf fühlt man sich in etwa so, als ob man eine Skibrille tragen würde. Das Gerät sitzt relativ eng am Kopf, stört aber nicht bei der Bewegung durch den Raum. Das Gewicht ist für einen vollständigen Computer in Brillenform gering und der Tragekomfort ist auch nach mehreren Minuten noch gegeben. Ob das auch nach stundenlanger Nutzung noch gilt, konnten wir im Kurztest nicht erheben. Navigiert wird mittels zweier Gesten. Die “Blume”, bei der alle Finger nach oben zu einer Art Blüte zusammengeführt werden, um sie dann zu öffnen, ruft das Navigationsmenü auf. Geklickt wird mit einer Zwickgeste, einem Fingerkniff mit Daumen und Zeigefinger. Die Hand muss dabei stets mit Gesichtsfeld des Nutzers sein, damit die Bewegungssensoren die Gesten erfassen können. “Das ist im Prinzip eine Weiterentwicklung von Microsofts Kinect-Technologie. Der Raum wird mit Infrarotlicht abgetastet, um Bewegungen in 3D zu erfassen”, sagt Tieto-Entwickler Helmut Krämer. Wer mit der Gestensteuerung nicht zurechtkommt, kann einen der Kinect beigelegten Klicker verwenden, um Eingaben zu tätigen.

Knifflige Bedienung

Ausgewählt werden Elemente und Schaltflächen mit einem Cursor, der mittig im Sichtfeld positioniert ist und so mit Kopfbewegungen an die richtige Position für einen Klick gebracht wird. Wir haben beim Test einige Dinge ausprobiert, etwa die Positionierung von animierten virtuellen 3D-Objekten wie Katzen, Astronauten oder Ballerinas im Raum. Die HoloLens merkt sich, wo diese Projektionen sich befinden. “Wir finden beim Tragen der HoloLens im ganzen Büro immer wieder virtuelle Objekte, die jemand beim Ausprobieren irgendwo platziert hat”, sagt Freiberger zur futurezone.

Eine App zum Anatomie-Lernen haben wir auch getestet. Dabei wird ein menschlicher Körper in den Raum projiziert, der dann Schicht für Schicht geschält werden kann, um Organe und Gefäße freizulegen. Gesteuert wird hier mit Gesten und Sprachbefehlen. Das hat im Test wunderbar funktioniert, auch wenn wir durch anfängliche Navigationsprobleme die Leber auf nach Aufforderung des Systems nicht gleich am Modell gefunden haben. Der Ton wird bei der HoloLens über Knochenschallleitung zu den Gehörknöchelchen transportiert, so dass nur der Träger hört, was das Gerät ausgibt. Das führt zur für Außenstehende lustigen Situation, dass HoloLens-Träger nicht nur abwesend in die Luft starren, während sie sich in ihrer aufgemotzten Realität bewegen, sondern auch scheinbar willkürlich Befehle wie “Next” vor sich hinstammeln.

Brot und Spiele

Den meisten Spaß hatten wir im Test mit einem Videospiel, bei dem mit der Zwick-Geste auf Alien-Roboter geschossen werden muss. Dabei wird von der HoloLens zuerst der Raum abgetastet. Die Wände tauchen dann auch in der AR auf. Der Spieler kann dann in die virtuellen Begrenzungen Löcher schießen und durchschauen, was sich dahinter verbirgt - Meistens sind das böse Roboter. Das Zielen funktioniert sehr einfach und die Schlachten zeigen das Gaming-Potenzial der HoloLens auf. Die HoloLens verursachte beim Testen keinerlei Schwindel oder Unwohlsein. Laut den Tieto-Mitarbeitern ist es aber schon vorgekommen, dass Trägern etwas schlecht wurde. “Mir ist einmal schummrig geworden, weil ich mit der HoloLens dauerhaft zwischen einem PC-Bildschirm und einem darauf platzierten virtuellen Objekt hin- und hergeschaut habe. Das Gerät ist aber in jedem Fall verträglicher als eine VR-Brille, die einige Menschen überhaupt nicht vertragen”, sagt Krämer.

All die ausprobierten Anwendungen sind aber nur Spielereien. Was Tieto mit der HoloLens erreichen möchte, ist eine individuelle Verteilung der Informationen in Firmen. Die HoloLens kann am Arbeitsplatz getragen werden und erlaubt es, bei freien Händen Informationen ins Gesichtsfeld der Arbeiter einzublenden. Muss eine Maschine gewartet werden, kann ein Experte irgendwo auf der Welt einem Wartungsarbeiter am Gerät virtuell einzeichnen, welche Handgriffe getan werden müssen. An virtuellen Trainingsobjekten können Fachkräfte auch ausgebildet werden. “In Zukunft wird es mehr Generalisten als Spezialisten geben. Mit HoloLens kann das Wissen optimal verteilt werden”, sagt Tieto-Österreich-Geschäftsführer Thomas Hohenauer bei der Präsentation.

Industrie 4.0

Die HoloLens ist ein Stand-Alone-System, das keine Verbindung zu einem PC benötigt. Die virtuellen Objekte werden auf mehrere Schichten einer Glasfläche direkt vor den Augen projiziert, wodurch eine dreidimensionale Ansicht entsteht. Auf dem Gerät läuft Windows 10. Der Akku hält laut den Tieto-Entwicklern beim Prototypen drei bis vier Stunden. Das Gerät verfügt zudem über einen USB-Anschluss, WLAN- und Bluetooth-Chips und einen Speicher, der drei Gigabyte fasst. Alle Berechnungen können direkt am Gerät durchgeführt werden.
Eine Netzwerkanbindung ist also nur nötig, wenn Kommunikation mit einer zentralen Steuerung oder anderen Personen nötig ist. Die maximale Auflösung beträgt ein Megapixel pro Auge. Die Projektionen sahen damit im Test sehr gut aus. Der Teil des Gesichtsfelds, der mit virtuellen Objekten bevölkert werden kann, ist derzeit noch recht begrenzt, was bei der Anwendung aber kaum auffällt, weil die Grenzen zum realen Raum kaum sichtbar sind. Das alles funktioniert allerdings nur, solange die Umgebung nicht zu hell ist. Für den AUßeneinsatz bei strahlendem Sonnenschein ist die HoloLens aber auch nicht gedacht.

Bis die HoloLens auf den Markt kommt, wird noch einige Zeit vergehen und die Entwickler werden das Gerät wohl noch deutlich verbessern und um einiges verkleinern. “Die Entwickler-Kits werden noch bis 2017 ausgeliefert. Vor 2018 wird das Gerät sicher nicht für die Allgemeinheit verfügbar”, sagt Krämer.

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Markus Keßler

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