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Hands-on

Huawei Mate 9: Ein 1400-Euro-Denkmal mit Porsche-Logo

Wenn der Smartphone-Markt in den vergangenen zwei Jahren etwas vermissen ließ, dann war es Abwechslung. Wie eine langweilige Folge einer Sitcom konnte man genau vorhersagen, was in den nächsten Monaten passieren würde. Doch Anfang September endete all das mit einem Knall: Der Akku von Samsungs High-End-Smartphone Note 7 fing Feuer und plötzlich verkam der Smartphone-Markt zu „Game of Thrones“.

Wer kann, in Abwesenheit des Phablet-Königs, den Thron erklimmen? Apple lieferte mit dem iPhone 7 Plus eine solide Leistung ab, doch auch andere Hersteller versuchen ihr Glück. So auch Huawei, Nummer Drei auf dem weltweiten Smartphone-Markt. Mit dem Mate 9 fährt man die großen Geschütze auf - wortwörtlich.

Gleich zwei Modelle wurden vorgestellt
, eines mit gebogenem 5,5-Zoll-Bildschirm, ein weiteres mit 5,9-Zoll-Bildschirm. Zudem hat man sich die Hilfe von den deutschen Traditionsmarken Porsche und Leica geholt. Reicht das, um die Galaxy-Note-Reihe abzulösen? Ich durfte bereits mit beiden Smartphones etwas Zeit verbringen, auch mit dem fast 1400 Euro teuren „Porsche Design“-Modell.

Ein Note-7-Zwilling

Die Ähnlichkeit zwischen dem Mate 9 im Porsche-Design und dem Samsung Galaxy Note 7 lässt sich nicht bestreiten. Aus dem Augenwinkel betrachtet könnte es ein ehemaliger Note-7-Nutzer sogar mit dem Samsung-Smartphone verwechseln. Doch nimmt man es in die Hand, werden die Unterschiede rasch deutlich. Die Rückseite ist deutlich stärker abgerundet als beim Note 7, wodurch sich die Metallrückseite gut an die Handfläche schmiegte.

Das Smartphone macht sofort einen robusten Eindruck. Es fühlt sich an, als würde man ein solides Stück Metall in der Hand halten, an der Rückseite sind keinerlei Übergänge ertastbar. Die Ränder rechts und links sind, ähnlich wie beim Galaxy S7 Edge recht schmal gehalten und erwecken so den Eindruck, dass das Smartphone deutlich kompakter wäre als es eigentlich ist.

Das ist auch eine Folge des Edge-to-Edge-Displays, das an der rechten und linken Kante dezent gebogen ist. Das fällt jedoch nur bei genauerer Betrachtung auf - wer nach einem richtigen „Eyecatcher“ sucht, wird wohl eher beim S7 Edge fündig. Stattdessen richtet sich der Blick wohl eher auf das „Porsche Design“-Logo, das recht wuchtig über dem Bildschirm prangt.

Rutschig und „Touchy“

In puncto Haptik ist das Smartphone sehr gut gelungen, allerdings war ich aufgrund seines hohen Gewichts und der etwas rutschigen Rückseite stets in Sorge, das Smartphone könnte mir aus der Hand rutschen. Die Behauptung von Huawei, dass das Smartphone resistent gegenüber Fingerabdrücken sei, konnte ich nicht belegen. Binnen kürzester Zeit sammelten sich Schmierer und Fingerabdrücke auf dem Gerät, auch bei den Testern vor mir.

Für Verwirrung sorgte der Touch-basierte Home-Button. Huawei wollte offenbar dem Vorbild von Apple nacheifern und hat statt einem physischen Home-Button eine Touch-Alternative verbaut. Die erweist sich allerdings beim Hands-On als besonders empfindlich, immer wieder habe ich versehentlich oder zu lange auf die Taste getippt, beispielsweise beim Drehen des Smartphones für die Kamera.

Mate 9: Eine Grenzüberschreitung

Das Mate 9 (ohne Porsche) ist ähnlich gut verarbeitet wie das doppelt so teure Designer-Smartphone. Auch hier hält man ein solides Stück Metall in der Hand, der (flache) 5,9-Zoll-Bildschirm sorgt aber für nochmals wuchtigere Maße, die gerade noch eine einhändige Bedienung erlauben. Wenn man nicht wüsste, dass das Smartphone (fast) genauso groß ist wie das iPhone 7 Plus, würde man es nicht merken. Das dürfte wohl auch am größeren Bildschirm liegen, der rund 77,5 Prozent der Front einnimmt.

Dabei zeigt sich auch ein Problem: Während die Ecken des Displays beim iPhone 7 Plus mit Müh und Not noch mit einer Hand zu erreichen sind, überschreitet das Mate 9 diese Grenze. Die einhändige Bedienung wird so zu einer mühsamen Aufgabe, meist muss ich mich strecken oder die zweite Hand zur Hilfe nehmen. Obwohl es spürbar größer ist, lag das Mate 9 spürbar sicherer in der Hand als das Porsche-Modell, auch da man sich gut am breiten Rahmen festhalten kann.

Bunter, aber gleich scharf

Auch beim Display machen sich die Unterschiede deutlich bemerkbar. Das AMOLED-Panel des Porsche-Modells punktet mit satten Farben und scharfer Darstellung (534 ppi). Hier wird man sich wohl mit Samsungs Galaxy S7 Edge messen müssen, ein Vergleichsgerät stand beim Hands-on jedoch nicht zur Verfügung. Es stand allerdings ein Mate 9 zur Verfügung.

Während sich die niedrigere Auflösung (FullHD statt QHD) trotz größerem Bildschirm nicht bemerkbar macht - die Darstellung ist gestochen scharf, einzelne Pixel lassen sich nicht mit freiem Auge erkennen - muss sich das LCD-Panel bei den Farben klar dem AMOLED-Panel geschlagen geben.

Genauso flott

Die restliche Hardwareausstattung ist (nahezu) gleich. Das Porsche-Modell verfügt lediglich über etwas mehr RAM und Speicher (6 Gigabyte RAM und 256 Gigabyte Speicher statt 4 bzw. 64 Gigabyte), doch im Kurztest zeigten sich keinerlei spürbare Vorteile. Die von Huawei entwickelte Android-Oberfläche EMUI, mittlerweile bei Version 5.0, lässt sich flott und ohne lästige Animationen bedienen.

Apps öffneten sich ohne spürbare Verzögerung, auch beim schnellen Wechseln ließen sich keine Probleme feststellen. Die Kamera punktet ebenfalls mit einer relativ kurzen Auslöseverzögerung, auch wenn man mit dem Samsung Galaxy S7 Edge und Apples iPhone 7 noch nicht ganz mithalten kann. Die Qualität der Kamera ließ sich im Kurztest noch nicht beurteilen, erste Schnappschüsse sind jedoch vielversprechend. Insbesondere die Zoom-Funktion sowie der optische Bildstabilisator sind offenbar sinnvolle und hilfreiche Ergänzungen.

Wenn es doch nur nicht so teuer wäre

Ich habe erst zwei Mal erlebt, dass bei der Präsentation eines Preises ein Raunen durch die Menge ging. Beide Mal passierte mir das bei Huawei: Bei der Präsentation der Huawei Watch 2015 und am Donnerstag beim Mate 9 Porsche Design. Das High-End-Smartphone ist hoffnungslos überteuert, sodass es wohl kaum Abnehmer finden dürfte. Leider, denn der erste Eindruck ist hervorragend, das Smartphone ist hervorragend verarbeitet, lässt sich trotz seiner Größe angenehm bedienen und punktet mit guter Performance. Eigentlich ein würdiger, wenn auch kostspieliger Ersatz für das zu früh vom Markt gegangene Note 7.

Also stattdessen zum Mate 9 greifen, das nur die Hälfte kostet? Leider konnte ich in der kurzen Zeit, die ich bislang mit dem Smartphone verbringen konnte, noch keine eindeutige Antwort finden. In puncto Performance steht es dem Porsche-Ableger um nichts nach, doch der FullHD-Bildschirm und die etwas schlechtere Haptik bereiten mir noch etwas Kopfzerbrechen. Das Gesamtpaket macht jedoch einen vielversprechenden Eindruck, ein umfangreicherer Test folgt bald.

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Michael Leitner

derfleck

Liebt Technik, die Möglichkeiten für mehr bietet - von Android bis zur Z-Achse des 3D-Druckers. Begeistert sich aber auch für Windows Phone, iOS, BlackBerry und Co. Immer auf der Suche nach "the next big thing". Lieblingsthemen: 3D-Druck, Programmieren, Smartphones, Tablets, Open Hardware, Videospiele

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